Rosa von Praunheim

Rosa von Praunheim
Rosa von Praunheim (2008)

Rosa von Praunheim (Holger Bernhard Bruno Mischwitzky, geboren als Holger Radtke, * 25. November 1942 in Riga, Lettland) ist ein deutscher Filmregisseur und gilt als wichtiger Vertreter des postmodernen deutschen Films. Er war vor allem mit seinem Dokumentarfilm von 1970 Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt der öffentliche Wegbereiter und einer der Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Von Praunheim wurde 1942 während der deutschen Besatzung im Zentralgefängnis in Riga geboren. Seine leibliche Mutter starb 1946 in der Psychiatrie (Wittenauer Heilstätten Berlin). Nach der Geburt wurde Holger Radtke zur Adoption freigegeben. Von der Adoption erfuhr er erst im Jahr 2000 von seiner Adoptivmutter Gertrud Mischwitzky und vom Tod seiner leiblichen Mutter nach längeren Recherchen im Jahr 2006. Seine Nachforschungen dokumentierte er 2007 in dem Film Meine Mütter – Spurensuche in Riga.[1]

Er wuchs als Holger Mischwitzky in Ost-Berlin auf. 1953 flüchtete die Familie in den Westen; zunächst ins Rheinland, anschließend zog sie nach Frankfurt am Main. Das Humanistische Gymnasium in Frankfurt verließ von Praunheim mit der Mittleren Reife, um an der Werkkunstschule in Offenbach am Main und später an der Hochschule für Bildende Künste in West-Berlin in der Abteilung Freie Malerei zu studieren, ohne aber einen Abschluss zu erlangen.

In den 1960er Jahren debütierte er mit Experimental- und Kurzfilmen, wie Samuel Beckett (1969), mit denen er sich bald einen Namen machte. Mitte der 1960er Jahre nahm er den Künstlernamen „Rosa von Praunheim“ an, der eine Reminiszenz an den Rosa Winkel darstellt, den homosexuelle Männer in der Zeit des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern tragen mussten, sowie an den Frankfurter Stadtteil Praunheim, wo er als Jugendlicher aufwuchs.[2]

Im Jahr 1969 heiratete er die Schauspielerin Carla Egerer (alias Carla Aulaulu[3]). 1971 ließ sich das Paar scheiden.

Praunheims erster großer Spielfilm entstand 1970: Die Bettwurst wurde zum Kultfilm, auf den 1973 eine Fortsetzung (Berliner Bettwurst) folgte. Ebenfalls 1970 erregte von Praunheim Aufsehen mit seiner Dokumentation Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, die unter anderem zur Gründung zahlreicher Homosexuelleninitiativen führte. Mit diesem Film war er auch im Jahr 1972 Teilnehmer der Documenta 5 in Kassel in der Abteilung Filmschau: Anderes Kino.

In 30 Jahren drehte von Praunheim über 50 Filme. Neben Homosexualität waren seine Themen „ältere, vitale Frauen“ (zum Beispiel Evelyn Künneke und Lotti Huber) und seit den späten 1980er Jahren die AIDS-Prävention. 1979 erhielt er den Deutschen Filmpreis für Tally Brown; sein Wunderbares Wrodow von 1999 wurde mit dem Robert-Geisendörfer-Medienpreis ausgezeichnet. 2008 bekam von Praunheim in Osnabrück den 17. Rosa-Courage-Preis[4] und den Filmpreis der Stadt Hof.[5]

Großes Aufsehen erregte Rosa von Praunheim am 10. Dezember 1991 durch die von ihm in Deutschland losgetretene Outing-Debatte, als er unter anderem den Moderator Alfred Biolek und den Komiker Hape Kerkeling in der RTL-plus-Sendung Explosiv – Der heiße Stuhl öffentlich als schwul bezeichnete – eine Aktion, die er später als „Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der AIDS-Krise“ bezeichnete, den er nicht wiederholen würde.

Rosa von Praunheim war bis 2006 Dozent für Filmregie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Er wohnt in Berlin und lebt in einer festen Beziehung mit seinem Mitarbeiter Oliver Sechting.

Am 5. September 2008 drehte er das Segment über die Darkroombar Ficken 3000 für Volker Heises 24-stündiges Dokumentarfilmprojekt 24h Berlin – Ein Tag im Leben, das genau ein Jahr später auf mehreren Fernsehsendern ausgestrahlt wurde.

Bücher

  • Die Leidenschaften der Rosa von Praunheim – für Sylvia, studio presse hans taeger, Berlin, 1967. 4°, 64 unpag. Seiten, einseitig bedruckt.
  • mit Oh Muvie (d. i. Elfi Mikesch): Oh Muvie, Heinrich-Heine Verlag, Streit-Zeit-Bücher, Nr. 5, Frankfurt, 1969.
  • Sex und Karriere. Rogner & Bernhard, München, 1976. Ala Taschenbuch; Rowohlt, Reinbek, 1978, ISBN 3-499-14214-7
  • Armee der Liebenden oder Aufstand der Perversen. 1979, ISBN 3-88167-046-7
  • Gibt es Sex nach dem Tode. Prometh Verlag, 1981, ISBN 3-922009-30-1
  • Rote „Liebe“: ein Gespräch mit Helga Goetze.. Prometh Verl., 1982, ISBN 3-922009-47-6
  • 50 Jahre pervers. Die sentimentalen Memoiren des Rosa von Praunheim.. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1993, ISBN 3-462-02476-0
  • Folge dem Fieber und tanze: Briefwechsel mit Mario Wirz. Aufbau-Verlag, 1995
  • Mein Armloch. Martin Schmitz Verlag, 2002, Gedichte, ISBN 978-3-927795-36-5 (3-927795-36-4)
  • Die Rache der alten dicken Tunte. 2006, Fotobuch
  • Die Bettwurst und meine Tante Lucy. 2006, Fotobuch
  • Rosas Rache: Filme und Tagebücher seit 1960. Martin Schmitz Verlag, 2009, ISBN 978-3-927795-48-8

Filme (Auswahl)

Weblinks

 Commons: Rosa von Praunheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Nachweise

  1. Queer.de: „Filmstart: Meine Mütter“, 7. März 2008
  2. Out!: 800 berühmte Lesben, Schwule und Bisexuelle (mit Karen-Susan Fessel) (5., erweiterte Auflage 2004)
  3. [1] imdb.de
  4. Queer.de: „Rosa-Courage-Preis für Praunheim“, 7. März 2008
  5. Queer.de: Hofer Filmpreis für Rosa von Praunheim, 24. Oktober 2008
  6. http://www.berlinale.de/de/presse/pressemitteilungen/alle/Alle-Detail_7764.html

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