Robert Kurz

Robert Kurz
Robert Kurz auf dem Attac-Kapitalismuskongress im März 2009

Robert Kurz (* 24. Dezember 1943 in Nürnberg) ist ein gesellschaftskritischer Publizist und Journalist in Nürnberg.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Lehre

Robert Kurz stammt aus einer Arbeiterfamilie und studierte in den 1960er Jahren in Nürnberg-Erlangen Philosophie, Geschichte und Pädagogik.

In den 1970er Jahren war Kurz im Umfeld des Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschland (KABD) aktiv, von dem er sich jedoch schon bald wieder aufgrund inhaltlicher Differenzen trennte und dem das 1978 erschienene Pamphlet Vorhut oder Nachtrab gewidmet ist.

Ab den 1980er Jahren entwickelte Kurz - ausgehend von der Frage nach den strukturellen Ursachen der ineffizienten Ostblockökonomie - eine fundamentale Kritik der grundlegenden Vergesellschaftungsformen in der modernen Welt. Er wandte sich gegen die kritiklose Affirmation des Arbeitsbegriffes durch die marxistische Arbeiterbewegung. Sein 1991 im Eichborn-Verlag erschienenes Buch Der Kollaps der Modernisierung entfaltet eine Zusammenbruchstheorie der modernen Weltgesellschaft, die davon ausgeht, dass aufgrund von Rationalisierungsprozessen die kapitalistische Arbeit sukzessive verschwinde und das Gesamtsystem auf ein „barbarisches Ende“ zusteuere. Wie auch in seinen späteren Arbeiten, bietet Kurz einen Ausblick auf eine Gesellschaft, die nicht länger auf den geldvermittelten Warentausch gegründet ist. Für die Krisenbewältigung sei eine sinnliche Vernunft unabdingbar, die es vermag, die Dinge außerhalb ihres geschichtlich bedingten Warencharakters zu sehen und zu nutzen.

Bis April 2004 war Kurz Mitherausgeber der Zeitschrift Krisis und Mitglied der gleichnamigen Gruppe. Dann kam es zur Spaltung und Neugründung der Gruppe EXIT! (samt gleichnamiger Zeitschrift), in der Robert Kurz seitdem Mitglied ist. Beide Seiten stellen die Ursachen des Zerwürfnisses unterschiedlich dar: Während die Krisis-Redaktion, die nach der Spaltung unter diesem Namen weitermachte, Kurz' als schwer erträglich empfundenen Kommunikationsstil als Ursache der Trennung nennt, warfen dieser und Roswitha Scholz der von ihnen als „Putschisten“ bezeichneten „Rest-Krisis“ vor, formaljuristische Mittel zur „Machtübernahme“ in der Redaktion einzusetzen. Dokumentationen des Spaltungsprozesses sowie der strukturellen und personellen Hintergründe finden sich sowohl auf der Website von Exit! wie auch auf jener von Krisis.

In dem Buch Die antideutsche Ideologie setzte Robert Kurz sich bewusst polemisch mit dem seines Erachtens „ideologiekritischen Reduktionismus“ der Berliner Zeitschrift Bahamas auseinander. Im Zuge der innerlinken Kontroverse über den Irakkrieg hatte sich die Bahamas für die US-Intervention ausgesprochen. Kurz warf den so genannten „Antideutschen“ daraufhin eine militante Affirmation der Aufklärungsideale, der „westlichen Werte“ und Bellizismus vor.

In der Vergangenheit profilierte Robert Kurz sich durch eine radikale Kritik am „Arbeits- und Klassenkampffetisch“ des traditionellen (Arbeiterbewegungs-)Marxismus. Die von ihm maßgeblich mitkonzipierte Wertkritik richtet sich gegen ein soziologistisch verkürztes Verständnis von Herrschaftsverhältnissen und identifiziert in der Wertvergesellschaftung eine totalitäre Tautologie der Akkumulation von „toter Arbeit“, die ad infinitum die gesamte physische wie auch gesellschaftlich-symbolische Welt einem einzigen abstrakten Formprinzip unterwerfe. Der Begriff des Fetischismus postuliert eine kritische Analyse der totalitären Vergesellschaftungsprinzipien der Moderne.

In den letzten Jahren nimmt das von der EXIT!-Redakteurin Roswitha Scholz entwickelte „Abspaltungstheorem“ einen immer breiteren Raum in der kurzschen Theoriekonzeption ein. Diese Synthese aus der frühen Wertkritik sowie dem postfeministischen Postulat einer strukturellen Geschlechterdifferenz firmiert gegenwärtig als „Wertabspaltungstheorie“.

Robert Kurz' bekannteste Publikation ist das Schwarzbuch Kapitalismus. Die Wochenzeitung Die Zeit veröffentlichte zwei kontroverse Rezensionen, von denen eine das Schwarzbuch als „die wichtigste Veröffentlichung der letzten 10 Jahre“ bezeichnete.

In der Tageszeitung Neues Deutschland verfasst Kurz regelmäßig Artikel in der Kolumne Kurz, Nick, Luft & Hickel. Dies ist dem Wirtschaftsresort zugeordnet. Die anderen daran beteiligten Autoren sind Christa Luft, Rudolf Hickel und Harry Nick.

Veröffentlichungen

  • 1978: Vorhut oder Nachtrab. Eine Kritik der politischen Dekadenz in der marxististisch-leninistischen Bewegung am Beispiel des Kommunistischen Arbeiterbundes Deutschlands (KABD).
  • 1988: Auf der Suche nach dem verlorenen sozialistischen Ziel. Manifest für die Erneuerung revolutionärer Theorie. Verlag Marxistische Kritik, ISBN 3-927444-00-6.
  • 1991: Der Kollaps der Modernisierung. Vom Zusammenbruch des Kasernensozialismus zur Krise der Weltökonomie. Eichborn, ISBN 3-8218-4421-3.
  • 1991: Honeckers Rache. Zur politischen Ökonomie des wiedervereinigten Deutschlands. Tiamat, ISBN 3-923118-62-7.
  • 1993: Potemkins Rückkehr. Attrappen-Kapitalismus und Verteilungskrieg in Deutschland. Tiamat, ISBN 3-923118-28-7.
  • 1993: Der Letzte macht das Licht aus. Zur Krise von Demokratie und Marktwirtschaft. Tiamat, ISBN 3-923118-88-0.
  • 1999: Die Welt als Wille und Design. Postmoderne, Lifestyle-Linke und die Ästhetisierung der Krise. Bittermann, ISBN 3-89320-024-X.
  • 1999: Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft. Eichborn, ISBN 3-8218-0491-2.
  • 2000: Marx lesen. Die wichtigsten Texte von Karl Marx für das 21. Jahrhundert. Eichborn, ISBN 3-8218-1644-9.
  • 2003: Weltordnungskrieg. Das Ende der Souveränität und die Wandlungen des Imperialismus im Zeitalter der Globalisierung. Horlemann, ISBN 3-89502-149-0.
  • 2003: Die antideutsche Ideologie. Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten. ISBN 3-89771-426-4.
  • 2004: Die Substanz des Kapitals. Abstrakte Arbeit als gesellschaftliche Realmetaphysik und die absolute innere Schranke der Verwertung. Erster Teil. In: Exit! 1. Horlemann, ISBN 3-89502-183-0.
  • 2004: Blutige Vernunft. Essays zur emanzipatorischen Kritik der kapitalistischen Moderne und ihrer westlichen Werte. Horlemann, ISBN 3-89502-182-2.
  • 2005: Die Substanz des Kapitals. Abstrakte Arbeit als gesellschaftliche Realmetaphysik und die absolute innere Schranke der Verwertung. Zweiter Teil. In: Exit! 2. Horlemann, ISBN 3-89502-196-2.
  • 2005: Das Weltkapital. Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems. Tiamat, ISBN 3-89320-085-1.
  • 2005: Der Alptraum der Freiheit. Perspektiven radikaler Gesellschaftskritik. Verlag Ulmer Manuskripte, ISBN 3-934869-38-6.
  • 2006/2007: Geschichte als Aporie. Vorläufige Thesen zur Auseinandersetzung um die Historizität von Fetischverhältnissen. theory in progress @ www.exit-online.org
  • 2007: Grau ist des Lebens goldner Baum und grün die Theorie. Das Praxis-Problem als Evergreen verkürzter Gesellschaftskritik und die Geschichte der Linken. In: Exit! 4. Horlemann, ISBN 3-89502-230-6.
  • 2008: Der Unwert des Unwissens. Verkürzte „Wertkritik“ als Legitimationsideologie eines digitalen Neo-Kleinbürgertums. In: Exit! 5. Horlemann, ISBN 978-3-89502-266-1.
  • 2009: Die Kindermörder von Gaza. Eine Operation „Gegossenes Blei“ für die empfindsamen Herzen. In: Exit! 6. Horlemann, ISBN 978-3-89502-289-0.
  • 2010: Seelenverkäufer. Wie die Kritik der Warengesellschaft selber zur Ware wird. Onlinebeitrag auf www.exit-online.org
  • 2010: Tote Arbeit. Die Substanz des Kapitals und die Krisentheorie von Karl Marx. Horlemann, ISBN 978-3-89502-226-5
  • 2010: Es rettet euch kein Leviathan - Thesen zu einer kritischen Staatstheorie. Erster Teil. In: Exit! 7. Horlemann, ISBN 978-3-89502-310-1
  • 2011: Es rettet euch kein Leviathan - Thesen zu einer kritischen Staatstheorie. Zweiter Teil. In: Exit! 8. Horlemann, ISBN 978-3-89502-322-4.
  • 2011: Weltmacht und Weltkrise. Die Grenzen des Kapitalismus. Eichborn, ISBN 978-3-8218-6527-0.

Literatur

  • Volker Hildebrandt: Epochenumbruch in der Moderne. Eine Kontroverse zwischen Robert Kurz und Ulrich Beck. Lit, Münster 1996, ISBN 3-8258-2622-8.
  • Marcel van der Linden: Zur historischen Grenze des Arbeitswiderstandes. Moishe Postone, "Krisis" und die Warenlogik. In: Thomas Geisen, Katrin Kraus, Veronika Ziegelmayer (Hrsg.): Zukunft ohne Arbeit? Beiträge zur Krise der Arbeitsgesellschaft. Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-88939-343-8, S. 191-206.
  • Initiative Sozialistisches Forum: Der Theoretiker ist der Wert. Eine ideologiekritische Skizze der Wert- und Krisentheorie der Krisis-Gruppe. Ça Ira, Freiburg 2000, ISBN 3-924627-56-8.
  • Jörg Bürmann: Die Gesellschaft nach der Arbeit. Lit, Münster/Hamburg/London 2003, ISBN 3-8258-6706-4, S. 216-260.

Siehe auch

Weblinks

Texte
Kritik
Video und Audio

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