Melanie Klein

Melanie Klein
Gedenktafel Augsburger Straße, Berlin

Melanie Klein (* 30. März 1882 in Wien; † 22. September 1960 in London) war eine österreichisch-britische Psychoanalytikerin. Sie war eine der Pionierinnen der Kinderpsychoanalyse sowie der Objektbeziehungstheorie. Ironischerweise wird sie auch als Königin der Nacht der Psychoanalyse bezeichnet, weil sie (a) die paranoid-schizoide Position, den frühkindlichen Sadismus und die Polarität zwischen guter und böser Mutterbrust begrifflich prägte, (b) ihren eigenen Sohn Eric analysierte, dann die Analyse ihrem Schüler Donald Winnicott übertragen und diesen supervidieren wollte, damit sie als Mutter alles aus der Analyse ihres Sohnes erfahren könne, und weil sie (c) zu verhindern trachtete, dass die zur Emigration gezwungenen Wiener Analytiker – samt Freud und Tochter – nach London kommen.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Ihre Lehranalyse absolvierte sie sowohl bei Sandor Ferenczi in Budapest als auch bei Karl Abraham in Berlin. Ernest Jones lud sie 1926 ein, nach London zu kommen. Dort arbeitete sie bis zu ihrem Tod.

Melanie Klein trug mit ihren Schriften zur Entwicklung der modernen Psychoanalyse und insbesondere zur Ausbildung der Objektbeziehungstheorie bei. Beachtenswert waren ihre Werke zur Psychoanalyse des Kindes. Während die Psychoanalyse Freuds einen starken Schwerpunkt auf das Konzept der Triebe legte und den Menschen dadurch (tendenziell) als Einzelwesen betrachtete, lenkte Melanie Klein die Aufmerksamkeit der Psychoanalyse verstärkt auf frühkindliche Entwicklungen und die Mutter-Kind-Interaktion. Sie vertrat den Gedanken, dass die Art und Weise, wie ein Mensch die Welt wahrnimmt, und mit welchen Erwartungen er an sie herantritt, durch seine Beziehungen zu wichtigen frühen Bezugspersonen („Objekten“) geprägt wird. Diese Objekte können geliebt oder gehasst werden. Hier glaubte Klein dem Freudschen Triebkonzept von Libido und Todestrieb treu geblieben zu sein. Freud hingegen sah sie als Abweichlerin.

Kleins Kontroverse mit Anna Freud spaltete die psychoanalytische Landschaft Großbritanniens in den 1940er und 1950er Jahren in zwei feindliche Lager, worauf sich als drittes Lager die Middle Group etablierte. Deren Vertreter bezeichneten sich auch als Neutrals oder Independents.

Therapie

Melanie Klein entwickelte eine Psychoanalyse für Kinder, bei der das freie Assoziieren der Erwachsenenanalyse durch Spielen und andere kindgerechte Ausdrucksformen (z. B. Zeichnen) ersetzt wurde. Sie ging von der Voraussetzung aus, dass Kinder ihre inneren Konflikte durch Spiel ausdrücken, so dass es dem Analytiker möglich ist, durch Beobachten des Spiels diese Konflikte zu erschließen und zu deuten.

Werke

  • Gesammelte Schriften, Frommann-Holzboog, Stuttgart
    1. Schriften 1920–1945, Teil 1, 1995, ISBN 3-7728-1674-6
    2. Schriften 1920–1945, Teil 2, 1996, ISBN 3-7728-1675-4
    3. Die Psychoanalyse des Kindes, 1997, ISBN 3-7728-1676-2
    4. Schriften 1946–1963, 2000, ISBN 3-7728-1677-0
    5. Darstellung einer Kinderanalyse, Teil 1, 2002, ISBN 3-7728-1678-9
    6. Darstellung einer Kinderanalyse, Teil 2, 2002, ISBN 3-7728-1691-6
  • Melanie Klein: " Ein Kind entwickelt sich. Methoden und Technik der Kinderpsychoanalyse". Kindler, München 1981.
  • Melanie Klein: "Die Psychoanalyse des Kindes". Kindler, München 1973.
  • Melanie Klein: "Der Fall Richard. Das vollständige Protokoll einer Kinderanalyse, durchgeführt von Melanie Klein". Kindler, München 1975.
  • Melanie Klein: Das Seelenleben des Kleinkindes und andere Beiträge zur Psychoanalyse. Klett-Cotta, Stuttgart 2001, ISBN 3-608-95107-5
  • Melanie Klein, Joan Riviere: Seelische Urkonflikte. Liebe, Hass und Schuldgefühl. Fischer Wissenschaft, Frankfurt/M, 1992.
  • Melanie Klein: "Love, Guilt and Reparation and other works 1921-1945". Vintage, 1998.

Literatur

  • Sexualität in der kleinianischen Psychoanalyse (=Veröffentlichungen des Klein-Seminars Salzburg, Band 1), Hg. Karl und Ruth Mätzler, Kimmerle-Diskord, Tübingen 2005, ISBN 3-89295-753-3
  • Robert D. Hinshelwood: Wörterbuch der kleinianischen Psychoanalyse Klett-Cotta, 2. Auflage Stuttgart 2004
  • Elizabeth Bott Spillius (Hrsg.): Melanie Klein heute. Entwicklungen in Theorie und Praxis, ebd 2002
    1. Beiträge zur Theorie ISBN 3-608-95985-8
    2. Anwendungen ISBN 3-608-95986-6
  • Claudia Frank: Melanie Klein in Berlin. Her First Psychoanalyses of Children. Routledge, London 2009
  • Phyllis Grosskurth: Melanie Klein, ihre Welt und ihr Werk, Verlag Internationale Psychoanalyse, Stuttgart 1993, ISBN 3-608-95902-5 (ausführliche Biographie mit Werkverzeichnis)
  • Hanna Segal: Melanie Klein. Eine Einführung in ihr Werk, Kimmerle-Diskord, Tübingen 2004 ISBN 3-89295-742-8 (Einführung in das Werk durch eine enge Schülerin Kleins)
  • Julia Kristeva: Das weibliche Genie Melanie Klein: Das Leben, der Wahn, die Wörter. In: Psychosozial 2008
  • Claudia Frank, Heinz Weiß (Hrsg.): Kleinianische Theorie in klinischer Praxis Klett-Cotta, 2002
  • Robert Caper: Seelische Wirklichkeit. Von Freud zu Melanie Klein ebd. 2000
  • Isca Salzberger-Wittenberg: Psychoanalytisches Verstehen von Beziehungen. Ein Kleinianischer Ansatz. Facultas, 2002
  • Ronald Britton, Michael Feldman, Edna O’Shaugnessy: Der Ödipuskomplex in der Schule Melanie Kleins. Klinische Beiträge. Klett-Cotta, 1998
  • Robert D. Hinshelwood: Die Praxis der kleinianischen Psychoanalyse VIP, 1997
  • Elisabeth Vorspohl: M. K. In: Hans Erler u. a. (Hrsg.): „Meinetwegen ist die Welt erschaffen.“ Das intellektuelle Vermächtnis des deutschsprachigen Judentums. 58 Portraits. Campus, Frankfurt 1997, ISBN 3-593-35842-5, S. 179–185
  • Nicholas Wright: "Mrs Klein", Nick Hern Books, London 2009. ( Bühnenstück, welches im Frühjahr 1934 spielt und sich auf die drei Protagonisten Melanie Klein, Frau Kleins Privatsekretärin Paula Heimann und Melanie Kleins Tochter Melitta fokussiert. )
  • Pearl King, Ricardo Steiner (Hrsg.): "Die Freud/Klein-Kontroversen 1941-1945", Band 1 und 2, Klett-Cotta 1991.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Phyllis Grosskurth: Melanie Klein: Ihre Welt und ihr Werk. Klett-Cotta 1993, 67
  2. Emanuel Berman: Die Beziehung zwischen Klein und Winnicott. In: Forum Psychoanalyse, 22, 2006, S. 374–385

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