Lernziel

Lernziel

Lernziele beschreiben den angestrebten Lerngewinn eines Lernenden bezogen auf einen bestimmten Inhalt. Lehrziele geben an, welche Ziele ein Lehrender mit Hilfe der Unterrichtsthemen erreichen will. Von außen betrachtet bezeichnet man die Kombination von Lehr- und Lernziel als Unterrichtsziel [1].

Inhaltsverzeichnis

Selbstbestimmtes Lernen

Beim Selbstbestimmten Lernen werden Lernziele durch individuelle Lernpläne gesetzt. Dies erfolgt durch den Lernenden allein (Autodidakt) oder in Zusammenarbeit mit einem Lernhelfer (z. B. Fachkundiger, Pädagoge). Das selbstbestimmte Lernen wird vor allem in der Reformpädagogik und in der Erwachsenenbildung angewandt. Der Lernplan wird häufig in einzelne Lerneinheiten mit Zwischenlernzielen untergliedert.

Fremdbestimmtes Lernen

In Schulen werden Lern- bzw. Lehrziele durch die Schulaufsicht über Lehrpläne festgelegt. Die Umsetzung der Lehrpläne erfolgt durch von ihr beauftragte Lehrende (Lehrer oder Lehrbeauftragte). Für die Planung einzelner Unterrichtseinheiten müssen Lehrer die Zwischenlernziele selbst festlegen, um die Vorgaben angemessen für ihre Schüler mit den angetroffenen Vorkenntnissen umzusetzen (ggf. durch Individualisiertes Lernen). Das Finden und Festlegen sinnvoller Zwischenlernziele und angemessener Lehrmethoden für jede Unterrichtseinheit ist eine der Hauptaufgaben des Lehrers. Sie dienen als Orientierung für die Unterrichtsdurchführung und Überprüfung in Lernzielkontrollen.

Geschichte

Im Zuge der Professionalisierung des Lehrberufs wurden im 20. Jahrhundert von vielen Theoretikern Entscheidungs- und Bedingungsvariabeln des Lehr-/Lernprozesses identifiziert und weiter differenziert. Hierzu gehören unter anderem soziokulturelle Bedingungen, Methoden, Medien, Lerninhalte und im Zentrum die Lernziele.

Eine der bekanntesten Theorien über Lernziele ist die Taxonomie von Benjamin Bloom (USA). Sein Beitrag war vor allem, dass er Lernziele in verschiedene Niveaus oder Stufen aufgegliedert und so einfacher zu handhaben geholfen hat. Anderson und Krathwohl haben die Bloomsche Taxonomie auf Grund von empirischen Untersuchungen und der Praxiserfahrungen auf einen vertieften Stand gebracht.

Zu den Problemen der Lernzielfestlegung gehört die Frage, ob es exakte Kriterien gibt, um von obersten Lernzielen der Lehrpläne die Lernziele für jede Unterrichtsstunde zu finden. Eine solche zwingende Deduktion von oben nach unten ist kaum möglich. Der Lehrer muss die Ausgangsbedingungen der Schüler, die Erwartungen der Gesellschaft an ihr Wissen, den Stand der Wissenschaft und viele weitere Faktoren in einer didaktischen Reflexion (= Didaktische Analyse) abwägen und letztlich in eigener Verantwortung die Entscheidungen treffen. Diese Kompetenz gehört zu den didaktischen Kernkompetenzen des Lehrerberufes, die in der Lehrerausbildung trainiert werden sollen. Die gegenwärtige Diskussion um Bildungsstandards hebt die didaktische Verantwortung nicht auf, sondern stellt sie nur vor präziser gefasste Anforderungen, um mehr Einheitlichkeit und Effektivität des Unterrichts zu gewährleisten.

Der US-Amerikaner Robert F. Mager hat die Bedingungen für ein gutes Lernziel definiert als „eine zweckmäßige Zielbeschreibung …, mit der es gelingt, die Unterrichtsabsichten dem Leser mitzuteilen“. Weiter: „Ein eindeutig beschriebenes Lernziel ist also eines, mit dem Sie Ihre Absichten erfolgreich mitteilen. Eine gute Zielbeschreibung schließt darüber hinaus eine möglichst große Anzahl möglicher Missdeutungen aus.“ (Mager 1962, dt. 1965 u. ö., S. 19). Auch nennt er in der Lernzielangabe zu vermeidende Verben wie z. B. „verstehen“, da diese keine Überprüfung anhand erkennbarer Handlungen der Lerner (Operationalisierung) erlauben.

Diese Entwicklung fand vor allem in den 1960er und 1970er Jahren statt und ist bis heute gültig geblieben.

In den achtziger Jahren folgte im deutschsprachigen Raum eine Diskussion zur „lernzielorientierten Didaktik“, in der die Rolle der Lernziele in der Unterrichtsplanung näher betrachtet wurde. Hauptvertreter waren Bernhard und Christine Möller aus Oldenburg (siehe Curriculare Didaktik).

Klassifizierung von Lernzielen

Es gibt Arten von Lernzielen nach ihrer Reichweite:

  • Leitziele bilden die oberste Ebene der Hierarchie. Dazu gehören die Obersten Bildungsziele (wie sie z. B. in der Verfassung des Freistaates Bayern, Art.131 (2) festgelegt sind, z. B. Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl, Hilfsbereitschaft) und die Allgemeinen Bildungsziele (z. B. Solidarfähigkeit, Selbstbestimmung, Fähigkeit zu urteilen, zum eigenen Standpunkt, Kritikfähigkeit). Weiteres siehe Erziehungsziele.
  • Richtziele bezeichnen die fach-, schularts- und jahrgangsspezifische Ebene. Sie sind meist im Lehrplan zu finden und dienen auf einer höheren Ebene der Kompetenzentwicklung.
  • Grobziele geben das Ziel einer ganzen Unterrichtsstunde oder -einheit an.
  • Feinziele geben das Ziel einer Unterrichtsphase oder ein Teilziel an. Es ist die detaillierteste Lehrzielebene, die noch eine abgeschlossene Einheit beschreibt. [1]

Es gibt Arten (Anforderungsstufen) von Lernzielen nach ihren seelisch-geistigen Dimensionen:

  • Kognitive Lernziele beziehen sich auf Wissen und intellektuelle Fertigkeiten. Z. B.: durch Vergleich eines Affen- mit einem Menschenskelett 10 Übereinstimmungen zu finden und benennen.
  • Affektive Lernziele beziehen sich auf Änderungen der Interessen, Einstellungen und Werthaltungen z. B.: Tiere nicht zu quälen oder ohne vernünftigen Grund zu töten; eine positive emotionale Beziehung zu Lebewesen zu bekommen, gerade auch gegenüber solchen, die im allgemeinen eher Abneigung hervorrufen.
  • Psychomotorische Lernziele (auch instrumentale, formale, propädeutische oder pragmatische Lernziele genannt) beziehen sich auf manuelle oder intellektuelle Fähigkeiten und andere körperliche Tätigkeiten. z. B.: ein Mikroskop richtig zu bedienen oder den Buchstaben r zu schreiben.

Es gibt Arten von Lernzielen nach dem Grad ihrer Komplexität (eigentliche „Bloomsche Taxonomie“). Hier die Einordnung für kognitive Lernziele:

  1. Wissen
  2. Verstehen
  3. Anwenden
  4. Analyse
  5. Synthese
  6. Evaluation

So liegt der Unterschied zwischen Wissen (eine Jahreszahl „kennen“: z. B. Ende des Zweiten Weltkriegs 1945) und Verstehen („erkennen“, dass 1945 eine Stunde Null war) im Grad der erforderlichen geistigen Tätigkeiten, die einmal auf bloßes Behalten, zum anderen auf die Zuweisung einer Bedeutung und hier zusätzlich die Auflösung eines sprachlichen Bildes zielt.

Fehler der Lernzielformulierung

Es gibt Empfehlungen, bei Lernzielen bestimmte Verben ganz zu meiden, da diese zu viele Deutungen zulassen (vergleiche American Association of Law Libraries 2006; ausbildernetz.de o. J.; educa.ch o. J.; Mager 1994, S. 20). Sie zeigen noch keine Operationalisierung, also beobachtbare Vorgänge.

„begreifen, bewusst sein, Bedeutung erkennen, Bedeutung von etwas erfassen, eingearbeitet sein, einprägen, einsehen, entnehmen, erlernen, Gefallen finden, glauben, informiert sein, interessiert sein an, kennen, kennenlernen, Kenntnis haben von, können, lernen, mit etwas vertraut sein, nachempfinden, nachvollziehen, (re)aktivieren, sich einer Sache bewusst sein, sich erinnern, spüren, üben, über etwas Bescheid wissen, verinnerlichen, versprachlichen, verstehen, vertraut sein mit, wahrnehmen, wirklich verstehen, wissen, zu würdigen wissen“

Kritik

Die anfängliche Lernzieltheorie entstammt der psychologischen Theorie des Behaviorismus, die in den USA lange vorherrschte. Daher stammt das Bestehen auf Beobachtbarkeit des Lernzuwachses. Viele Lernvorgänge entziehen sich allerdings direkter Beobachtung und sind allenfalls langfristig spürbar.

Lernziele können auf den Widerstand der Schüler stoßen, wenn sie überfordert werden oder wenn sie diese ablehnen. Eine Unterrichtsstunde ist also nicht einfach als Abspulen von Lernzielen durch den Lehrer möglich. Er muss sich gegebenenfalls von den Lernzielen abwenden und den besonderen Lernbedürfnissen der Schüler zuwenden.

Voraussetzung für Lernen ist das Erstellen eines eigenen Konstrukts im Lernenden. Fremde Lernziele können dies unter Umständen eher behindern (vgl. Konstruktivismus (Lernpsychologie)).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Lexikon der ABayCD

Literatur

  • Lorin W. Anderson, David R. Krathwohl (Hrsg.): A Taxonomy for Learning, Teaching, and Assessing. A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Addison-Wesley, New York 2001.
  • Benjamin S. Bloom: Taxonomy of Educational Objectives, Handbook I: The Cognitive Domain. David McKay Co Inc., New York 1956.
  • Benjamin S. Bloom (Hrsg.): Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. 4. Auflage. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1972.
  • D. R. Krathwohl, B. S. Bloom, B. M. Bertram: Taxonomy of Educational Objectives, the Classification of Educational Goals. Handbook II: Affective Domain. David McKay Co. Inc., New York 1973.
  • Robert F. Mager: Lernziele und Unterricht. Beltz, Weinheim 1994 ISBN 3407251564 (zuerst am. 1962, 1975)
  • Christine Möller: Die curriculare Didaktik: Oder: Der lernzielorientierte Ansatz. 1980 In: Herbert Gudjons, Rita Teske, Rainer Winkel (Hrsg.): Didaktische Theorien: Aufsätze aus der Zeitschrift Pädagogische Beiträge. 8. Aufl., Westermann Verlag, Braunschweig 1995, S. 63–77.

Weblinks


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