Karl Siegfried Döring

Karl Siegfried Döring

Karl Siegfried Döring[1] (* 14. August 1879 in Köln; † 1. Juni 1941 in Darmstadt) war ein deutscher Architekt, Kunsthistoriker und Archäologe, der vorwiegend in Siam, heute Thailand, lebte und wirkte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Der in Köln geborene Karl Döring studierte Architektur in Berlin. Fasziniert von der reichen Kunst und den Bauwerken von Hinterindien bewarb er sich nach Abschluss seines Studiums im Jahre 1905 um eine Position im Königlich Siamesischen Staatsdienst in Bangkok. Ab Juli 1906 arbeitete er dann in Siam – zuerst als Ingenieur bei der Königlichen Staatsbahn.

Zwischen 1906 und 1912 plante und beaufsichtigte er den Bau verschiedener Eisenbahngebäude in der Hauptstadt, so den Sitz der Hauptverwaltung, Mannschaftsunterkünfte, Lagerhallen und eine Druckerei, sowie die Bahnhöfe in Bangkok Noi (Thonburi), Phitsanulok, Phichit, Phichai – eine Gemeinde (Tambon) im Amphoe Mueang Lampang –, Uttaradit und Sawankhalok. Neben seiner Arbeit für die Königliche Eisenbahn entwarf er auch etliche Wohnhäuser und Gewerbegebäude, von denen konkrete Ausführungsbeispiele aber noch nicht identifiziert werden konnten.

1909 übernahm Döring eine Position als Architekt und Ingenieur beim siamesischen Innenministerium, wo er Dank seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten eine ausgezeichnete Karriere machte. Neben der Bekanntschaft mit hochgestellten Offizieren des Ministeriums erregte er auch die Aufmerksamkeit von Mitgliedern der Königlichen Familie, die für das Ministerium tätig waren, – darunter Prinz Damrong Rajanubhab (ein Halbbruder von König Chulalongkorn, der zu jener Zeit der erste Innenminister Thailands war) und Dilok Nabarath, Prinz von Sarn (1884–1913; ein früh verstorbener der etwa drei Dutzend Söhne von König Chulalongkorn). In den ersten beiden Jahren seiner Tätigkeit für das Innenministerium – also zwischen 1909 und 1911 – wurde er unter anderem beauftragt, vier bedeutende Privatbauten für Mitglieder des Königshauses zu entwerfen und deren Konstruktion zu überwachen: eine Villa für König Chulalongkorn in Phetchaburi, einen Palast für Prinz Damrong, einen Palast für Prinz Dilok und das Wohngebäude für Königin Sukhumala Marasri (1861–1927; die sechste Gemahlin von Chulalongkorn), das im Palast ihres gemeinsamen Sohnes Prinz Paribatra Sukhumbandhu (1881–1944; Feldmarschall und Prinz von Nakhon Sawan) in Bangkok errichtet wurde. Daneben war er verantwortlich für die Erstellung von Stadtplänen von Nakhon Pathom und Phetchaburi.

Im Gegensatz zu den zeitgenössischen westlichen Architekten, die damals in Thailand (Siam) arbeiteten, waren Dörings Entwürfe keine bloßen Kopien von europäischen Architekturstilen. Er versuchte vielmehr, westliche und thailändische Architektur funktionell zu verbinden und durch die Anpassung alter Formen an neue Bedürfnisse und Aufgaben zu einem eigenen, sehr persönlichen Ausdruck zu gelangen. Seine Gebäude sind äußerst individuell, denn sie wurden als „Maßarbeit“ ganz nach den Bedürfnissen und Vorstellungen seiner Auftraggeber entworfen und erbaut. Die Villa zum Beispiel, die er für König Chulalongkorn in Phetchaburi baute, ist ein großartiges, imponierendes Gebäude und erinnert von ferne an die Theaterbauten eines Oskar Kaufmann, die in jenen Jahren in Deutschland sehr populär waren. Der Palast für Prinz Damrong dagegen ist von einer geradezu einfachen Eleganz; derjenige für Prinz Dilok wiederum ökonomisch und geradlinig („maskulin“). Und die Residenz für Königin Sukhumala Marasri – ganz nach dem Charakter ihrer weiblichen Bewohnerin – anmutig und feminin.

Der plötzliche Tod seiner Frau im Jahre 1911 setzte Karl Döring sehr zu, und auch die zunehmende Rivalität unter den Ausländern war nicht nach seinem Geschmack. So legte er seine Arbeit für ein Jahr nieder und reiste nach Deutschland, wo er an Technischen Universität Dresden mit einer Arbeit zu den Chedi Siams promoviert wurde (Das Phrachedi in Siam)[2]. Nach seiner Rückkehr nach Bangkok im Jahre 1913 wurde die Bandbreite seiner Tätigkeiten für das Innenministerium stark erweitert. Neben seinen Aufgaben als Architekt und Ingenieur wurde er ebenfalls damit beauftragt, archäologische Ausgrabungen und Begutachtungen in einigen der nördlichen Provinzen Siams zu unternehmen. Von den Auftragsbauten, die er in diesem Jahr entwarf, wurden einige allerdings nicht verwirklicht (so die Hauptverwaltung und das Krankenhaus für die Königliche Marine). Mitgenommen vom Stress der vielen Arbeit erkrankte Döring schwer; seine Ärzte rieten ihm, nach Europa zurückzukehren.

Nachdem seine Gesundheit in Deutschland wiederhergestellt worden war, wollte Döring nach Siam zurückkehren, aber der Erste Weltkrieg (1914–1918) machte dieses Vorhaben unmöglich. Nach Ende des Krieges entschloss er sich dann, seine Laufbahn als Architekt zu beenden; er beschäftigte sich fortan als Kunsthistoriker und Archäologe, als Produktdesigner und Übersetzer englischer und amerikanischer Literatur. Wegen seiner hervorragenden Sachkenntnis über Siam wurden seine einfühlsamen Schriften zur Siamesischen Kunst, Architektur und Kultur von der westlichen Leserschaft mit großem Interesse aufgenommen.

Döring starb im Alter von 61 Jahren in einem Darmstädter Krankenhaus.

Geschichtlicher und kultureller Hintergrund

Als König Chulalongkorn (Rama V.) die Herrschaft über das damalige Siam antrat, war das Land von den großen europäischen Kolonialmächten bedroht. Der Monarch führte die von seinem Vater eingeleitete Reformpolitik nach europäischem Vorbild weiter; dies brachte nicht nur wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Fortschritte mit sich, sondern auch europäische Denkweise und Lebensart.

Ebenfalls zum Reformprogramm zählte die Modernisierung der Hauptstadt Bangkok. Um die westlichen Besucher und Staatsgäste zu beeindrucken, ließ der König die öffentlichen Gebäude wie auch seine Paläste in einem europäisch-historischen Prachtstil – aber mit asiatischen Einflüssen versehen – errichten. Bedeutende Beispiele dafür finden sich im Großen Palast in Bangkok, etwa das Chakri Maha Prasat, gebaut in italienischem Renaissance-Stil, aber auf Wunsch von Chulalongkorn nachträglich mit siamesischen Staffeldächern und Mondops versehen. Die Architektur nach der Manier von Renaissance oder Barock sollte Siam die notwendige Anerkennung als zivilisiertes Land verschaffen. Aber nicht nur Chulalongkorn war vom europäischen Lebensstil fasziniert – in seinen Wohnräumen im Vimanmek Mansion im Bangkoker Bezirk Dusit kann man sich davon ein überzeugendes Bild machen –, auch seine Söhne, die ausschließlich in Europa erzogen worden waren, ließen ihre Paläste und Villen in europäischem Stil erbauen und nach der neuesten europäischen Mode einrichten. Später ahmten Adelige, hohe Würdenträger und wohlhabende Bürger, die sich am Lebensstil der Königlichen Familie orientierten, den König und die Prinzen nach.

Bedeutende Bauten

Der Bahnhof liegt direkt neben dem Sirirat-Krankenhaus in Bangkok; hier verkehrten die Züge in Richtung Westen, hauptsächlich in die Provinz Kanchanaburi, aber auch bis nach Südthailand. Das Gebäude wurde um 1900 im Stil des Backsteinexpressionismus erbaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde es von den Japanern als Nachschub-Basis benutzt und konnte deshalb seiner Zerstörung nicht entgehen. Nach dem Krieg wurde es aber im gleichen Stil wieder errichtet. (Im Jahre 2003 wurde der eigentliche Bahnhof etwa 1 km nach Westen verlegt, seitdem ist das alte Gebäude ungenutzt. Es wird erhalten und in den Erweiterungsbau des Sirirat-Krankenhauses integriert, mit dessen Errichtung im Winter 2007/08 begonnen wurde.)
  • Bahnhofsgebäude in Phitsanulok, zwischen 1906 und 1912:
Das auffällige Gebäude ist an mittel- und süddeutsche Fachwerkbauten angelehnt.
  • Villa für König Chulalongkorn in Phetchaburi, zwischen 1910 und 1916:
Die Palastvilla von Chulalongkorn (Rama V.) im Südosten des Stadtgebiets von Phetchaburi, die heute innerhalb einer militärischen Anlage liegt, trägt den Namen Phra Ram Ratchaniwet Palace (in Thai: พระราม ราชนิเวศน์) und wird im Volksgebrauch einfach Ban Puen Palace (วังบ้านปืน) genannt (und gelegentlich auch als Phra Ratchawang Ban Peun bezeichnet). Der Bau wurde von Chulalongkorn um 1910 in Auftrag gegeben und um 1916 fertiggestellt. Das Art Déco-Gebäude erinnert von ferne an die Theaterbauten eines Oskar Kaufmann, die in jenen Jahren in Deutschland sehr populär waren. Ein grün gekacheltes, schneckenartig gebautes Treppenhaus, von Säulen getragen und von einer teilweise verglasten Kuppel überspannt, ist der Blickfang des Gebäudes; das Esszimmer im Obergeschoss ist dagegen mit gelben Kacheln ausgekleidet. (Im Gebäude befindet sich heute eine kleine Ausstellung, in welcher auch Dörings originale Baupläne zu sehen sind.)
  • Palast für Prinz Damrong Rajanubhab, 1911:
Der Varadis-Palast[3], ein ungewöhnliches Gebäude mit chinesisch inspirierter Innenausstattung, das unweit der belebten Lan Luang Road in Bangkok zu finden ist, war die ehemalige Residenz des Prinzen Damrong Rajanubhab, der eine bedeutende Rolle in der Entwicklung des modernen Thailand spielte. Prinz Damrong (1862–1943) war ein Sohn von König Mongkut (Rama IV.) und damit ein jüngerer Halbbruder von König Chulalongkorn (Rama V.). Er war stellvertretender Kommandeur der Armee, Erziehungsminister und zu Dörings Zeit der erste Innenminister Thailands. Er schrieb zahlreiche Bücher zur Geschichte, Literatur, Folklore und Kultur Thailands und sammelte einschlägige Literatur und Kunstgegenstände. Der Varadis-Palast (gesprochen wo-ra-dit) wurde 1911 erbaut und im Jahre 1996 – anlässlich des 53. Todestags des Prinzen – renoviert und in ein Museum mit angegliederter Bibliothek (das Prince Damrong Rachanupab Museum and Library) umgewandelt. (Ein weiteres Gebäude auf dem parkähnlichen Gelände ist die Prince Damrong Library mit ihrer Sammlung von rund 7.000 Büchern in englischer und thailändischer Sprache.) In diesem Palast wurde Prinz Damrong während des Staatsstreichs vom 24. Juni 1932 in Arrest genommen, und hier verstarb er auch am 1. Dezember 1943.
  • Palast für Prinz Dilok, zwischen 1909 und 1911
  • Residenz für Königin Sukhumala Marasri, zwischen 1909 und 1911 (vermutlich erst um 1913 fertiggestellt):
Die Somdej Residence ist ein Ergänzungs- oder Nebengebäude des Bang Khun Prom Palace, der ehemaligen Residenz des Prinzen Paribatra Sukhumbhandhu (1881–1944; dem 33. Sohn von König Chulalongkorn), die direkt am östlichen Ufer des Chao Phraya-Flusses, nördlich der Zufahrt zur modernen Rama VIII.-Brücke gelegen ist. Das Hauptgebäude der kleinen Palastanlage war zwischen 1901 und 1906 von dem italienischen Architekten Mario Tamagno[4] erbaut worden und Karl Dörings Somdej Residence wurde um 1913 fertiggestellt. Sie war als Wohngebäude für die Mutter des Prinzen, Königin Sukhumala Marasri (1861–1927; die sechste Gemahlin von König Chulalongkorn) bestimmt. (Seit 1945 sind die Gebäude im Besitz der Bank von Thailand. Erst beherbergten sie den Firmensitz der Bank; ab 1992 wurde das Ensemble renoviert und in ein Museum zur Geschichte der thailändischen Währung, der Bank of Thailand, des Bang Khun Prom Palace sowie zu Leben und Werk des Prinzen Paribatra umgewandelt. König Bhumibol Adulyadej eröffnete das Bank of Thailand Museum am 9. Januar 1993.)

Schriften (Auswahl)

  • The Country and People of Siam. Nachdruck der englischen Übersetzung durch White Lotus Press, Bangkok 1999, ISBN 974-8434-87-7
  • Buddhistische Tempelanlagen in Siam. Bangkok (Siam), Asia Publishing-House, o.J. und Berlin, Vereinigung Wissenschaftlicher Verleger, 1920, 3 Bände (Band 1 mit Texten und Zeichnungen von Tempeln; Band 2–3 mit zahlreichen Abbildungen in Farbe und s/w). Nachdruck Bangkok, White Lotus Press, 2000.
  • Buddhist Stupa (Phra Chedi) Architecture of Thailand, White Lotus, Bangkok 2000, ISBN 974-7534-39-8; Nachdruck von Der Prachedibau in Siam. In: Zeitschrift für Ethnologie. 1912

Literatur

  • Krisana Daroonthanom: Das architektonische Werk des deutschen Architekten Karl Döhring in Thailand. Logos Verlag, Berlin 1998.
  • Krisana Honguthen: Karl Dohring and His Architecture in Siam. In: Muang Boran Journal. Jahrgang 25, Nr. 1, Januar/März 1999.

Quellen

  1. Sein Nachname wird gelegentlich auch Döhring und in Asien überwiegend Dohring geschrieben.
  2. http://proquest.umi.com/pqdweb?index=121&did=900978921&SrchMode=1&sid=2&Fmt=2&VInst=PROD&VType=PQD&RQT=309&VName=PQD&TS=1273139603&clientId=60279 Nachweis der Arbeit in Proquest
  3. Varadis Palace in Bangkok
  4. Italienische Architekten in Bangkok [1]

Weblinks


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