Hessen-Nassauisches Wörterbuch

Hessen-Nassauisches Wörterbuch

Das Hessen-Nassauische Wörterbuch erfasst die Dialekte der ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau, der hessen-darmstädtischen Provinz Oberhessen, des Fürstentums (später Freistaats) Waldeck, des rheinischen Kreises Wetzlar und des westfälischen Kreises Wittgenstein. Sprachgeographisch gesehen werden die Dialektlandschaften des Nieder-, Mittel- und Osthessischen sowie Randbereiche des Westfälischen, des Ostfälischen, des Thüringischen, Ostfränkischen, Rheinfränkischen und Moselfränkischen bearbeitet. Erfasst wurde der mundartliche Wortschatz dieser Gebiete, wie er im Erhebungszeitraum 1912 bis 1934 gebräuchlich war.

Die 1927 begonnene Publikation, das "Hessen-Nassauische Volkswörterbuch", ist streng alphabetisch nach standardsprachlichen oder "verstandardsprachlichten" Lemmata (mit Querverweisen von mundartnahen Stichwörtern) geordnet und erfasst den mundartlichen Wortschatz im Gesamtumfang, nicht nur die Idiotismen. Es wählt aus dem Gesamtmaterial des als Zettelarchiv existierenden Hessen-Nassauischen Wörterbuchs diejenigen Belege aus, die für den Zeitraum von etwa der Jahrhundertwende bis zum Abschluss der Erhebungen 1934 als verbürgt gelten. Urkundliches und älteres Material wird nur dann herangezogen, wenn es zur Aufhellung sachlicher oder grammatischer Sachverhalte beitragen kann, später eingegangene Belege werden nur berücksichtigt, wenn sie auch für den Geltungszeitraum nachgewiesen werden können. Das "Hessen-Nassauische Volkswörterbuch" ist somit mehr als alle anderen Dialektwörterbücher ein synchrones Wörterbuch der Dialekte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein ursprünglich als Ergänzung geplantes "Historisches Wörterbuch von Hessen und Nassau" aus den urkundlichen Materialien konnte bisher nicht in Angriff genommen werden.

Die enge personelle und z.T. räumliche Verbindung der Wörterbuchkanzlei mit dem Sprachatlas-Institut (bis 1934 waren und seit 1964 sind beide Einrichtungen in enger räumlicher Nachbarschaft untergebracht) brachte es mit sich, dass Methoden der Dialektgeographie in die Dialektlexikographie eingingen. Das Hessen-Nassauische Volkswörterbuch befolgte als erstes das wortgeographische Prinzip, d. h. Belegortangaben stehen bei ihm nicht mehr nur als "Verbürgungshinweis", sondern als Beschreibung des Geltungsbereichs des Stichworts. Zahlreiche wortgeographische Skizzen und Karten ergänzen die verbalen Angaben. Viele später konzipierte Dialektwörterbücher sind diesem Beispiel gefolgt.

Einen breiten Raum nehmen im Volkswörterbuch Erläuterungen zur Sach- und Volkskultur ein. Sie werden mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Erhebungsphase wichtiger, da ohne sie der semantische Gehalt zahlreicher Stichwörter für heutige Benutzer nicht mehr zu entschlüsseln ist. Zahlreiche Abbildungen verdeutlichen einzelne Sachverhalte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

  • 1911 Projektgründung durch die Preußische Akademie der Wissenschaften (Leitung: Prof. Dr. Ferdinand Wrede, Direktor des Deutschen Sprachatlas)
  • 1912-1934 Sammlung des Materials
  • 1927 Publikationsbeginn des "Hessen-Nassauischen Volkswörterbuchs"’
  • 1946 Übernahme der Finanzierung durch das Land Hessen
  • 1963 wird die Arbeitsstelle "Hessen-Nassauisches Wörterbuch" selbständiges "Forschungsinstitut an der Universität"
  • 1973 Zusammenschluss mit dem Forschungsinstitut für deutsche Sprache "Deutscher Sprachatlas". Weiterführung als Abteilung und Eingliederung des Forschungsinstituts in den Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps-Universität Marburg.

Bearbeiter

Gründer und erster Leiter war Ferdinand Wrede. Ihm folgte 1934 Luise Berthold, die erste habilitierte Frau der Philipps-Universität Marburg. Von 1971 an leitete Hans Friebertshäuser das Institut bzw. die Abteilung, dem Heinrich J. Dingeldein 1994 nachfolgte.

Quellen

Der Hauptteil der Sammlungen im Zettelapparat stammt aus freien Erhebungen angeworbener Mitarbeiter (vor allem Lehrer), aus insgesamt 45 Fragebogenerhebungen (die sich zum Teil nur auf Teilgebiete bezogen) und aus schriftlichen (gedruckten und ungedruckten) Quellen wie Dialektliteratur und wissenschaftlichen Abhandlungen. Ein erheblicher, methodisch besonders wertvoller Teil stammt aus direkten Erhebungen von Doktoranden Ferdinand Wredes.

Weiterhin wurden in die Sammlungen Belege einer umfangreichen Auszettelung veröffentlichter Urkunden des Gebiets sowie schriftlicher Zeugnisse in oder über Mundart aus allen Zeiten aufgenommen.

Die Materialbasis umfasst einen nach Lemmata alphabetisch geordneten Zettelbestand mit ca. 1 Million Einträgen.

Publikationsstand

  • Band 2 (L – R) 1943
  • Band 3 (S) 1967
  • Band 4 , Lieferungen 1-12 (T-Zankdiviensalat)
  • Band 1 (A-K) wird nach Abschluss von Band 4 als Ausgabe im Internet sowie in mehreren Teilbänden erscheinen.
  • Eine Internet-Publikation der veröffentlichten Teile steht zur Verfügung (s. Weblinks).

Literatur

  • H. Friebertshäuser: Hessen-Nassauisches Volkswörterbuch, in: Dialektlexikographie. Berichte über Stand und Methoden deutscher Dialektwörterbücher. Festgabe für Luise Berthold zum 85. Geburtstag am 27. Januar 1976. Hg. v. H. Friebertshäuser, Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte. N.F. 17, Wiesbaden 1976, S. 91-103
  • Das Forschungsinstitut für deutsche Sprache "Deutscher Sprachatlas" 1988-1992. Wissenschaftlicher Bericht. Hg. v. J. Göschel, Marburg 1992.

Weblinks


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