Heiliges Grab (Nachbildung)

Heiliges Grab (Nachbildung)
Heiliges Grab in Görlitz
Typischer Hl.-Grab-Aufbau.
Christus im Grab.

Als Heiliges Grab werden Kenotaphe Christi bezeichnet. Ursprünglich handelte es sich um eine Nachbildung der Grabarchitektur im Zentrum der Rotunde der Grabeskirche in Jerusalem. Eine sehr genaue, verkleinerte Kopie ist mit dem Heiligen Grab in Görlitz glücklich erhalten geblieben. Häufiger sind Skulpturengruppen, aufgestellt meist im Inneren, die um eine Tumba mit dem Leichnam Christi trauernde Personen versammeln. Im Spätmittelalter war man dazu übergegangen, im Heiligen Grab die am Gründonnerstag für den Karfreitag vorverwandelte Hostie, den Leib Christi, zu verwahren bzw. symbolisch die Grablegung Jesu nachzuvollziehen. Dazu war die Christusfigur mit einer meistens metallenen und verschließbaren Öffnung versehen.
Zur Zeit des Barock entwickelte sich der Brauch, das Heilige Grab durch gemalte Scheinarchitektur und auch Passionsszenen auf Holzkulissen nachzubilden. Das Zentrum dieser Form des Heiligen Grabes war jedoch eine im Grab liegende Nachbildung des Leichnams Jesu und das in der meist verschleierten Monstranz ausgesetzte Allerheiligste. In der dazugehörigen Auferstehungsfeier verschwand mittels ausgefeilter Mechanik die Monstranz gleichzeitig mit dem Grabchristus und an Stelle der Monstranz erschien die Figur des Auferstandenen. Heilige Gräber des 19. Jahrhunderts bestehen weniger aus Architekturmalerei, sondern den Garten in dem das Grab war "möglichst originalgetreu" nachbildend aus Pflanzenmalerei, so wie sich der Künstler die Flora des Heiligen Landes vorstellte. Diese Gräber waren nicht mehr individuell erstellte Kunstwerke, sondern Katalogware, die nach Auftragserteilung angefertigt und ausgeliefert wurde. Dabei konnte man schon Wünsche des Auftraggebers bezüglich Ausstattung bedingt berücksichtigen. In Olmütz fertigte die Firma Zbitek Jugendstil-Heilige-Gräber in Glasmosaiktechnik, die in die ganze damalige K.u.K.-Monarchie aber auch weltweit verkauft wurden. Nachdem der Brauch in den 50er bis 80er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Liturgiereformen vernachlässigt worden war, lebt er seit Beginn der 90er Jahre bis heute vor allem im süddeutsch-österreichischen Raum wieder auf was dazu führte, dass Pfarreien heutzutage vereinzelt wieder ein Heiliges Grab im zeitgenössischen Stil in Auftrag geben.

Geradezu charakteristisch sind für "Heilige Gräber" des alpenländischen Raumes die sogenannten Schusterkugeln; farbige wassergefüllte Glaskugeln, mit denen sich besondere Lichteffekte erzielen lassen. Ursprünglich dienten sie Handwerkern in der Werkstatt zur besseren Beleuchtung des Arbeitsplatzes (Sammellinseneffekt). Über die damalige Art und Weise, mit diesen Kugeln Theaterbühnen auszuleuchten, gelangten sie in den kirchlichen Raum. Früher waren die Mixturen für die Farben ein streng gehütetes Geheimnis - sogar Rotwein hat man dazu benutzt. Heute nimmt man in der Regel industriell hergestellte Farbstoffe, wie sie auch zum Eierfärben benutzt werden.

Verbreitet ist der Brauch in dieser Form mehr oder weniger hauptsächlich in Süddeutschland, Österreich mit Südtirol, ganz besonders Polen und teilweise auch in der Slowakei bzw. Tschechien.

Inhaltsverzeichnis

Romanik

  • Das Heilige Grab in der aus dem 17. Jahrhundert stammenden Kapuzinerkirche in Eichstätt ist eine um 1160 entstandene romanische Anlage.
  • In der Stiftskirche St. Cyriakus (Gernrode) (Anhalt) befindet eines der ältesten „Heiligen Gräber“ in Deutschland. Es wird zwischen 1190 und 1220 datiert. Das im südlichen Seitenschiff befindliche Monument besteht aus zwei Kammern. Die Stuckwandfriese stellen Begegnungen mit dem auferstandenen Christus, also Ostergeschichten, dar. 1972 wurde die Liturgie des damit verbundenen österlichen Grabritus wieder aufgefunden und wird heute wieder aufgeführt.
  • In Konstanz befindet sich im Münster Unserer Lieben Frau ein Heiliges Grab in der 940 erbauten Mauritiusrotunde: um 1260 als zwölfeckiger Sandsteinbau errichtet. Die Forschung betrachtet ihn als Nachbau der sehr ähnlich aussehenden sechzehneckigen Kapelle im Dom zu Magdeburg.

Gotik

  • Heiliges Grab bzw. Heiliggrabtruhe im Zisterzienserkloster Magerau (Bodenseeraum, um 1330).
  • Im Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd wurde um 1350 ein Heiliges Grab in der Chorscheitelkapelle des Kapellenkranzes eingerichtet. Die Figuren der Parler-Hütte und vor allem die Wächter sind auf Grund ihrer wirklichkeitsgetreuen Darstellung besonders bemerkenswert. In der Kapelle ist eine Darstellung der Beweinung Christi aus dem 15. Jahrhundert erhalten.
  • Das Heilige Grab in der Johanneskirche in Saalfeld ist eine um 1400 entstandene Nachbildung des Christusgrabes.
  • Heiliges Grab bzw. Heiliggrabtruhe aus der Pfarrkirche St. Martin in Baar (um 1430).
  • Am portugiesischen Kloster Santa Maria da Vitória in Batalha wurden in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zwei königliche Grabkapellen errichtet, die beide als zeitgenössische Interpretation des Heiligen Grabes zu verstehen sind. Die Capela do Fundador wurde um 1426 begonnen und war 1434 weitgehend fertiggestellt. In ihr sind der Klostergrunder João I., seine Gattin Filipa de Lancastre sowie vier ihrer fünf gemeinsamen Söhne bestattet. Wenige Jahre später ließ der älteste Sohn Duarte I. unmittelbar östlich der Apsisanlage eine zweite größere Anlage beginnen, die jedoch nie vollendet wurde. Der entwerfende Meister beider Anlagen dürfte Huguet gewesen sein.
  • Im Christlichen Museum von Esztergom befindet sich das Heilige Grab von Garamszentbenedek (ca. 1480). Hier ist die Fassung samt Räder noch erhalten.
  • Das Heilige Grab auf dem Reformierten Friedhof von Bad Homburg vor der Höhe wurde ursprünglich 1490 in Gelnhausen erbaut; als es dort einem Straßenbau weichen sollte, wurde es 1825 abgetragen und Stein für Stein in Bad Homburg wieder aufgebaut.
Heiliges Grab im Schlossbergmuseum Chemnitz
  • Im Schlossbergmuseum Chemnitz steht ein Heiliges Grab aus der Chemnitzer St. Jacobikirche, das einer gotischen Kathedrale nachempfunden ist. Es wurde um 1500 für die Chemnitzer Jakobikirche hergestellt. An ihm stehen auf Konsolen vollplastische Figuren: Joseph von Arimathäa, Nikodemus, Maria, ihre Schwester Maria Kleopha, Maria Magdalena und die beiden Apostel Johannes Evangelista und Petrus. Die Figuren auf den Eckkonsolen sind nicht erhalten. Außerdem fehlt der Korpus Christi, der mit beweglichen Armen und Beinen ausgestattet war, damit er symbolisch gekreuzigt, vom Kreuz abgenommen und beigesetzt werden konnte. Dieses war wohl ursprünglich mobil und konnte von seinem Standort, vermutlich in einem der Nebenräume, anlässlich der Karliturgie in den kirchlichen Hauptraum gezogen werden.
  • Das Heilige Grab in Görlitz wurde nach neueren Erkenntnissen nicht von dem Görlitzer Tuchmacher Georg Emmerich gestiftet. Mit dem Bau der Adamskapelle wurde um 1480 begonnen, wenig später kam die obere Golgathakapelle und um 1500/10 die Grabkapelle hinzu. Die Kapellen sind in einen Landschaftsgarten eingebettet, der die Topographie Jerusalems einschließlich Golgota, Kidrontal, Ölberg und Ölbergarten nachempfindet. Die Grabkapelle ist eine relativ exakte verkleinerte Kopie der Jerusalemer Grabeskapelle nach einem zeitgenössischen Holzschnitt (nun maßgeblich: Meinert, Till: Die Heilig-Grab-Anlage in Görlitz. Architektur und Geschichte eines spätmittelalterlichen Bauensembles [Berlin, Freie Univ., Diss., 2002]. Esens 2004)
  • Bei dem Heiligen Grab der St.-Albanus-Gemeinde in Diedorf im Eichsfeld handelt es sich lediglich um eine lebensgroße Darstellung der Grablegung Christi. Der tote Jesus ist umgeben von Josef von Arimathäa, Maria Magdalena, seiner Mutter Maria, Johannes, Maria Salome, Veronika und Nikodemus. Eine Inschrift am Sockel des Sarkophages nennt als Urheber einen Hans Tasch und seine Gemahlin Elisabeth sowie den Tag Sankt Egidien im Jahr 1501. Gemäß Überlieferung stand die Grablegung zunächst in einer St.-Egidien-Kapelle bei Eisenach, bis es 1525 vor dem Bauernkrieg gerettet werden musste. 1728 wurde für die Grablegung eine eigene Kapelle an die Diedorfer Kirche angebaut, die jedoch 1897 einem neuen Kirchenbau weichen musste. Jetzt steht sie in einer Nische der Nordwand der Kirche.
  • In der Marienkirche Reutlingen befindet sich ein Heiliges Grab, welches als Schlüsselwerk für die verschiedenen Tendenzen innerhalb des sogenannten Uracher Meisterkreises angesehen wird. Georg Dehio bezeichnete es als: „eines der besten seiner Gattung und für den barocken Formengeist der letzten Gotik höchst bezeichnend“ Ursprünglich in der Westvorhalle aufgestellt befindet es sich heute an der östlichen Chorwand. geschaffen wurde es um 1510/1515. Dargestellt sind neben dem leeren Sarkophag Christi die drei Marien mit Johannes dem Täufer sowie fünf Apostel. Im Baldachin befinden sich die Figur des Auferstandenen, ein Engel mit Schweißtuch und Brustbilder von vier Propheten.
  • Die Heiliggrabkapelle in Weilburg an der Lahn wurde Anfang des 16. Jahrhunderts vermutlich auf Initiative des Landesherrn Graf Johann von Nassau-Dillenburg erbaut.
  • Das Heilige Grab in Saarbrücken, das Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken (Onkel des Grafen Johann von Nassau-Dillenbur) bauen ließ, nachdem er 1495 auf einer Pilgerreise in Jerusalem war, ist nicht mehr erhalten.

Renaissance

  • Das Heilige Grab in der Cappella Rucellai in der Kirche San Pancrazio (Florenz). Der kostbare kleine Marmorbau wurde um das Jahr 1467 über dem Grab des Florentiner Kaufmanns Giovanni Rucellai durch den Renaissancebaumeister Leon Battista Alberti errichtet.[1]
  • Das Heilge Grab in der Unterkirche der Chiesa di San Rocco in Sansepolcro (Toskana, Provinz Arezzo). Diese Kleinarchitektur aus Sandsteinplatten ist eine Kopie der Florentiner Heiliggrabkopie von Leon Battista Alberti. Sie entstand 1596.[2]

Barock

Heiliges Grab in der Klosterkirche Weissenau bei Ravensburg.
Trier: Grablegungsgruppe aus dem 17. Jahrhundert
  • In die 1960-62 erbauten Hl. Kreuz Kirche in Trier wurde die Beweinungsgruppe aus dem 17. Jahrhundert aus der benachbarten romanischen Kapelle übertragen.
  • Die Kapelle Kreuzen in Rüttenen bei Solothurn ist bis heute die Grablege der Familie von Roll von Emmenholz. Es enthält eine Heiliges Grab aus dem Jahr 1643 mit einer plastischen Christusdarstellung im offenen Sarg.
  • Die Kapelle Klein-Jerusalem in Neersen (einem Stadtteil der Stadt Willich) enthält ein Heiliges Grab aus dem Jahr 1660. Der Erbauer war der Priester Gerhard Vynhoven, der sich selbst mehrere Jahre in Palästina aufgehalten hatte. Das Heiliges Grab gilt als besonders original, da es sich in ihrer Form und ihrer Symbolik auf die Jerusalemer Grabeskirche zu dieser Zeit bezieht, die aber seitdem vielfach umgebaut wurde.
  • Das Heilige Grab im Chor der Gottesackerkapelle in Waldshut wurde 1683 durch den kaiserlichen Salz-Handelsmann Adam Tröndlin gestiftet. Es wurde in Anlehnung das Vorbild der Kapelle von Kreuzen erbaut. Die Anlage war wie das Vorbild der Abschluss einer Kalvarienberganlage mit angeschlossener Eremitage. Das Christusbild in der Grabnachbildung ist eine Kopie des toten Christus von Holbein und belegt ebenfalls den nordwest-schweizer Einfluss der Anlage.
  • Heiliges Grab in Altshausen. Für die Kirche des Deutschordenssitzes, St. Michael, von Komtur Christian Moritz Graf von Königsegg-Rothenfels in Auftrag gegeben (wohl im Jahr 1763). Barockes theatrum sacrum in Form von perspektivischen „Kulissen“ für den Chorraum der Kirche, in der es ursprünglich während der Fastenzeit installiert wurde. Heute ganzjährig in der eigens hierfür neuerrichteten Heiliggrab-Kapelle zu besichtigen.
  • Eine Heilig-Grabkapelle von 1684 befindet sich in Neumarkt in der Oberpfalz auf einer Terrasse unterhalb der Wallfahrtskirche Maria-Hilf. Es handelt sich um einen rechteckigen Bau mit rundem Chörchen als einer Hl.-Grab-Nachbildung mit Blendarkaden und einem Dachreiter mit Kuppel.

Moderne

Weitere Gräber

Grablegung Christi-Skulptur im Maifeldmünster
  • Das als Grotte gestaltete Heilige Grab in der Hofmarkkirche Heiliges Kreuz in Schönbrunn (Landkreis Dachau) befindet sich in einem der nördlichen Nebenräume.
  • In der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Nesselwängle (Tannheimer Tal, Tirol) befindet sich ein reichhaltiges, gut erhaltenes, beinahe vollständiges „Heiliges Grab“.
  • In der Pfarrkirche zu den Heiligen Drei Königen in Nassereith kann man alljährlich das „Heilige Grab“, das aus dem Jahr 1852 stammt, in der Karwoche bewundern. Es nimmt das gesamte Presbyterium ein.
  • Heiliges Grab in der Stiftskirche St. Peter und Alexander in Aschaffenburg in der Heiliggrabkapelle (hier auch die Heiliggrabnische).

Literatur

  • Martin Biddle: Das Grab Christi. Neutestamentliche Quellen – historische und archäologische Forschungen – überraschende Erkenntnisse. Gießen 1998.
  • Die Heiliggrabkapelle der Aschaffenburger Stiftskirche. In: Hanns Hubach: Mein hend, die muss ich winden. In: Ausstellungskatalog Cranach im Exil. Aschaffenburg/Regensburg 2007, S. 139-155; Unterkapitel in diesem Aufsatz: Die Heiliggrabtruhe, S. 141 ff.; Die Heiliggrabkapelle, S. 143 ff.; Das Heilige Grab und Albrecht von Brandenburg, S. 146 ff. ISBN 978-3-7954-1948-6
  • Thomas Kamm: Sein Grab wird herrlich sein. Heilige Gräber als Zeugen barocker Frömmigkeit. Katalog zur Sonderausstellung im Salzburger Barockmuseum und im Stadt- und Spielzeugmuseum Traunstein (März/April 2003). Traunstein 2003. ISBN 3-922927-25-4.
  • Jürgen Krüger: Die Grabeskirche zu Jerusalem. Geschichte – Gestalt – Bedeutung. Regensburg 2000.
  • Jan Pieper, Anke Naujokat und Anke Kappler (Hrsg.): Jerusalemskirchen. Mittelalterliche Kleinarchitekturen nach dem Modell des Heiligen Grabes. Katalog zur Ausstellung. Aachen 2003. ISBN 3-936971-10-2.
  • Paolo Piva: Die „Kopien“ der Grabeskirche im romanischen Abendland. Überlegungen zu einer problematischen Beziehung. In: Roberto Cassanelli (Hrsg.): Die Zeit der Kreuzzüge. Geschichte und Kunst. Stuttgart 2000, S. 96-117.
  • Das Heilige Grab. In: Helga Wäß: Form und Wahrnehmung mitteldeutscher Gedächtnisskulptur im 14. Jahrhundert. Zwei Bände. Bristol u.a. 2006, hier: Band 1, S. 139, Anmerkung 234 (Wienhausen) und Anmerkung 238 (Gernrode); S. 443 ff.; S. 455, Anmerkung 3 (Heiliges Grab in Freiburg, Wienhausen, Erfurt, Reste in Magdeburg und Halberstadt // Bd. 2: Katalog ausgewählter Objekte vom Hohen Mittelalter bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts, Kat. Nrn. 208 mit Abbildung und 933. ISBN 3-86504-159-0

Einzelnachweise

  1. Anke Naujokat: Pax et concordia. Das Heilige Grab von Leon Battista Alberti als Memorialbau des Florentiner Unionskonzils 1439-1443. Freiburg i.Br./ Berlin 2006. ISBN 978-3-7930-9457-9.
  2. Anke Naujokat: "Kopie der Kopie. Das Heilige Grab in San Rocco, Sansepolcro." in: archimaera (Heft 2/2009)

Weblinks


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