Hans Nibel

Hans Nibel

Hans Nibel (* 31. August 1880 in Olleschau, Mähren ; † 25. November 1934 in Stuttgart) war ein Chefkonstrukteur und Vorstandschef der Benz & Cie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nibel wurde in Olleschau geboren, wo sein Vater Direktor der Papierfabrik war. Dort erwachte Nibels technisches Interesse. Seine sehr guten Schulnoten, vor allem in den Fächern Mathematik, Physik und Zeichnen gaben die ersten Hinweise auf seine Neigungen, die Nibel später beruflich einsetzte. Als Diplom-Ingenieur verließ Nibel die Technische Hochschule München, an der er sich zum Studium einschrieb. Seine ersten beruflichen Erfahrungen sammelte er bei verschiedenen kleineren Maschinenfabriken.

Am 1. März 1904 trat er seine Laufbahn bei Benz & Cie. als Konstrukteur an, wurde dann stellvertretender Bürochef. 1908 wurde er zum Leiter der Konstruktionsabteilung befördert. Unter seiner Verantwortung entstanden zahlreiche Fahrzeuge, wie z.B. der 1910 vorgestellte Benz 6/14 PS. Ziel war es, das Unternehmen mit kleineren Typen auf eine breitere wirtschaftliche Basis zu stellen. Auch Fahrzeuge der Luxusklasse, wie der eng mit dem Namen Hans Nibel verbundene Blitzen-Benz entstanden unter seiner Beteiligung. Als Bestätigung der Verdienste seines Chefkonstrukteurs erhielt Benz & Cie. 1912 den Kaiserpreis für den besten deutschen Flugmotor, der damals ebenfalls im Lieferprogramm der Firma enthalten war. Nibel wurde im Dezember 1911 Prokurist von Benz & Cie.

Verdienste für das Automobil und das Unternehmen

Als Anerkennung für seine Verdienste und seine Leistungen für Benz & Cie. in den ersten Jahren des Ersten Weltkrieges wurde Hans Nibel im August 1917 als stellvertretendes Mitglied in den Vorstand von Benz & Cie. berufen. Viele Neukonstruktionen, die unter seiner Ägide entstanden bestimmten das Bild des Produktionsprogramms, welches wie damals üblich auf Militärbedarf umgestellt wurde. Nibel hatte damit großen Anteil daran, dass das Unternehmen erfolgreich durch die Kriegsjahre gekommen ist.

Im August 1922 bestellte Benz & Cie. Hans Nibel zum ordentlichen Vorstandsmitglied. Als Anerkennung für seine Verdienste als Konstrukteur und Techniker verlieh ihm im gleichen Jahr die Technische Hochschule Karlsruhe den Titel Dr.-Ing. e.h. Gemeinsam mit dem Leiter des Mannheimer Konstruktionsbüros für Fahrgestelle, Max Wagner baute Nibel 1922 zum ersten Mal Rennwagen in Stromlinienform und mit Einzelradaufhängung, die bei internationalen Wettbewerben für Rennerfolge sorgten. Darüber hinaus beeinflusste er maßgeblich die Verwendung des Dieselmotors in Straßenfahrzeugen – 1922 stellte Benz & Cie. einen Ackerschlepper, das erste Diesel-Straßenfahrzeug der Welt. Mit Beschluss der Interessengemeinschaft von Benz & Cie. und der Daimler-Motoren-Gesellschaft im Jahr 1924 trat Nibel auch in den Vorstand der DMG ein. Im gemeinsamen Konstruktionsbüro war er gleichberechtigt neben Ferdinand Porsche tätig, wobei dieser jedoch verantwortlich zeichnete. Nibel war ein starker Befürworter des Unternehmenszusammenschlusses, der 1926 erfolgte – woraufhin er in den Vorstand der neuen Daimler-Benz AG einzog. Ebenfalls 1926 verlegte er seine Tätigkeit endgültig ins Untertürkheimer Konstruktionsbüro des neuen Unternehmens. Als Ingenieur, aber auch als Vorstand des Unternehmens war er unter Führung des Vorstandsvorsitzenden Wilhelm Kissel einer der Protagonisten, die den Zusammenschluss der beiden ältesten Automobilhersteller der Welt erfolgreich meisterten.

Technischer Direktor der Daimler-Benz AG

Zum 1. Januar 1929 wurde Nibel verantwortlicher Technischer Direktor in der Nachfolge von Ferdinand Porsche. Dessen Fahrzeugkonstruktionen verfeinerte er. So machten beispielsweise nicht zuletzt seine Verbesserungen aus dem Mercedes-Benz 8/38 PS Typ Stuttgart 200 (Baureihe W 02) ein erfolgreiches Auto, das der Marke in Zeiten der damaligen Weltwirtschaftskrise beachtliche Stückzahlen bescherte. Die sportlichen Typen S, SS, SSK und SSKL (W 06, 1926 bis 1934) sowie die noble „Nürburg“-Reihe (W 08, 1929 bis 1939) verbesserte Nibel, so dass sich die einen im internationalen Sportgeschehen, die anderen im internationalen Markt der Luxusautomobile sehr gut behaupteten. Mercedes-Benz schaffte es mit dem ersten „Großen Mercedes“ Typ 770 (W 07, 1930 bis 1938), sich international Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Der Typ 170 (W 15, 1931 bis 1936) in dem wichtige Patente umgesetzt wurden folgte, wie z.B. die Einzelradaufhängung, die Einzelradlenkung und ein „Schnellganggetriebe““ nach dem System Mercedes-Benz-Maybach. Das Getriebe lieferte für jede Geschwindigkeit und Geländeverhältnisse die passende Übersetzung, zugleich wirkte es bei höheren Geschwindigkeiten drehzahl- und damit verbrauchsmindernd.

Diese und weitere Neuerungen flossen nach und nach auch in andere Baureihen von Mercedes-Benz ein. Einstweiliger Höhepunkt war der 1932 präsentierte und gleichfalls von Nibel verantwortete Kompressor-Typ 380 (W 22), dessen Nachfolger die noch berühmteren Typen 500 K/540 K (W 29) waren.

Im Jahr 1934 als Marktpremiere wurde zum ersten Mal ein neues Antriebskonzept in den Typ 130 (W 23) eingebaut: Der Heckmotor in einem Fahrzeug. Technisch gesehen galt diese Konstruktion von Nibel als wegweisend, auch wenn es sich zusammen mit den weiterentwickelten Typen 150 (mit Mittelmotor) und 170 H, im Portfolio der Marke als etwas glücklos erwies. Erfolgreicher war dann der Mercedes-Benz 170 V (W 136, 1936 bis 1942), den Nibel noch auf den Weg brachte – das erste Fahrzeug mit einem X-förmigen, leichten und stabilen Ovalrohr-Rahmen.

Rennwagensport

Nibel machte auch bei Motorsportveranstaltungen auf sich aufmerksam. So erhielt er 1909 bei der Prinz-Heinrich-Fahrt den „Preis der Erbprinzessin von Sachsen“, 1912 bei der Internationalen Österreichischen Alpenfahrt die „Silberne Plakette“ und 1914 bei der Karpathenfahrt den „Preis des Ministeriums des Innern“. Der von Nibel für die 750-Kilogramm-Formel konstruierte Rennwagen (W 25), der in den Jahren 1934 bis 1937 mit Fahrern wie Rudolf Caracciola bescherte dem Unternehmen Rennerfolge und begründete zudem die Tradition der Silberpfeile.

Am 25. November 1934 starb Hans Nibel an den Folgen eines Herzschlags. Zwei Jahre nach seinem Tod präsentierte Mercedes-Benz den 260 D (W 138, 1936 bis 1940), dessen anfängliche Entwicklung Nibel noch begleitete.

Viele von Nibels Konstruktionen blieben gültig bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit kann er als einer der einflussreichsten Automobilkonstrukteure nicht nur von Mercedes-Benz, sondern der gesamten Branche angesehen werden.

Literatur

  • Oswald, Werner: Mercedes-Benz Personenwagen, Band 1, 1886-1945, Motorbuchverlag Stuttgart 1987 und Medienseite der Daimler Chrysler AG
  • Deutscher Wirtschaftsverlag, AG (Hg.): Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft, Band 2, Berlin, 1931

Weblinks


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