Georg-von-Rauch-Haus

Georg-von-Rauch-Haus
Das Rauch-Haus

Das Georg-von-Rauch-Haus ist das im Dezember 1971 besetzte ehemalige Schwesternwohnheim des Bethanien-Krankenhauses an der Nord-West-Seite des Mariannenplatzes in Berlin-Kreuzberg. Das Haus wurde von den Besetzern nach dem Berliner Stadtguerillero Georg von Rauch benannt, der wenige Tage zuvor nach einem Schusswechsel mit der Polizei gestorben war. Seither wird das Rauch-Haus als „selbstverwaltetes Wohnkollektiv“ genutzt. Es war mehrere Jahre vom Berliner Senat als Anlaufstelle für obdachlose Jugendliche anerkannt. Das Rauchhaus versteht sich noch immer als Selbsthilfeprojekt insbesondere von Jugendlichen aus sozial schwachen Schichten.

Inhaltsverzeichnis

Besetzung und Legalisierung

Nach einem Teach-in (mit Konzert der Rockgruppe Ton Steine Scherben) am 8. Dezember 1971 in der Technischen Universität zum Tode Georg von Rauchs brachen dessen Teilnehmer zur Besetzung des seit 1970 leerstehenden Bethanien auf, zu welcher auch in Flugblättern aufgerufen wurde. Um 21:30 Uhr wurde die Polizei alarmiert, worauf diese sofort ein Großaufgebot zusammenzog, um die Versammlung von etwa 300 größtenteils jugendlichen Personen am nebenliegenden Mariannenplatz durch Schlagstock- und Tränengaseinsatz aufzulösen. Dies gelang nicht auf Anhieb, und so ging der Berliner Senat zu Verhandlungen mit den Besetzern über. Noch im Dezember 1971 bekam das Rauchhauskollektiv – organisiert im Trägerverein „Jugendzentrum Kreuzberg e.V.“ – einen vorläufigen Nutzungsvertrag für das Gebäude. Seit Januar 1973 wurde dieser Nutzungsvertrag mehrfach geändert und verlängert. Die Bewohner waren meist etwa 40 bis 50 Leute zwischen 11 und 35 Jahren, die sich als „links von der SPD“ verstanden.

Polizeiliche Maßnahmen

Etwa vier Monate später – am 19. April 1972 um 4:15 Uhr – wurde eine Großrazzia im Georg-von-Rauch-Haus mit 400 Polizisten durchgeführt. 28 Personen wurden vorläufig festgenommen. Mit sichergestellten Materialien, darunter leere Weinflaschen, Batterien, Wecker und ein kaputtes Wasserrohr, wollte die Polizei beweisen, dass dort Sprengstoffanschläge geplant würden. Rio Reiser besang diese Polizeiaktion im Rauch-Haus-Song der Band Ton Steine Scherben. In den Jahren 1974 und 1975 gab es noch weitere Polizeirazzien im Rauch-Haus. Gegen die Razzia vom 5. März 1975 legten einige Bewohner Beschwerde ein, nachdem dabei Inventar zerstört worden war.

Ziele der Besetzer

  • sich zusammen und gleichberechtigt um einander zu kümmern und leben
  • gleiches Stimmrecht (z. B. auf dem wöchentlichen Plenum)
  • Entwicklung von Verantwortungsgefühl
  • nicht auf die Kosten anderer (z. B. Mitbewohnern) oder in Abhängigkeit anderer (z. B. Senat) leben
  • gesellschaftskritische politische Meinung an andere (z. B. am Arbeitsplatz) weitergeben
  • für eigene Interessen kämpfen (z. B. durch Demos, Flugblattverteilung, Straßentheater u. a.)

Gegenwart

Im Rauchhaus wohnen heute circa 40 Leute. Hauptaktivitäten des Hausprojektes sind die Entwicklung der Hausgemeinschaft, die Sanierung des Gebäudes sowie jugendkulturelle Veranstaltungen. Der Trägerverein „Georg von Rauch-Haus Jugend- und Kulturzentrum Kreuzberg e.V.“ will das Rauchhaus langfristig als Selbsthilfeprojekt in Eigenregie verwalten.

Veröffentlichungen

  • (Buch) Jugendzentrum Kreuzberg: Kämpfen Leben Lernen. Georg von Rauch Haus. Berlin 1972.
  • (Film) Georg von Rauch-Haus Kollektiv: Allein machen sie dich ein. Berlin 1973.
  • (Buch) Filmkollektiv Susanne Beyeler, Rainer März, Manfred Stelzer: Allein machen sie dich ein. Ein Buch zum Rauch Haus Film. Berlin 1974.
  • (Buch) Georg von Rauch-Haus Kollektiv: Friede den Hütten! Krieg den Palästen! 6 Jahre Selbstorganisation. Berlin 1977.

Weblinks

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