Albert Pietzsch

Albert Pietzsch

Albert Theodor Pietzsch (* 28. Juni 1874 in Zwickau; † 13. Juni 1957 in München) war Unternehmer, Unterstützer der NSDAP, Präsident der Industrie- und Handelskammer in München und Leiter der Reichswirtschaftskammer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sein Vater F. Wilhelm Pietzsch war Professor an einem Realgymnasium. Sein Bruder war der Maler Richard Pietzsch. In Zwickau besuchte er eine Vorschule und das Realgymnasium. Von 1893 bis 1894 machte er ein Praktikum im Labor und einer Werkstatt der TH Dresden. Dort studierte er von 1894 bis 1898 Maschinenbau. Von 1899 bis 1900 war Pietzsch Assistent im Elektrotechnischen Institut an der TH Dresden.

Von 1900 bis 1908 wirkte er erst als Ingenieur, dann als Oberingenieur in der Chemischen Fabrik Buckau in Ammendorf bei Halle (Saale). Dort entwickelte er neue Verfahren zur Produktion von Kalilauge und Chlor.

1911 gründete er mit seinem Schwager Gustav Adolph bei München in Höllriegelskreuth in der Lindestraße 3 die Elektrochemischen Werke München, Dr. Adolph, Pietzsch & Co. (EWM). Die EWM stellten Wasserstoffperoxid in großtechnischem Maßtstab her. Das Pietzsch-Adolph-Verfahren ist die Hydrolyse von Kaliumperoxodisulfat zu Wasserstoffperoxid.[1] Bei der Entwicklung wurde das Unternehmen durch die Gesellschaft für Chemische Industrie Basel unterstützt. Ab 1915 belieferten die EWM, Wasserstoffperoxid als Desinfektionsmittel an die Armeen des deutschen Kaiserreichs. Im Rahmen dieser Kriegsproduktion wurde eine Zusammenarbeit mit Otto Seuffert und der E. Merck KG begonnen.

Pietzsch war am 8. November 1923 bei der Veranstaltung von Gustav von Kahr im Münchner Bürgerbräukeller, dem gescheiterten Hitlerputsch, anwesend.

1926[2] war Albert Pietzsch Mitgründer der Buffalo Electro-Chemical Company (BECCO) ab 1954 in Buffalo.[3]

Die EWM, ein Rüstungsunternehmen nach dem Montan-Schema, wurde in der Weltwirtschaftskrise 1928 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, womit Liquiditätsschwierigkeiten abgewendet wurden. Direktor Albert Pietzsch konnte 10,5 Kilogramm Gold als Gewinn verbuchen, welche er vermutlich bei dem Goldschmied Otto Gahr in München zum sogenannten "Chiemseekessel" (benannt nach dem Fundort) umarbeiten ließ.[4]

Pietzsch unterstützte die NSDAP ab 1925 finanziell und vermittelte, wie „Putzi“ Hanfstaengl, Adolf Hitler Kontakte zu bayrischen Industriellen. Von Februar bis September 1927 war Pietzsch Mitglied der NSDAP. Er betätigte sich weiter als Wirtschaftssachverständiger der NSDAP. Im Mai 1930 trat er erneut der NSDAP bei und arbeitete im Braunen Haus in der Abteilung von Rudolf Heß. Hier hatte er engen Konktakt zu Richard Walther Darré und Gregor Strasser. Im Mai 1933 wurde Pietzsch Präsident der Industrie- und Handelskammer München.

Von 1933 bis August 1934 führte er die Hauptgruppe V im Reichsstand der Deutschen Industrie und war in dessen Vorstand. Im März 1936 wurde er zum Leiter der Reichsstelle für Wirtschaftsmoral ernannt.

Im Rahmen der forcierten Wiederaufrüstung ab 1934 lieferten die EWM ein großtechnisches Produktionsverfahren für Wasserstoffperoxid. Pietzsch erhielt einen Auftrag zur Erstellung von Produktionsanlagen für hochkonzentriertes Wasserstoffperoxid. Die Transehe & Co. KG. erstellte die Otto Schickert KG in Bad Lauterberg[5] und eine Anlage im Chemiepark der Hoechst, sprich I.G. Farben, in Gersthofen.[6]

Das hochkonzentrierte Wasserstoffperoxid wurde als oxidierende Komponente für Raketentreibstoff in Waffen wie der Fieseler Fi 103 oder der A4 („V2“), verwendet.

Von Dezember 1936 bis 1944 war Pietzsch Leiter der Reichswirtschaftskammer in Berlin, führte den Vorsitz im Ausschuss für Preisbildungsfragen und im Ausschuss für Auslandshandelskammern. Er war im Präsidium der deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer. Pietzsch war Mitglied im Ausschuß für Aktienrecht in der Akademie für Deutsches Recht.[7] Ab 1939 war Pietzsch im Aufsichtsrat der Deutschen Bank stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender.[8] Ab 1940 leitete Pietzsch in München die Wirtschaftskammer und in dieser die Industrie- und Handelskammerabteilung sowie die Bezirksausgleichstelle. Am 30. Mai 1942 wurde die Gauwirtschaftskammeraufbauverordnung auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet und viele Kammern umorganisiert, diese stellte Pietsch, im Auftrag des Reichswirtschaftsministeriums, am 30. September 1942 Beauftragten zur Errichtung von Gauwirtschaftskammern, Vertreter der Reichsgruppen in der Reichsgruppe Industrie und Geschäftsführern der Industrie-, Handels- und Wirtschaftskammern, vor.

Am 1. Mai 1940 verlieh ihm die TH Dresden die Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing.).[9]

Nach 1945

Seine Aussagen[10] während der Internierung im „Zivilen Internierungslager Nr. 91“ wurden von der „Sektion für finanzielle Nachforschungen“ der amerikanischen Militärregierung (OMGUS) in einem Bericht festgehalten, der der Vorbereitung eines Kriegsverbrecherprozesses gegen die Deutsche Bank dienen sollte, dazu ist es nicht gekommen.

1954 stockte die Dual Use AG in Höllriegelskreuth, durch Aktienemission, ihr Kapital auf. Pietzsch leitete das Unternehmen bis 1955.

Schriften

  • Grundlagen der Wirtschaftslenkung, mit Ferdinand Grünig, in: Die Verwaltungs-Akademie, Bd. 3, Berlin 1936
  • Auslandsdeutschtum und Arbeit Deutscher Handelskammern im Auslande, in: Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1937 Nr. 1, S. 8
  • Ansprache auf der Festsitzung der Reichswirtschaftskammer anläßlich des 60. Geburtstages des Reichswirtschaftsministers Dr. Schacht am 22. Januar 1937, in: Schriftenreihe der Deutschen Wirtschafts-Zeitung, Heft 3, Berlin
  • Die Ehrengerichtsbarkeit der gewerblichen Wirtschaft, in: Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht 4 (1937), S. 193
  • Die deutsche Selbstverwaltung im nationalsozialistischen Staat, in: Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1937, Nr. 24/25, S. 764
  • Die Organisation der gewerblichen Wirtschaft, Junker und Dünnhaupt Berlin 1938
  • Zur Frage der Ordnung der weltwirtschaftlichen Beziehung (= Kieler Vorträge, Band 61), Gustav Fischer Verlag Jena, 1939
  • Der Aufbau der Gauwirtschaftskammer. Vortrag, gehalten auf einer Tagung in der Reichswirtschaftskammer am 30. September 1942, Berlin 1942

Literatur

  • Hermann A.L. Degener: Wer ist’s?. Berlin 1935
  • Ernst Klee: Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/Main 2003
  • Hermann Teschemacher (Hrsg.): Handbuch der gewerblichen Wirtschaft. Band III, Leipzig 1937
  • Gerhard Kratzsch: Der Gauwirtschaftsapparat der NSDAP. Münster 1989
  • DBE, Band 7, München 2007
  • Daniela Kahn: Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im nationalsozialistischen Deutschland. Frankfurt/Main 2006
  • Pietzsch, Adalbert. Institut für Zeitgeschichte

Einzelnachweise

  1. wikipatents.com
  2. … wurde am 28. Juni 80 Jahre alt. In: Die Zeit, 8. Juli 1954
  3. pubs.acs.org
  4. Goldener Chiemseekessel - Rätsel gelöst, in: TZ München, Artikel vom 10. März 2011
  5. karstwanderweg.de
  6. Institut für Zeitgeschichte, Bestand: ED 458 Pietzsch, Albert
  7. Werner Schubert: Ausschuß für Aktienrecht, Walter de Gruyter, 1986, S. IX
  8. Harold James:The Nazi dictatorship and the Deutsche Bank. Cambridge University Press, 2004, S.195
  9. tu-dresden.de 1. Mai 1940
  10. Kurzbiografie siehe die 1946/1947 von der US-Militärregierung erstellten Unterlagen. Sie wurden 1985 übersetzt und herausgegeben: Hans Magnus Enzensberger (Hrsg.), Ermittlungen gegen die Deutsche Bank: 1946/1947 / Militärregierung d. Vereinigten Staaten für Deutschland, Finanzabt., Sekt. für Finanzielle Nachforschungen., Übers. u. bearb. von d. Dokumentationsstelle zur NS-Politik, Hamburg, Nördlingen: Greno 1985 ISBN 3-921568-66-8, S. 320-330

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pietzsch — ist ein deutscher Familienname. Herkunft und Bedeutung Der Name ist vermutlich aus einer deutsch/slawischen Kurzform des Namens Peter bzw. Piotr entstanden. Namensträger Albert Pietzsch (1874−1957), Leiter der Reichswirtschaftskammer Frank… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Pi — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Adlerschild — Max Liebermann mit dem ihm vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg verliehenen Adlerschild Der Adlerschild des Deutschen Reiches war eine unter dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert am 15. November 1922 gestiftete nichttragbare Auszeichnung des …   Deutsch Wikipedia

  • Zwigge — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Chiemsee Cauldron — The Chiemsee Cauldron is a gold cauldron found at the bottom of Lake Chiemsee in Bavaria in 2001. It was recovered by an amateur diver who found it about 200 m from the shore near Arlaching, Chieming municipality. The cauldron is ornamented with… …   Wikipedia

  • Geschichte der Merck KGaA — Die Geschichte der Merck KGaA, des ältesteten pharmazeutisch chemischen Unternehmens der Welt,[1][2] beginnt im Jahr 1668 mit dem Kauf einer Darmstädter Apotheke durch Friedrich Jacob Merck. Diese Apotheke wurde der Grundstein für die beiden… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Stahl (Industrieller) — Carl Rudolf Stahl (* 20. April 1884 in Barmen; † 1946) war ein deutscher Jurist und Industrieller. Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung, Kriegsdienst und Industriekarriere 2 Generaldirektor bei der Mansfeld AG 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Adlerschild des Deutschen Reiches — Max Liebermann mit dem ihm vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg verliehenen Adlerschild Der Adlerschild des Deutschen Reiches war eine unter dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert am 15. November 1922 gestiftete nichttragbare Auszeichnung des …   Deutsch Wikipedia

  • Ehrenzeichen Pionier der Arbeit — Das Ehrenzeichen „Pionier der Arbeit“ wurde im August 1940 durch Adolf Hitler gestiftet und war zur Auszeichnung für bestimmt krönende Arbeitsleistungen vorgesehen. Die Verleihung erfolgte im „Namen des Führers“ durch den Leiter der Deutschen… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Söhne und Töchter der Stadt Zwickau — Diese Liste enthält Persönlichkeiten, die in Zwickau geboren sind. Die Auflistung erfolgt chronologisch nach dem Geburtsjahr. Ob die Personen ihren späteren Wirkungskreis in Zwickau hatten oder nicht, ist dabei unerheblich. Viele sind im Laufe… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”