Fernorchester

Fernorchester

Als Fernorchester bezeichnet man eine Gruppe von Musikinstrumenten, die bei der Aufführung eines musikalischen Werkes separat vom eigentlichen Orchester aufgestellt sind, oftmals hinter dem Podium oder am entgegengesetzten Ende des Konzertsaals. Um ein präzises Zusammenspiel mit dem Hauptorchester zu erreichen, ist entweder der Einsatz eines eigenen (Hilfs-)Dirigenten für das Fernorchester nötig, oder der Dirigent auf der Hauptbühne wird per Kamera auf einen Monitor, oder auch per Spiegel, zum Ort des Fernorchesters übertragen.

Verwandt mit diesem Begriff ist Verwendung von Bühnenmusik bei der Oper. Aus diesem Grund werden im Sprachgebrauch der Orchesterpraxis die Begriffe Bühnenmusik und Fernorchester gelegentlich auch synonym gebraucht. Während es bei der Bühnenmusik jedoch um die Einbeziehung der Musik in die Bühnenhandlung geht, steht beim Einsatz von Fernorchestern eher die Erzeugung von Klangeffekten und – wie schon in der venezianischen Mehrchörigkeit – die Einbeziehung des Raums im Vordergrund. Frühe Beispiele für Ferninstrumente in diesem Sinn sind die hinter der Bühne postierten Trompeten in Ludwig van Beethovens 3. Leonorenouvertüre (siehe Fidelio) oder Georges Bizets Carmen. Hector Berlioz nutzte in seinem Requiem vier Fernorchester aus Trompeten und Posaunen. Er orientierte sich an Vorbildern in der französischen Musik um 1800. In geistlichen Werken und Kantaten von François-Joseph Gossec und Étienne-Nicolas Méhul, die für eine Aufführung im Pariser Invalidendom konzipiert wurden, fanden bereits früher Fernorchester auf den Emporen Verwendung.

Ab der Musik der Spätromantik findet das Fernorchester gehäuft Verwendung. Besonders Gustav Mahler setzt in seinen Werken immer wieder Ferninstrumente mit differenzierten Anweisungen zur Aufstellung ein: „in weiter Entfernung“ (1. Sinfonie), „aus entgegengesetzter Richtung“ (2. Sinfonie), „in der Ferne (Entfernung) aufgestellt“ (3. Sinfonie), „in der Höhe postiert“ (3. Sinfonie), „in Entfernung aufgestellt“ (6. und 7. Sinfonie), „isoliert postiert“ (8. Sinfonie). Die präzisen Anweisungen waren für Mahler auch ein Mittel, dem Verdacht der billigen Effekthascherei vorzubeugen, der bei dem Einsatz von Fernorchestern immer nahe liegt.

In der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts werden der Konzertraum und dessen akustische Möglichkeiten in vielen Werken von vornherein einbezogen, so etwa in Kompositionen von Karlheinz Stockhausen. Auch der Raumklang elektronischer Musik spielt hier eine Rolle, aber eben auch weiterhin die Wirkung von weit entfernt voneinander aufgestellten Instrumenten oder eben Fernorchestern.

Neben dem Fernorchester gibt es vor allem in der Spätromantik Werke mit Fernchor, die in gleicher Weise ein entfernt aufgestelltes vokales Ensemble enthalten, so z. B. in Gustav Holsts Die Planeten, Peter Tschaikowskis Nussknacker und Claude Debussys Nocturnes.

Beispiele für Werke mit Fernorchester


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Fernchor — Als Fernorchester bezeichnet man eine Gruppe von Musikinstrumenten, die bei der Aufführung eines musikalischen Werkes separat vom eigentlichen Orchester aufgestellt sind, oftmals hinter dem Podium oder am entgegengesetzten Ende des Konzertsaals.… …   Deutsch Wikipedia

  • Das klagende Lied (Mahler) — Das klagende Lied ist eine Märchen Kantate von Gustav Mahler (1860–1911) für Soli, Knabenchor, gemischten Chor, großes Orchester und Fernorchester. Der Text von Gustav Mahler basiert auf Ludwig Bechsteins Märchen Das klagende Lied, sowie auf dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Auferstehungssymphonie — Die 2. Sinfonie in c Moll von Gustav Mahler ist eine Sinfonie in fünf Sätzen für Sopran und Alt Solistinnen, gemischten Chor und großes Orchester. Wegen der Verwendung von Gesangsstimmen gehört das Werk zur Gattung der Sinfoniekantate.… …   Deutsch Wikipedia

  • 2. Sinfonie (Mahler) — Die 2. Sinfonie in c Moll von Gustav Mahler ist eine Sinfonie in fünf Sätzen für Sopran und Alt Solistinnen, gemischten Chor und großes Orchester. Wegen der Verwendung von Gesangsstimmen gehört das Werk zur Gattung der Sinfoniekantate.… …   Deutsch Wikipedia

  • Alpensinfonie — Eine Alpensinfonie op. 64 ist eine Sinfonische Dichtung des Komponisten Richard Strauss. Dem Werk liegt das Konzept des Komponisten zugrunde, mit musikalischen Mitteln die Besteigung eines Alpengipfels und die Rückkehr ins Tal während eines Tages …   Deutsch Wikipedia

  • Architektur und Musik — Zwischen Musik und Architektur ergeben sich vielfältige Verbindungen. Einerseits wird Musik häufig in Räumen aufgeführt, deren Gestaltung akustischen Ansprüche berücksichtigt, um das Hörerlebnis zu optimieren; im Gegenzug richtet sich die… …   Deutsch Wikipedia

  • Berlioz grande messe des morts — Die Grande Messe des Morts (dt. „Große Totenmesse“), wie das Werk im Original heißt, ist Hector Berlioz’ Vertonung des traditionellen Requiemtextes mit geringfügigen Veränderungen bzw. Anpassungen. Die Komposition trägt die Opuszahl 5, obgleich… …   Deutsch Wikipedia

  • Berlioz requiem — Die Grande Messe des Morts (dt. „Große Totenmesse“), wie das Werk im Original heißt, ist Hector Berlioz’ Vertonung des traditionellen Requiemtextes mit geringfügigen Veränderungen bzw. Anpassungen. Die Komposition trägt die Opuszahl 5, obgleich… …   Deutsch Wikipedia

  • Cori-Spezzati-Technik — Mehrchörige Kirchenmusik Mehrchörige Aufführung im Salzburger Dom (17. Jahrhundert) Der Begriff Venezianische Mehrchörigkeit bezeichnet eine Musikpraxis, die Mitte des 16. Jah …   Deutsch Wikipedia

  • Coro-spezzato-Technik — Mehrchörige Kirchenmusik Mehrchörige Aufführung im Salzburger Dom (17. Jahrhundert) Der Begriff Venezianische Mehrchörigkeit bezeichnet eine Musikpraxis, die Mitte des 16. Jah …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”