Felsengrab

Felsengrab
Verschiedene Felsengräber
Begehbare Wohn- und Grabhöhlen an der Steilküste von Mátala, Kreta

Das Felsengrab oder Felsgrab ist eine artifizielle Höhle, die zu Begräbniszwecken benutzt wird. Der Brite Aidan Dodson definiert das Felsgrab als in den Felsen eingeschnittene Gräber, die keinen nennenswerten gemauerten Überbau aufweisen[1]. Felsengräber sind seit dem Neolithikum in verschiedenen Kulturen anzutreffen. Im zentralen Mittelmeergebiet sind Felsengräber vor allem für die Kupferzeit typischt[2].

Vorrangig bezeichnet der Begriff eine Aushöhlung des gewachsenen Felsens (engl. rock-cut tomb). R. Whitehouse stellt heraus, dass keine Verbindung zu megalithischer Architektur besteht[3].

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Bestattungen in artifiziellen Aushöhlungen finden sich in Europa, Vorderasien und Ägypten. In Europa stammen sie vor allem aus der Kupfer- und Bronzezeit. Die ältesten Beispiele liegen zentralen Mittelmeergebiet[4]. Die kompliziertesten Strukturen finden sich auf Malta, Sardinien und den Balearen, es handelt sich dabei um voneinander unabhängige insuläre Entwicklungen[5].

In Frankreich gehören z.B. Grotten bei Arles zu den Felsengräbern, auf der Iberischen Halbinsel Alcaide (auch als Felskuppelgrab bezeichnet), auf den Balearen die Cuevas, auf Malta (Bur Mghez, Xemxija) und auf Sardinien die „Backofengräber“ bzw. Domus de Janas (Häuser der Feen) oder bauliche Unikate wie Campu Luntanu und auf Sizilien (z.B. Thaspsos). Einzelbeispiele sind auch auf Orkney und in Deutschland zu finden.

Voraussetzung für ein neolithisches Auftreten war vermutlich relativ weiches Gestein, das sich mit steinzeitlichem Werkzeugen bearbeiten ließ. Das war vor allem Sedimentgestein zum Beispiel der „Globigerinen“-Kalk auf Malta. Da die Arbeiten große Anstrengung erforderten, sind die älteren sardischen Domus de Janas kaum einen Kubikmeter groß.

Nach Whitehouse finden sich die frühsten Beispiele von Felsengräbern in Italien und Sizilien[6]. In Italien stammen wenige Exemplare bereits aus dem 5. Jahrtausend, es handelt sich im Einzelbestatungen. Weitaus häufiger waren aber, wie Whitehouse betont, Bestattungen in Gruben oder Höhlen. Erst im 3. Jahrtausend wurden Felsgräber die Regel. Im südlichen und östlichen Italien wurden in der Kupferzeit vorwiegend ofenförmige Felsräber verwendet[7]. In der Bronzezeit (Appennin-Kultur)herrschte, bis auf wenige Ausnahmen, wieder Erdbestattung vor. Auch auf Sizilien setzten Felsengräber erst in der Kupferzeit ein[8]. Auf Malta beginnen sie in der Zebugg-Phase, auf Sardinien in der Ozieri-Kultur, um bis in die Glockenbecherkultur weiter- oder wiedergenutzt zu werden. Im Westen kommen Felsengräber vor allem auf den Balearen (schlecht datiert) und an der Mündung des Tagus vor. Datierungen sind spärlich und deuten auf eine Entstehung im 3. Jahrtausend[9].

Bronzezeit

Mit Bronze- und Eisenzeitwerkzeug wurde die Aushöhlung härterer Gesteine möglich und so finden sich nun größere Aushöhlungen. Sie liegen in einem Gebiet vom Orient über Zypern (Salamis) bis zu den Orkney-Inseln (Dwarfie Stane – Zwergenstein – auf Hoy). Auf den Zykladen setzt der Bau von Felsgräbern vor allem in der frühen Bronzezeit ein[10].

Ägypten

Eingangsbereich eines Felsgrabes in Beni Hasan, Bild von David Roberts, 1838

Ab dem 4. Jahrtausend wurden auch in der Levante und in Ägypten Felsengräber angelegt[11]. Ägyptische Felsengräber weisen meist eine oberirdische Grabkapelle auf. Die meisten Gräber liegen unterhalb der Grabkapelle und sind mit dieser durch einen vertikalen Schacht verbunden, doch können sie auch in einiger Entfernung von der Kapelle liegen[12]. Felsengräber hatten zuerst denselben Aufbau wie Mastabas, wurden aber zunehmend komplexer. Felsengräber mit besonders ausgefeilter Architektur finden sich besonders unter der 6. Dynastie und in der ersten Zwischenperiode[13]. Die Nekropole von Beni Hassan besitzt zahlreiche Felsgräber von Nomarchen, die zwischen der ersten Zwischenzeit und der 12. Dynastie erbaut wurden[14]. Zum Bau der Feselngräber wurden Werkzeuge aus Stein und Kupfer, später auch Bronze verwendet[15]. In Deir el-Medina wurde eine Steinmetz-Siedlung des Neuen Reiches ausgegraben[16].

Eisenzeit

Die Urartäer verwendeten Felsgräber besonders für reiche Bestattungen.

Antike

Eugène Delacroix, Grablegung Christi in einem Felsengrab, Öl auf Leinwand, 1859

Sehr zahlreich sind die über ein großes Areal verstreuten Königsgräber von Paphos. Nur weniger dieser prunkvollen Anlagen sind bislang ausgiebig erforscht. In Kleinasien existieren die Felsengräber der Lykier in (Telmessos, Kaunos, Tlos und Myra) sowie der Phrygier im Phrygischen Tal bei Afyon. Römische Felsgräber finden sich unter anderem in Adamkayalar, Kanytelleis und zahlreichen anderen Nekropolen, zum Beispiel Olba oder Termessos.

Felsengräber spielen auch in der jüdisch-christlichen Kulturgeschichte eine wichtige Rolle: das Neue Testament überliefert die Bestattung Jesu von Nazareth in einem „Felsengrab“ vor den Toren Jerusalems („mnemeío hò elatómesen èn te pétra“, Mt 27,60, vgl. Mk 15,46; Lk 23,53).

Im Achämenidenreich wurden Felsgräber als Königsgräber genutzt, wie in Naqsh-i Rustam oder dem Grab des Artaxerxes III. in Persepolis.

Berühmt sind die nabatäischen Felsgräber von Petra in Jordanien.

Sonderformen

Hypogäen (zum Beispiel das Ħal-Saflieni auf Malta) und die römischen Katakomben sind ebenfalls in den Felsen eingeschnitten, sind aber Massengrabkammern.

Siehe auch

Literatur

  • Dieter Arnold: Felsgrab. In: Lexikon der ägyptischen Baukunst. Artemis & Winkler, Zürich 1997, ISBN 3-760-81099-3, S. 77-79.
  • Hans Bonnet: Felsengrab. In: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. 3. unveränderte Auflage. Nikol, Hamburg 2000, ISBN 3-937872-08-6, S. 182f.
  • Aidan Dodson: Egyptian rock-cut tombs. Shire, Princes Risborough 1991, ISBN 0-747-80128-2, (Shire Egyptology 14).
  • Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. Europäische Kultplätze der Steinzeit. Beier & Beran, Langenweißbach 2003, ISBN 3-930036-70-3, (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 36).
  • Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. In: Antiquity 46, 1972, Nr. 184, ISSN 0003-598x, S. 275-281.

Einzelnachweise

  1. Aidan Dodson, Egyptian rock-cut tombs. Shire, Princes Risborough 1991, 7
  2. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 275 ff.
  3. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 280
  4. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 275 ff, fig. 2
  5. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 280 ff
  6. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 275
  7. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 276
  8. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 277
  9. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 279
  10. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 278
  11. Ruth Whitehouse: The rock-cut tombs of the central Mediterranean. Antiquity 46, 279
  12. Aidan Dodson, Egyptian rock-cut tombs. Shire, Princes Risborough 1991, 7
  13. Aidan Dodson, Egyptian rock-cut tombs. Shire, Princes Risborough 1991, 11
  14. Aidan Dodson, Egyptian rock-cut tombs. Shire, Princes Risborough 1991, 11-12
  15. Aidan Dodson, Egyptian rock-cut tombs. Shire, Princes Risborough 1991, 57
  16. Aidan Dodson,Egyptian rock-cut tombs. Shire, Princes Risborough 1991, 58

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