Transformationale Führung

Transformationale Führung

Der Begriff Transformationale Führung bezeichnet ein Führungsmodell, bei dem die Geführten Vertrauen, Respekt, Loyalität und Bewunderung gegenüber der Führungskraft empfinden und dadurch überdurchschnittliche Leistungen erbringen

Inhaltsverzeichnis

Entstehung des Modells

Bei der Transformationalen Führung handelt es sich um eine Erweiterung des Konzeptes der Transaktionalen Führung. Der Kerngedanke dieses Konzeptes stammt von J. M. Burns [1] aus dem Jahr 1978. Er stellte fest, dass politische Führer ein Austauschverhältnis (Transaktionsverhältnis) mit ihren Wählern eingehen, indem sie ihnen verschiedene materielle, emotionale oder ideologische Vorteile als „Gegenleistung“ für ihre Wählerstimme anbieten. Dieser Austausch (Transaktion) existiert auch in Unternehmen: Eine Führungsperson, die transaktionales Verhalten zeigt, erkennt die Bedürfnisse und Motive ihrer Mitarbeiter und „belohnt“ diese dafür, dass sie Zielvereinbarungen einhalten, sich an bestimmte Verhaltensregeln halten und die erwartete Leistung erbringen.

Transformationale Führung geht darüber hinaus und verändert (transformiert) das Verhalten und das Bewusstsein von Mitarbeitern und Kollegen in Richtung eines neuen, höheren Niveaus. Transformationales Führungsverhalten verdeutlicht den Sinn und die Bedeutung der gemeinsamen Ziele und Ideale. Führungskräfte und Mitarbeiter sind gleichermaßen herausgefordert, inspiriert und motiviert, einen sinnvollen Beitrag zum Erfolg der Organisation und somit zur Verwirklichung der gemeinsamen Mission zu leisten. Mit anderen Worten: Transformationale Führungskräfte verstehen es, Begeisterung und Zuversicht zu erzeugen, sie können andere mitreißen; sie werden als Vorbilder wahrgenommen und vermitteln bei ihren Mitarbeitern ein Gefühl des Stolzes und der Wertschätzung. [2]

Der Unterschied zur charismatischen Führung besteht in der Operationalisierung (siehe nachfolgenden Abschnitt) und im Kontext beider Begriffe. Transformationale Führung untersucht primär das (beobachtbare und messbare) Verhalten, während charismatische Führung im Sinne von Max Weber in erster Linie auf die schwer erklärbare, heldenhafte Persönlichkeitsstruktur, den Herrschaftsanspruch und die Einmaligkeit des charismatischen Führers abhebt. [3]

Inhalt und Operationalisierung

Das Besondere am Modell der Transformationalen Führung ist die Tatsache, dass die Autoren, Bernard Bass und Bruce Avolio, mit dem Multifactor Leadership Questionnaire [4] ein Instrument zur Validierung bzw. empirischen Überprüfung des Modells geschaffen haben. Seit der ersten Publikation im Jahr 1995 sind schätzungsweise 40 Validierungsstudien erschienen. Die meisten konnten einen positiven Zusammenhang zwischen Transformationalem Führungsverhalten und Führungserfolg nachweisen. Dabei wurde der Führungserfolg auf äußerst unterschiedliche Weise operationalisiert – vom Umsatzwachstum über Rentabilität oder Teameffektivität und Veränderungsmanagement (Change Management) bis hin zur Mitarbeiterzufriedenheit oder Innovationsrate. Einige Beispiele findet man unter der nachfolgenden Fußnote.[5] Die nebenstehende Abbildung soll einen zusammenfassenden Überblick über das Thema geben.

Abbildung: Transformationale Führung im Überblick

Die Transaktionale Führung, auf der die Transformationale Führung aufbaut, lässt sich unter anderem durch folgende Verhaltensbeschreibungen operationalisieren: [6]

  • Klärung der Erwartungen an die Mitarbeiter und Anerkennung bei korrekter Erledigung der Aufgaben.
  • Durchführung korrigierender Maßnahmen zur Sicherstellung der Zielerreichung.
  • Unterstützung von Mitarbeitern, wenn sie sich anstrengen
  • Klare Abgrenzung von Zuständigkeiten und Verantwortung.

Mit anderen Worten: Transaktionale Führung beruht auf dem Prinzip von „Leistung“ und „Gegenleistung“. Dazu kann man auch weniger aktives Verhalten der Führungskraft zählen, wie es im Falle von Management by Exception praktiziert wird - der Vorgesetzte also nur im Ausnahmefall eingreift (wenn Dinge schieflaufen). [7] Transformationale Führungskräfte müssen wesentlich mehr tun, als nur Ziele vereinbaren und für transaktionalen Austausch zu sorgen. Sie müssen bestimmte Kompetenzen entwickeln um überlegene Ergebnisse zu erzielen. Nach Bass und Avolio ist folgendes notwendig:

  1. Idealized Influence. Die Führungskräfte werden als Vorbilder wahrgenommen. Sie werden respektiert und bewundert; sie genießen das volle Vertrauen ihrer Mitarbeiter; man kann sich auf sie verlassen, und sie werden hohen moralischen Ansprüchen gerecht. All das müssen sie sich zunächst erarbeiten.
  2. Inspirational Motivation. Transformationale Führungskräfte motivieren und inspirieren, indem sie ihre Mitarbeiter durch anspruchsvolle Ziele herausfordern, Sinn und Zuversicht vermitteln und für Teamgeist sorgen.
  3. Intellectual Stimulation. Transformationale Manager regen die kreativen und innovativen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter an und ermuntern sie zu eigenständigem Problemlösen und zum kritischen Hinterfragen von Gewohnheiten.
  4. Individual Consideration. Transformationale Führungspersonen betätigen sich als Mentor oder Coach und gehen auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein. Sie können gut zuhören und entwickeln gezielt die Fähigkeiten und Stärken ihrer Mitarbeiter.

Die Entwicklung dieser Führungskompetenzen ist eine wichtige Herausforderung für die Personal- und Führungskräfteentwicklung.

Praxis

Zur Anwendung in der Praxis und zu den Erfahrungen bei der Anwendung dieses Konzeptes in Unternehmen existieren nur wenige Fachpublikationen, obwohl man bei Eingabe des Begriffs „Transformational Leadership“ in eine der Suchmaschinen im Internet über 250.000 Treffer bekommt. Ein Anwendungsbeispiel findet man bei Konakanchi Prashanth[8] vom Center for Management Research des ICFAI. Der Autor hat die Erfahrungen bei FedEx untersucht. Dort wird das Konzept in der Führungskräfteentwicklung in Verbindung mit einem 360-Grad-Feedback mit großem Erfolg, so der Autor, eingesetzt. Ein anders Beispiel ist das INSEAD ebenfalls im Rahmen der Führungskräfteentwicklung. [9] Eine Deutsche Version mit einem Test zur Selbsteinschätzung hat das Steinbeis-Institut für Management-Innovation entwickelt.

Kritik

Obwohl das Modell der Transformationalen Führung nach dem Stand der Forschung zahlreichen anderen Ansätzen, wie zum Beispiel der (nicht validen) Theorie des Situativen Führens weit überlegen ist, besteht in einigen Punkten Verbesserungsbedarf. Beispiele für Kritik sind (1) die zu starke Fokussierung auf das persönliche Verhältnis von Führungskraft und Geführtem, (2) die unzureichende Erklärung der Funktionsweise und des Einflusses von Teams, (3) die Vernachlässigung aufgabenorientierter Fähigkeiten wie zum Beispiel effektive Planung, Zielsetzung, Problemlösung oder Delegation. Außerdem kann dieses Modell (4) nur unzureichend die Bedeutung externer Rollen der Führungskraft erklären; dazu gehören Führungskompetenzen wie zum Beispiel die Identifikation von Chancen und Risiken, der Aufbau von Beziehungen oder das Verhandlungsgeschick.[10] Diesen Kritikpunkten steht eine große Anzahl empirischer Studien gegenüber, die die Validität und den praktischen Nutzen dieses Modells bestätigen. Diese Ergebnisse seien, so Stephen Robbins, „overwhelmingly impressive“.[11] Beispiele sind folgende (empirisch bestätigte) Erkenntnisse: Transformationales Führungsverhalten führt (gegenüber der traditionellen Transaktionalen Führung) zu (1) besseren wirtschaftlichen Erfolgen, (2) mehr Leistungsbereitschaft, (3) besseren persönlichen Beziehungen, (4) geringeren Fluktuationsraten, (5) einer größeren Mitarbeiterzufriedenheit, (6) mehr Kreativität und (7) einer höheren Rate der Umsetzung von Zielen.[12] Trotz dieser Erkenntnisse ist es zurzeit unklar, inwiefern die weitere Forschung die genannten Nachteile dieses Modells beheben wird, oder ob sich der in der Praxis beobachtbare Trend durchsetzt, den Schwerpunkt auf ausgewählte firmenspezifische Führungskompetenzen zu legen.[13]

Quellennachweise

  1. Burns, J. M., Leadership, New York 1978
  2. Avolio, B. J. and Bass, B. M., Multifactor Leadership Questionnaire, Manual, Third Edition, Lincoln, 2004, S. 3 ff.
  3. Staehle, Management, 7. Auflage, München 1994, S. 315
  4. Avolio, B. J. and Bass, B. M., Multifactor Leadership Questionnaire, Manual, Third Edition, Lincoln, 2004
  5. Heinitz, K., and Rowold, J., Transformational and charismatic leadership: Assessing the convergent, divergent and criterion validity of the MLQ and the CKS, in: The Leadership Quarterly, Vol. 18 (2007); Kearny, E., Age differences between leader and followers as a moderator of the relationship between transformational leadership and team performance, in: Journal of Occupational and Organizational Psychology, Vol. 81 (2008); Garcia-Morales; V., et. al., The Effects of Transformational Leadership on Organizational Performance Through Knowledge and Innovation, in: British Journal of Management, Vol. 19 (2008)
  6. Bass, B. M. and Avolio, B., Improving Organizational Effectiveness Through Transformational Leadership, Thousand Oaks et. al., 1994, S. 4
  7. Bass, B. M. and Avolio, B., Improving Organizational Effectiveness Through Transformational Leadership, Thousand Oaks et. al., 1994, S. 3
  8. Prashanth, K., Human Resource Management: Best Practices at FedEx Corporation, Hyderabad, 2003
  9. Kets de Vries, M., Sustainable Effectiveness of a Transformational Leadership Development Program: An Exploratory Study, Fontainbleau, 2008
  10. Yukl, G., Leadership in Organizations, 6th Edition, Upper Saddle River/New Jersey, 2006, ISBN 0-13-149484-8
  11. Robbins, S., Fundamentals of Management, 7th ed., Pearson Inc.: New Jersea, 2011, S. 331
  12. ebenda
  13. Smart, B. D., Top Grading, How Leading Companies Win by Hiring, Coaching, and Keeping the Best People, New York 2005, ISBN 1-59184-081-3

Literatur

  • Avolio, B. J. and Bass, B. M., Multifactor Leadership Questionnaire, Manual, Third Edition, Lincoln, 2004
  • Bass, B. M. and Avolio, B., Improving Organizational Effectiveness Through Transformational Leadership, Thousand Oaks et. al., 1994
  • Burns, J. M., Leadership, New York 1978
  • Garcia-Morales; V., et. al., The Effects of Transformational Leadership on Organizational Performance Through Knowledge and Innovation, in: British Journal of Management, Vol. 19 (2008)
  • Heinitz, K., and Rowold, J., Transformational and charismatic leadership: Assessing the convergent, divergent and criterion validity of the MLQ and the CKS, in: The Leadership Quarterly, Vol. 18 (2007)
  • Kearny, E., Age differences between leader and followers as a moderator of the relationship between transformational leadership and team performance, in: Journal of Occupational and Organizational Psychology, Vol. 81 (2008)
  • Kets de Vries, M., Sustainable Effectiveness of a Transformational Leadership Development Program: An Exploratory Study, Fontainbleau, 2008
  • Prashanth, K., Human Resource Management: Best Practices at FedEx Corporation, Hyderabad, 2003
  • Staehle, Management, 7. Auflage, München 1994

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Führung (Sozialwissenschaften) — Der Begriff Führung (Verb: führen) hat die neuhochdeutsche Bedeutung von „leiten“, „die Richtung bestimmen“ oder „in Bewegung setzen“ und kommt in zahlreichen Wissenschaften vor.[1] In den Sozialwissenschaften bezeichnet dieser Begriff planende,… …   Deutsch Wikipedia

  • Transaktionale Führung — Der Begriff Transaktionale Führung bezeichnet einen Führungsstil, der auf einem Austauschverhältnis wie zum Beispiel einer Zielvereinbarung zwischen einer Führungskraft und ihrem Mitarbeiter beruht, die gleichzeitig verdeutlicht, welche Vorteile… …   Deutsch Wikipedia

  • Menschenführung — umfasst in der Psychologie alle Maßnahmen von Vorgesetzten, welche auf die Kooperation, Koordination, und Kommunikation aller Angehörigen einer Organisation einwirken[1]. In der humanen Ethik ist sie der begründete Versuch, durch eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Charismatik — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung. Der Ausdruck Charisma ([ˈçarɪsma oder çaˈrɪsma], von griech.… …   Deutsch Wikipedia

  • Charismatisch — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung. Der Ausdruck Charisma ([ˈçarɪsma oder çaˈrɪsma], von griech.… …   Deutsch Wikipedia

  • Charismen — Dieser Artikel oder Abschnitt bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Hilf mit, ihn zu verbessern, und entferne anschließend diese Markierung. Der Ausdruck Charisma ([ˈçarɪsma oder çaˈrɪsma], von griech.… …   Deutsch Wikipedia

  • Führungspsychologie — Die Führungspsychologie ist ein eigenständiges und traditionsreiches Teilgebiet der Wirtschaftspsychologie und beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen im Rahmen der Beeinflussung durch Führungskräfte. Ihre theoretische… …   Deutsch Wikipedia

  • Führungsstil — Der Begriff Führungsstil bezeichnet ein langfristiges, relativ stabiles, von der Situation unabhängiges Verhaltensmuster der Führungsperson, das zugleich die Grundeinstellung gegenüber den Mitarbeitern zum Ausdruck bringt.[1] Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Charismatiker — Das Wort Charismatiker wird abgeleitet von Charisma, griechisch χάρισμα (deutsch: Gnadengabe), und hat seinen Ursprung in der christlichen Pneumatologie. Der Begriff wird in verschiedenen Zusammenhängen mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet …   Deutsch Wikipedia

  • Veränderungsmanagement — Unter Veränderungsmanagement [ ˌmænædʒmənt] (englisch change management) lassen sich alle Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten zusammenfassen, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weit reichende Veränderung – zur Umsetzung von …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”