Otto Franzius

Otto Franzius

Otto Franzius (* 30. Mai 1877 in Bremen; † 29. März 1936 in Hannover) war ein deutscher Bauingenieur für Wasserbau und 1933 bis 1934 Rektor der Technischen Hochschule Hannover.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Otto Franzius war ein Neffe von Ludwig Franzius.[1] Er studierte an der TH Berlin, München und Dresden unter anderem bei Hubert Engels, der wiederum früher für seinen Onkel gearbeitet hatte. Für seinen Entwurf einer Schwebefähre über den Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttel erhielt er 1903 den Schinkelpreis. 1904 wurde er preußischer Regierungsbaumeister des Wasserbaufaches bei der Wasserbau-Inspektion Rathenow. Anfang 1906 wechselte er zur Kaiserlichen Werft Kiel, wo er 1907 zum Marinehafenbaumeister ernannt wurde.

Ab 1909 arbeitete er als Assistent an der TH Berlin. Vom 1. April 1913 war er Staatsbaurat in seiner Geburtsstadt Bremen, bis er zum 1. November des Jahres einen Ruf als Professor für Wasserbau an die TH Hannover erhielt, deren Rektor er 1933 bis 1934[2] auch war. Die politische Haltung, mit der Franzius das Rektorart führte und sich dem neuen System zuwandte, wird in zwei Briefen deutlich. Otto Franzius, schrieb an Max Neunzert, einen bayerischen Bekannten aus seiner Zeit in China (1929): „Auch ihm sei, so seine verständnisvollen Briefe, die Entwicklung in der NSDAP sehr schmerzlich. „Das fühlt jeder“, schrieb er, „der sich nicht zum Fanatiker hat machen lassen, dass die Partei durch das Eindringen vieler Konjunkturpolitiker auf eine schiefe Bahn gekommen ist.“ Besonders Goebbels geriet in das Visier des Professors; nach dem Motto „der Zweck heilige die Mittel“ würden rücksichtslos alte Prinzipien über Bord geworfen. Allein der negativen Wertung der Person Hitlers wollte sich Franzius nicht anschließen. Obgleich kein Parteimitglied, glaubte er an das Gute im Nationalsozialismus und an die ernsthaften Absichten Hitlers. Franzius verstand sich jedoch als Wissenschaftler und wollte nicht in die Parteipolitik hineingezogen werden.“[3]

1935 äußerte er sich gegenüber Karl von Terzaghi, der ihn zu Weihnachten besuchte, erheblich negativer zu Hitler und hielt aufgrund der Aufrüstungspolitik einen Krieg mit der Sowjetunion für unvermeidlich.[4] Das Gespräch war mit ein Grund dafür, dass Terzaghi ein Angebot von Fritz Todt für eine Professur in Deutschland ausschlug.

Durch eine technische Lösung prägte Otto Franzius bis heute das Stadtbild von Hannover: Im September 1925 beauftragte der neu gewählte Oberbürgermeister Arthur Menge Franzius, gemeinsam mit dem Stadtbauamt ein Projekt über den Bau eines Maschsees auszuarbeiten - eine Projektidee, die bereits kurz nach der Jahrhundertwende aufkam. Franzius zeichnete für den wasserbaulichen und wasserwirtschaftlichen Teil verantwortlich, das Stadtbauamt unter der Leitung von Karl Elkart für den städtebaulichen. Im Januar 1926 bewilligte der Magistrat der Stadt 14.000 Mark, um Dichtungsversuche zu unternehmen. Diese waren notwendig, weil das Projekt erstmalig den Gedanken aufbrachte, den See nicht in die Masch einzugraben und von der durchfließenden Leine zu speisen. Vielmehr sollte der Maschsee schüsselartig auf die Masch und damit über den Pegel der Leine gebaut und durch ein Pumpwerk gespeist werden. Dadurch wurde auch das Problem einer drohenden Verschlammung des Sees durch im Flusswasser mitgeführte Schwebstoffe gelöst.[5] Damit schuf Otto Franzius letztlich den Entwurf, der sich als tragfähig und finanzierbar erwies,[6] auch wenn der erste Spatenstich erst am 21. März 1934 erfolgte und der See am 21. Mai 1936 eingeweiht wurde.

1930 reiste er auf Empfehlung seines früheren Lehrers Hubert Engels für sieben Monate nach China und setzte dessen Forschungen zu hydraulischen Modellen für den Gelben Fluss, den Huai He und den Kaiserkanal fort.[7]

1933 wurde er Gründungspräsident des Rotary-Clubs Hannover.

Franzius war Mitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft für Bodenmechanik (Degebo).

Auszeichnungen

  • 1931: Ehrendoktorwürde der Ingenieurswissenschaften des Fachbereichs Bauingenieurswesen der TU Braunschweig[8]
  • 1903: Schinkelpreis in der Kategorie Wasserbau für den Entwurf zu einer Schwebefähre über den Kaiser-Wilhelm-Kanal[9]
  • Benennung des Franziuswegs in Hannover-Nordstadt nahe der Universität
  • 2008: Benennung der Otto-Franzius-Straße in Hildesheim für seinen Vorschlag von 1918, die Trasse des Mittellandkanals so zu führen, dass Hildesheim durch einen Stichkanal angeschlossen werden konnte.[10]

Schriften (Auswahl)

  • Entwurf für eine Schiffbarmachung der Leine von Hannover bis Northeim: Im Auftrag des Vereins für die Leineschiffahrt, Göhmann, Hannover, 1919.
  • mit Hermann Proetel: Der wasserwirtschaftliche Ausbau der Rur (Roer) in der Nord-Eifel, Hamel, Düren-Rheinland, 1927.
  • Der Grundbau. Unter Benützung einer ersten Bearbeitung von O. Richter, Springer, Berlin, 1927.
  • mit Wilhelm Buchholz und Karl Heinze: Die Wasserwege Niedersachsens, Hannover, 1930.
  • Der Huangho und seine Regelung, Teil 1, in: Die Bautechnik 9 (12. Juni 1931), Heft 26, S. 397-404.
  • Der Huangho und seine Regelung, Teil 2, in: Die Bautechnik 9 (10. Juli 1931), Heft 30, S. 450-455.
  • Die Regelung des Hwai Ho, des Kaiserkanals usw., in: Die Bautechnik 11 (19. September 1933), Heft 40, S. 568-578.
  • Die Rückkehr zur Landeskultur, Sonderabdruck aus der Monatsschrift Volk und Reich, 1933, Heft 8, S. 690-699.
  • Gutachten über die Peiner Kastenspundwand, Ilseder Hütte, Abt. Peiner Walzwerk, 1933.
  • Nationalsozialismus, eine Weltanschauung?, in: Hannoversche Hochschulblätter (März 1934) Nr. 6, S. 77-78.
  • Der Verkehrswasserbau: Ein Wasserbau-Handbuch für Studium und Praxis, Springer, Berlin, 1927, in englischer Übersetzung Waterway Engineering, Cambridge, 1936.

Literatur

  • Paul Trommsdorff: Der Lehrkörper der Technischen Hochschule Hannover, 1831–1931. Bibliothek der Technischen Hochschule, Hannover 1931, S. 77.
  • Alfred Steck: Nachruf auf Professor Otto Franzius. In: Bautechnik. Jg. 14, Heft 19, Mai 1936, ISSN 0005-6820, S. 263–264.
  • Eduard Hünerberg: Nachgelassene Sammlung Prof. Otto Franzius, Hannover. Eine beachtliche Ostasien-Sammlung. Kunstauktionshaus Hünerberg, Braunschweig 1963 (Auktionskatalog).
  • Helmut Weihsmann: Bauen unterm Hakenkreuz. Architektur des Untergangs. Promedia, Wien 1998, ISBN 3-85371-113-8, S. 507.
  • Dirk Böttcher u. a.: Hannoversches biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 120.
  • Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Synchron – Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2004, ISBN 3-935025-68-8 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 6).
  • Susanne Kuss: Der Völkerbund und China. Technische Kooperation und deutsche Berater 1928–34. LIT, Münster u. a. 2005, ISBN 3-8258-8391-4 (Berliner China-Studien 45), (Zugleich: Freiburg, Univ., Diss., 1998).

Franzius-Institut für Wasserbau und Küsteningenieurswesen

Otto Franzius errichtete 1914 das Institut für Grund- und Wasserbau am Lehrstuhl gleichen Namens. Mit dem Einzug in die heute denkmalgeschützten Neubauten nach Plänen von Franz Erich Kassbaum wurde das Institut 1927 in Hannoversche Versuchsanstalt für Grund- und Wasserbau umbenannt. Seit 1936 trägt es die zusätzliche Bezeichnung "Franzius-Institut", seit 1972 heißt es "Franzius-Institut für Wasserbau und Küsteningenieurwesen". Lehrstuhlinhaber war unter anderen Walter Hensen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Walter Sbrzesny: Franzius, Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, S. 377.
  2. Rektoratsreden im 19. und 20. Jahrhundert – Online-Bibliographie: Otto Franzius, abgerufen am 3. März 2010
  3. Zitiert aus den Briefen vom 3. Dezember 1932 und 30. Dezember 1932 von Franzius an Neunzert aus dessen Nachlass nach Carlos Collado Seidel: In geheimer Mission für Hitler und die Bayerische Staatsregierung: Der politische Abenteurer Max Neunzert zwischen Fememorden, Hitler-Putsch und Berlin-Krise, in: Karl Dietrich Bracher, Hans-Peter Schwarz, Horst Möller (Hrsg.): Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 50. Jahrgang 2002, Nr. 2/April, ISSN 0042-5702, S. 219
  4. Richard Goodman: Karl Terzaghi: The engineer as an artist, ASCE 1999, S.154. Goodman wertete Terzaghis Tagebücher aus.
  5. Städtisches Presseamt Hannover (Hrsg.): Hannovers Maschsee. Zu seiner Eröffnung am 21. Mai 1936, Hannover 1936, S. 19
  6. Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.): Der Maschsee, S. 7
  7. Iwo Amelung: Der Gelbe Fluß in Deutschland. Chinesisch-deutsche Beziehungen auf dem Gebiet des Wasserbaus in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, in: Seminar für Sprache und Kultur Chinas der Universität Hamburg (Hrsg.): Oriens extremus: Zeitschrift für Sprache, Kunst und Kultur der Länder des Fernen Ostens, Bd. 38, Harrasowitz, Wiesbaden 1995, ISSN 0030-5197, S. 164 f.
  8. Ehrendoktoren 1900–1986 alphabetisch, abgerufen am 3. März 2010
  9. 150 Jahre Schinkel-Wettbewerb – Preisgekrönte Ideen und Projekte. Wettbewerbssieger 1852–2006, abgerufen am 3. März 2010
  10. [linktree=6&content[request-objectID]=4515&content[request-template]=aktuelles-view Drei neue Straßen im Gewerbegebiet Münchewiese], Pressemeldung vom 19. Dezember 2008, abgerufen am 3. März 2010

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Franzius — ist der Name folgender Personen: Folkmar Franzius (1827–1899), Jurist und Mitglied des Deutschen Reichstags Ludwig Franzius (1832–1903), deutscher Wasserbauingenieur und Baudirektor für Weserkorrektion Franz Franzius, See und Hafenbauer (Sohn von …   Deutsch Wikipedia

  • Otto Blum — (* 1. September 1876 in Neunkirchen (Saar); † 26. Oktober 1944 in Hannover; vollständiger Name: Otto Leonhard Blum) war ein deutscher Bauingenieur und Hochschullehrer. Als Professor für Eisenbahnwesen an der Technischen Hochschule Hannover war er …   Deutsch Wikipedia

  • Otto Flachsbart — Otto Heinrich Flachsbart, (* 26. Februar 1898 in Paderborn; † 23. September 1957 in Hannover) war ein deutscher Maschinenbauer und als Professor für Maschinenbau von 1947 bis 1950 Rektor der Technischen Hochschule Hannover. Flachsbart gilt als… …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Franzius — Denkmal von …   Deutsch Wikipedia

  • Leuchtturm Norderney — Großer Norderneyer Leuchtturm Ort: Norderney …   Deutsch Wikipedia

  • Walter Hensen — (* 15. August 1901; † 3. September 1973) war ein deutscher Bauingenieur für Wasserbau und 1952 bis 1954 Rektor der Technischen Hochschule Hannover. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Auszeichnungen 3 Schrif …   Deutsch Wikipedia

  • Liste bedeutender Ingenieure — Siehe auch: Liste von Erfindern, Liste der Biographien, Kategorie:Ingenieur, Erfinder, Konstrukteur, Liste Persönlichkeiten der Elektrotechnik Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W …   Deutsch Wikipedia

  • Maschsee — Geographische Lage Hannover Städte am Ufer Hannover D …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Gesellschaft für Bodenmechanik — Die Deutsche Gesellschaft für Bodenmechanik (Degebo) wurde am 7. Dezember 1928 zur Koordinierung der deutschen Forschung in der Geotechnik von Vertretern staatlicher Stellen (Reichsverkehrsministerium mit deren Abteilung Wasserstraßen, Reichsbahn …   Deutsch Wikipedia

  • Hubert Engels — Hubert Heinrich Engels (* 25. Januar 1854 in Mülheim an der Ruhr; † 30. Oktober 1945 in Jena) war ein deutscher Wasserbauingenieur und Hochschullehrer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ehrungen 3 Werke …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”