Joachim Karsch

Joachim Karsch
Ehrengrab, Thuner Platz 2-4, in Berlin-Lichterfelde

Joachim Karsch (* 20. Juni 1897 in Breslau; † 11. Februar 1945 Groß Gandern) war ein deutscher Bildhauer und Graphiker. Sein ausdrucksbetontes, zur Klassischen Moderne gehörendes Werk kann zum Postexpressionismus gerechnet werden. Es weist starke Einflüsse des Schaffens von Gerhard Marcks auf.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Joachim Karsch wuchs als Vollwaise unter schwierigen Bedingungen auf. Von 1911 bis 1914 besuchte er die Breslauer Kunstgewerbeschule und wechselte 1915 an die Königliche Akademie der Künste in Berlin. Zu seinen dortigen Lehrern zählte Peter Breuer. 1917 erfuhr Karschs Schaffen eine erste Anerkennung: er erhielt den Preis der Karl-Haase-Stiftung für die Plastik »Stehende Frau«. Im gleichen Jahr brach er auch sein Studium ab.

Aufgrund einer Behinderung wurde Karsch ausgemustert und anstelle eines Fronteinsatzes während des Ersten Weltkriegs nach Abbruch seines Studiums von 1917 bis 1918 zum Arbeitsdienst auf einem schlesischen Gut herangezogen. In dieser Zeit entstanden viele Zeichnungen und einige Plastiken.

Für seine bei der Berliner Akademieausstellung gezeigte Figurengruppe »Hiob und seine Freunde« erhielt Karsch 1920 den Staatspreis für Bildhauerei. Ein damit verbundenes Stipendium für einen sechsmonatigen Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom nahm er zunächst nicht wahr. Trotz öffentlicher Anerkennung und einer Verkaufsausstellung bei Hans Goltz in München war Karsch dennoch gezwungen, als Hilfskraft bei Schering und AEG seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Im August 1924 heiratete er Meta Correns, eine Tochter des 1923 verstorbenen Berliner Industriellen Friedrich Christian Correns. Ende 1924 zog er mit seiner Frau ins schlesische Oberhannsdorf um. Dort schaffte Karsch 41 − zum Teil lebensgroße − Plastiken, viele Zeichnungen und Radierungen. 1925 wurde der gemeinsame Sohn Florian geboren.

Nach Abschluss eines Vertrags mit der Galerie Nierendorf zog Karsch 1928 wieder nach Berlin zurück. Bald darauf trennten sich Meta und Joachim Karsch und wurden im Sommer 1929 geschieden. Meta heiratete später den Kunsthändler Josef Nierendorf.[2] In den frühen 1930er Jahren hatte Karsch eine künstlerische und finanzielle Erfolgsperiode. In dieser Zeit reiste er u.a. nach Südfrankreich und nahm 1932 auch sein Villa-Massimo-Stipendium in Rom wahr. Hier lernte er auch Arno Breker kennen, der zur gleichen Zeit in der Villa Massimo arbeitete. 1933 heiratete Karsch Liesbeth Wiemer.

Im Sommer 1935 lernte Karsch bei einem Ostseeaufenthalt Gerhard Marcks kennen. Es kam zu gegenseitigen Atelierbesuchen und zum Austausch von Zeichnungen. 1937 wurde die im Essener Folkwang-Museum ausgestellte Plastik »Lesendes Paar« als entartet eingestuft und beschlagnahmt. Auch andere Werke wurden aus Museen und Galerien entfernt. Darüber hinaus schwanden Karschs Ausstellungsmöglichkeiten in den Folgejahren.

Ein größerer Auftrag für eine Friedhofskapelle in Gdingen brachte Karsch ab 1942 wieder größere wirtschaftliche Unabhängigkeit und ermöglichte es ihm, nach Groß Gandern in der Nähe von Frankfurt (Oder) umzuziehen. 1943 wurde sein Atelier in der Berliner Motzstraße mit den dort befindlichen Plastiken, Modellen und Zeichnungen während eines Bombenangriffs zerstört. Weitere sieben Plastiken, die beim Verein Berliner Künstler untergebracht waren, wurden ebenfalls durch Bomben vernichtet.

Anfang Februar 1945 besetzte die sowjetische Armee Groß Gandern. Die Soldaten zerstörten Karschs Werk. Der angeordneten Verschleppung nach Osten entzogen sich Karsch und seine Frau Liesbeth durch den Freitod in der Nacht vom 10. zum 11. Februar 1945. Zurückkehrende Nachbarn fanden die Leichen und beerdigten sie notdürftig. Heute erinnert ein Ehrengrab Karsch/Nierendorf auf dem Parkfriedhof Berlin-Lichterfelde (Familiengrab Correns und von Diebitsch) an den Bildhauer und seine Frau.

Nachwirken

Bereits 1948 erschienen die Briefe Karschs aus den Jahren 1933 bis 1945 postum. Sie zeigten, dass es ihm gelungen war, sich seine innere und künstlerische Freiheit während des Dritten Reichs zu bewahren.[3] 1953 fand eine erste Wanderausstellung von Karschs Arbeiten statt; weitere folgten.

Florian Karsch, der Sohn aus erster Ehe und heutige Inhaber der Galerie Nierendorf, trug nach und nach die verbliebenen Bruchstücke des Werks von Joachim Karsch zusammen. Von den ca. 350 plastischen Arbeiten wurden nur 100 wieder aufgefunden. Von den vermutlich mehr als 3.000 Zeichnungen sind wahrscheinlich nur knapp 500 erhalten geblieben. Die Werke befinden sich heute vor allem in der Sammlung Karsch-Nierendorf und in Museen in Heilbronn und Regensburg.[2]

Auszeichnungen und Preise

  • 1917: Preis der Karl-Haase-Stiftung für die Plastik »Stehende Frau«
  • 1920: Preußischer Staatspreis für die Figurengruppe »Hiob und seine Freunde« verbunden mit einem Stipendium an der Villa Massimo
  • 1932: Bronzemedaille bei den olympischen Kunstwettbewerben im Rahmen der Sommerspiele in Los Angeles in der Disziplin Graphik für die Zeichnung »Der Staffelläufer«
  • 1934: Erster Preis beim "Folkwang-Wettbewerb" für die Holzplastik »Lesendes Paar«

Ausstellungen (Auswahl)

Literatur

  • Edouard Roditi: Joachim Karsch. Aus dem Englischen von Hilla Eser. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1967, ISBN 3-7861-4013-8
  • Florian Karsch. Joachim Karsch. Werkverzeichnis der Plastiken. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2006, ISBN 978-3-89739-490-2
  • Florian Karsch: Joachim Karsch. Werkverzeichnis der Graphiken. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2006, ISBN 978-3-89739-540-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. E. M. Benson: Modern German Sculpture. A Discussion of Contemporary Trends. In: Parnassus. Bd. 5, Nr. 3, 1933, ISSN 1543-6314, S. 7-11.
  2. a b Anja Walter-Ris: Die Geschichte der Galerie Nierendorf. Kunstleidenschaft im Dienst der Moderne. Berlin, New York 1920-1995. Inaugural-Dissertation, Freie Universität, Berlin 2003, S. 175, 329.
  3. Kristina Hoge: Selbstbildnisse im Angesicht der Bedrohung durch den Nationalsozialismus Reaktionen diffamierter Künstler auf die nationalsozialistische Kulturpolitik. (PDF). Inaugural-Dissertation, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg 2005, S. 238-43.

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