Hessen (Osterwieck)

Hessen (Osterwieck)

Hessen ist seit dem 1. Januar 2010 ein Ortsteil der Stadt Osterwieck (Sachsen-Anhalt).[1] Zuvor war Hessen ab dem 11. September 2003 ein Ortsteil der Gemeinde Aue-Fallstein[2], die mit Osterwieck fusionierte. Der Ort liegt 20 Kilometer südöstlich von Wolfenbüttel, an der B 79 nach Halberstadt

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Schloss Hessen in einem Merian-Stich um 1650

Hessen wurde, wie Schöppenstedt, sehr früh zum Marktflecken im Harzvorland. Seine zwei Jahrmärkte (An- und Verkauf von Tieren und Waren) benötigten befestigte Wege zur Sicherung des Handels. Nach den Befreiungskriegen wurden nicht nur die damals desolaten Chausseen und Dämme instand gesetzt, sondern auch zahlreiche Neubauten ausgeführt. Dazu gehörten die Straßen über den Zollberg Hessen, den Weinberg bis Klein Schöppenstedt und den Olla zwischen Schöppenstedt und Evessen.

Anhand der Weinschenke lassen sich die engen Verbindungen zwischen Hessen und dem Braunschweiger Land darstellen. Denn das Lokal, das 1395 erstmals urkundlich erwähnt wurde und damit als älteste Wirtschaft Sachsen-Anhalts gilt, gehörte einst dem braunschweigischem Herzog. Am 24. Juni jenes Jahres verpachtete der Herrscher die Weinschenke für 20 Mark "löthigen Silbers" an einen gewissen "Hinrike Angersteyne". Das Gebäude war Bestandteil eines großen Wirtschaftshofes, der sich um das herzogliche Schloss erstreckte. Die Geschichte der weitläufigen Anlage mit Ober- und Unterburg geht zurück bis auf Kaiser Otto I. (966).

Schloss Hessen war dann die Sommerresidenz der Braunschweiger Herzöge. Vor 1560 ließ Herzog Julius, noch als Prinz, das Schloss ausbauen. 1564 erblickte hier der spätere Herzog Heinrich Julius das Licht der Welt, der als gelehrtester Fürst seiner Zeit galt. Schon früh begann dieser, intensiv Bücher zu sammeln. Und vielseitig war er auch: er führte nicht nur den Protestantismus ein, sondern brachte von einer Reise aus England auch die erste Kartoffel mit. Das kulturelle Leben am Rande des Fallstein erlebte eine ungeheure Blüte. Tatsächlich blickte die zivilisierte Welt schon früh auf das kleine Hessen - und zwar mit überraschten Augen. Die Pflanzensammlung in den ausgedehnten Renaissance-Gärten Hessens stellte mit 1700 Arten selbst königliche Anlagen wie Kopenhagen und Oxford in den Schatten. Der bronzene Figurenschmuck war zeitlos schön und ist heute noch zu bewundern: Teile stehen im Herzog Anton Ulrich-Museum (Braunschweig), im Rijksmuseum (Amsterdam) und im Louvre (Paris). Die Orgel schließlich, die Esaias Compenius eigens für die Schlosskapelle baute, wird auf Schloss Frederiksborg in Dänemark noch heute bespielt. Später diente das Schloss als Witwensitz, es wurde nach einem Brand 1641 immer mehr vernachlässigt.

Die Zugehörigkeit zum Braunschweiger Land endete 1941. Nach über 600 Jahren wurden Hessen und Pabstorf gegen Hornburg und Roklum eingetauscht. Hintergrund war das "Salzgitter-Gesetz" demzufolge die dortigen Stahlwerke an die ergiebigen Brunnen rund um Hornburg kamen. Kurioserweise hatten die Kriegsgegner von diesem Tausch zwischen Braunschweig und Preußen nichts gemerkt und Hessen blieb nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Zeit lang ohne jede Besatzung. Dann allerdings folgte eine 44 Jahre währende Zugehörigkeit zur SBZ und DDR.

Mitte 1944 (erste Erwähnung Mitte Januar 1945) wurde in Hessen das Arbeitserziehungslager (AEL) Nr. 1847 als Außenlager des AEL Salzgitter-Hallendorf in der Bahnhofstraße eröffnet. Das Lager war wie das in Hallendorf der Staatspolizeistelle Braunschweig unterstellt. U.a. waren hier polnische Zwangsarbeiter untergebracht. Am 5. und 6. April 1945 wurden die Häftlinge in das "AEL" Salzgitter-Hallendorf überstellt.

1951 begannen die Behörden der DDR mit dem Abbruch des Schlosses. Der Grund, so Hessener Einwohner: es fehlte angeblich an Packmaterial für Wege und Straßen.

Die Unterburg wurde wechselnd genutzt, mal als Pagenhaus, dann als Pferdestall und wieder als Pächterwohnung. Nach der Grenzöffnung wurde der Hausmannsturm saniert, in dem heute ein Kindergarten untergebracht ist. Die Oberburg verfiel zusehends. Der Westflügel war schon 1946 abgerissen worden, der Nordflügel brach in den 1970er Jahren weg. Übrig blieben der Ostflügel, der eine Kapelle enthielt, und der Südflügel. Durch die eingefallenen Dächer prasselte Regen in die Schlossreste. Seit 1995 setzt sich der Förderverein Schloss Hessen für seinen Erhalt ein.

Das Dach des Ostflügels ist Gegenstand der "Sicherungsmaßnahme, Teil I". Der Eckpavillon ist dann Gegenstand des zweiten Bauabschnitts. Die Aussichtsplattform ist in luftiger Höhe bereits neu gegossen worden und ermöglicht den Blick auf den Renaissance-Garten, wie er auf einem alten Merian-Stich abgebildet ist. Die Wendeltreppe soll wieder auf die Aussichtsplattform führen, von der aus die Sicht zu drei Seiten offen ist - lediglich der Südflügel schränkt den Rundblick ein. Der Bahndamm wurde freigeschlagen, so dass die gesamte Anlage sichtbar wird. Zum Tag des offenen Denkmals wurde der Rasen in unterschiedlichen Höhen gemäht, so dass die Konturen von Wegen und Fächern erschienen. Der Keller des Eckpavillons soll Platz für einen Jugendraum bieten; im Erdgeschoss ist eine Heimatstube geplant und mittlerweile teilweise eingerichtet. In einem Museum können sich die Besucher in den Stockwerken darüber über die Schlossgeschichte und den Lustgarten informieren.

Auch der Südflügel ist mittlerweile mit einem Dach versehen und innenräumlich saniert worden. Hier finden Veranstaltungen und Ausstellungen statt. Auch der Schlosshof wird wieder genutzt. Beginnend mit dem Castle Rock Open Air im Jahre 1997, einer Freiluftveranstaltung mit moderner Musik zugunsten des Fördervereins, wurden weitere Veranstaltungen etabliert, wie Schlossweihnacht, Astronomietage und Tag des offenen Denkmals.

Zur Entwicklung des Postwesens in Hessen siehe: Postroute Braunschweig-Helmstedt-Magdeburg.

Söhne und Töchter der Gemeinde

Einzelnachweise

  1. StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 2010
  2. StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 2003

Weblinks


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