Flugzeugabsturz bei Gibraltar

Flugzeugabsturz bei Gibraltar
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Flugzeugabsturz bei Gibraltar
Zusammenfassung
Datum 4. Juli 1943
Typ
Ort GibraltarGibraltar Gibraltar
36° 8′ 0″ N, 5° 21′ 0″ W36.133333333333-5.35Koordinaten: 36° 8′ 0″ N, 5° 21′ 0″ W
Getötete 16 (wahrscheinlich)
Flugzeug
Flugzeugtyp Consolidated C-87
Fluggesellschaft Royal Air Force
Kennzeichen AL 523
Abflughafen Flughafen Gibraltar
Passagiere 11 (wahrscheinlich)
Besatzung 6
Überlebende 1
Matrosen des ORP „Orkan” bei der Eskortierung des Sarges von Gen. Sikorski von Plymouth nach London
Sikorski-Gedenkstätte in Gibraltar

Der Flugzeugabsturz bei Gibraltar war ein Flugunfall am 4. Juli 1943 um 23:06 Uhr Ortszeit,[1] bei dem ein britisches Militärflugzeug ein paar Minuten nach dem Start auf dem Flughafen Gibraltar über der Meerenge von Gibraltar verunglückte. Bei dem Absturz der zum Transportflugzeug umgebauten Consolidated Liberator Mk.II der Royal Air Force (RAF-Seriennr. AL523, 511 Squadron, 205 Group), aus bis heute ungeklärter Ursache, wurden wahrscheinlich 16 Insassen, darunter der Ministerpräsident der polnischen Exilregierung und Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte Władysław Sikorski, der auf der Rückreise von einer Inspektion der polnischen Truppen im Nahen Osten war, getötet. Mit Sikorski kamen auch seine Tochter Zofia Leśniowska, der polnische Generalstabschef General Tadeusz Klimecki und der britische Oberst Victor Cazalet ums Leben. Den Absturz überlebte nur der tschechische Pilot Eduard Prchal.[2]

Inhaltsverzeichnis

Todesopfer

Passagiere

  • Władysław Sikorski, Ministerpräsident der Polnischen Exilregierung und Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte
  • Victor Cazalet, Col., Fernmeldeoffizier
  • Jan Gralewski, Kurier der Polnischen Heimatarmee
  • Tadeusz Klimecki, General, Stabschef des Oberbefehlshabers der polnischen Streitkräfte
  • Adam Kułakowski, Adjutant (nicht gefunden)
  • Zofia Leśniowska, Tochter von Gen. Sikorski (nicht gefunden)
  • W. H. Lock, Zivilperson (nicht gefunden)
  • Andrzej Marecki, Oberst, Chef des III. Operativen Abteilung des Stabs des Oberbefehlshabers der polnischen Streitkräfte
  • Mr. Pinder, Zivilperson
  • Józef Ponikiewski, Leutnant, Adjutant von General Sikorski
  • J.P. Whiteley, Brig., Berater des indischen Vizekönigs

Besatzung

  • C.B. Gerrie, flight sergeant,
  • William S. Herring, squadron leader, (nicht gefunden)
  • D. Hunter, flight sergeant, (nicht gefunden)
  • F. Kelly, sergeant,
  • L. Zalsberg, warrant officer

Untersuchungen

Die britische Untersuchung konnte die genauen Umstände des Absturzes nicht klären. Wegen der beharrlichen Forderungen Generals Sikorski nach Aufklärung des Massakers von Katyn wurde ein Attentat auf ihn vermutet.[3]

Im Juli 1947 erklärte der polnische General Paskiewicz im Sejm, der Flugzeugabsturz sei ein Attentat des polnischen Generals Władysław Anders gewesen, an dem er sich trotz Aufforderung nicht beteiligt habe. Sikorski sei wegen seiner Bemühungen um einen Ausgleich mit der Sowjetunion ermordet worden. Die Attentatsthese wurde immer wieder und besonders in den 1950er Jahren, auch in den USA, thematisiert.

Im September 2008 erklärte das staatliche polnische Institut für Nationales Gedenken, es gebe den „berechtigten Verdacht einer kriminellen Todesursache“. Es ermittelte wegen des Verdachts eines „kommunistischen Verbrechens“.[4] Zu den Ermittlungen polnischer Staatsanwälte soll auch die Einsichtnahme in britische Geheimakten gehören. Die Akten, die die Ergebnisse der offiziellen Untersuchungen zu Sikorskis Tod beinhalten, bleiben allerdings bis zum Jahr 2041 unter Verschluss. Am 25. November 2008 wurde das Grab Sikorskis geöffnet. Die Staatsanwaltschaft des Instituts ließ am exhumierten Leichnam DNA-Analysen und radiologische Untersuchungen anstellen, um Aufschlüsse über die Umstände seines Todes zu erhalten. Die Untersuchungen ergaben keine Hinweise für eine Ermordung.[5] Nach der durchgeführten gerichtsmedizinischen Untersuchung seiner exhumierten Leiche starb er an den durch den Absturz verursachten inneren Verletzungen.[6][7] Angebliche Aussagen verstorbener Zeugen für einen Auftragsmord sind unbelegt.[8] Der Bericht ließ jedoch offen, ob die Notlandung des Flugzeuges nicht Ergebnis von Sabotage gewesen oder vom Piloten gezielt herbeigeführt worden sei.

Nachwirkungen

Der spätere britische Holocaustleugner David Irving behauptete in seinem Buch Accident – The Death of General Sikorski[9], Winston Churchill habe Sikorski umbringen lassen. Rolf Hochhuth griff in seinem Drama Soldaten (1967) diese Auffassung auf und stützte sie auf Mitteilungen mehrerer Zeitzeugen und auf die Überlegung, es habe auf britischer Seite ernste Befürchtungen gegeben, Stalin könne durch Sikorski womöglich „aus dem Kriege herausgeärgert [werden], in einen Separatfrieden mit Berlin“[10]. Der argentinische Schriftsteller Carlos Thompson kam nach zweijähriger Recherche in seinem Buch Die Verleumdung des Winston Churchill[11] zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe haltlos seien.

Filme

  • Churchills Verrat an Polen. Dokumentation, Deutschland, 2011, 52 Min., Regie: Christoph Weinert, Dierk Ludwig Schaaf, Produktion: Looks Film+TV, NDR, Erstausstrahlung: 1. Juli 2011 bei arte, Inhaltsangabe von arte.
  • Absturz über Gibraltar. Spielfilm, Polen, 2009, 84 Min., Regie: Anna Jadowska, Produktion: NDR, TVN, Wiertnicza, Inhaltsangabe von arte.
    Auf der Basis der Recherchen von Dariusz Baliszewski wird die Ermordung von Sikorski filmisch rekonstruiert.
  • Dead Men’s Secrets the Mysterious Death of General Sikorski. History Channel DVD, 2002, ASIN: B0007V0YCQ* Katastrofa w Gibraltarze. 1984, Regie: Bohdan Poręba
  • Niedokończona podróż. 1943, Regie: Eugeniusz Cękalski

Literatur

  • Tadeusz A. Kisielewski: Zamach. Tropem zabójców generała Sikorskiego. Poznań 2005, Wyd. Rebis, ISBN 83-7301-767-4
  • Wacław Subotkin: Tragiczny Lot Generała Sikorskiego, Fakty i Dokumenty. Krajowa Agencja Wydawnicza, Szczecin 1986, ISBN 83-03-01274-6
  • Justin Whiteley: Śmierć generała Sikorskiego. 2007, Wyd. Bellona, ISBN 978-83-1110-921-6
  • J. Bartelski: What did happen to General Sikorski? (I), in Aeroplane Monthly, September 1993, S.12ff
  • J. Bartelski: What did happen to General Sikorski? (II), in Aeroplane Monthly, Oktober 1993, S.44ff

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tadeusz Kisielewski: Zamach. Tropem zabójców generała Sikorskiego. Dom Wydawniczy Rebis, Poznań 2006, S. 169-170, ISBN 83-7301-767-4
  2. Władysław Sikorski (1881-1943). poland.gov.pl. Abgerufen am 4. November 2011.
  3. George Sanford: Katyn and the Soviet massacre of 1940: truth, justice and memory. 2005, S. 193
  4. Śledztwo w sprawie śmierci generała Władysława Sikorskiego. Instytut Pamięci Narodowej, 3. September 2008, abgerufen am 4. November 2011 (polnisch).
  5. Eintrag "Sikorski, Wladyslaw" in Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000001096 (abgerufen am 11. September 2011)
  6. IPN ujawnił jak zginął Sikorski. TVN24, 29. Januar 2009, abgerufen am 4. November 2011 (polnisch).
  7. No evidence Polish hero murdered. BBC News (29. Januar 2009). Abgerufen am 4. November 2011.
  8. Rainer Blasius: Doch ein Mord aus Staatsräson? Rolf Hochhuth soll polnischer Staatsanwältin helfen, den Tod von General Sikorski aufzuklären. FAZ, 2. September 2011
  9. David Irving: Accident – The Death of General Sikorski. 1967, ISBN 0-7183-0420-9
  10. Rolf Hochhuth: Brief an Golo Mann. ohne Datum (etwa Anfang April 1967), zitiert bei Tilmann Lahme/ Kathrin Lüssi, in: Golo Mann, Briefe 1932–1992 (Göttingen 2006), Kommentar, S. 410.
  11. Carlos Thompson: Die Verleumdung des Winston Churchill. München/Zürich, Droemer-Knaur, 1980, ISBN 3-426-03619-3

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