Cab-Forward-Lokomotive

Cab-Forward-Lokomotive
Preußische S 9 „Altona 561“
Deutsche 05 003 mit Kohlestaubfeuerung

Mit Cab-Forward-Lokomotive (englisch etwa Führerhaus vorne) werden Dampflokomotiven bezeichnet, die entgegen der üblichen Bauweise mit dem Führerstand voraus fahren.

Als Hauptvorteil dieser Bauart gilt die deutlich bessere Sicht nach vorne, weil das Sichtfeld des Lokomotivführers nicht durch den Kessel eingeschränkt wird. Der entscheidende Nachteil, der eine weitere Verbreitung dieser Bauweise verhindert hat, sind die Probleme bei der Brennstoffzufuhr.

Lässt man den Kessel in seiner üblichen Lage, also mit der Feuerbüchse am hinteren Ende, so sind Lokführer und Heizer räumlich voneinander getrennt und können sich deshalb nicht mehr gegenseitig unterstützen und nur noch über ein Sprachrohr miteinander kommunizieren. Lokomotiven dieser Bauweise waren z. B. die 2'B3'-Lokomotive des französischen Ingenieurs M. Thuile mit 2,50 m großen Treibrädern sowie die preußischen Versuchslokomotiven S 9 (2'B2', siehe Bild) und T 16 (2'C2' t).

Das Anordnen des Kessels mit der Feuerbüchse vorne, also am Führerhaus, löst dieses Problem, führt allerdings dazu, dass ein hinter der Lokomotive laufender Schlepptender mit Stückkohle nicht mehr möglich ist. Weil ein geschobener Tender aus Gründen der Laufsicherheit unerwünscht ist und außerdem seinerseits zu einer Sichtbehinderung führt, muss der Kohlenvorrat entweder auf der Lokomotive selbst untergebracht werden, was wegen des begrenzten Lichtraumprofils nur bis zu einer bestimmten Kesselgröße sinnvoll ist, oder die Feuerung muss mit einem Brennstoff erfolgen, der in Rohrleitungen vom Schlepptender zum Führerhaus gefördert werden kann. Hierfür eignen sich Kohlenstaub und Öl.

Die erfolgreichsten Cab-Forward-Lokomotiven mit Kohlenkästen auf der Lokomotive selbst waren die Fahrzeuge der Gattung Gr670 und Gr671 der Südadriatischen Eisenbahn in Italien. Sie hatten die Achsfolge 2'C, und der hinter der Lokomotive laufende Schlepptender enthielt nur den Wasservorrat. Die Maschinen waren von 1900 bis in die 1940er Jahre im Einsatz. Die Gr672 war eine Weiterentwicklung dieser Bauart mit einer Franco-Crosti-Speisewasservorwärmung im Tender.

Bei der deutschen 05 003 wurde die Lösung einer Kohlenstaubfeuerung gewählt. Doch auf dem langen Weg zwischen Tender und Feuerbüchse entmischte sich der von einem Gebläse geförderte Strom aus Luft und Kohlenstaub, so dass der Staub nur unvollständig verbrannte. Die Probleme führten schließlich dazu, dass die Lokomotive „umgedreht“ und in die konventionelle, mit Stückkohle gefeuerte Bauart umgewandelt wurde, was für den Fall des Scheiterns der Versuche von Anfang an vorgesehen war.

Die neben den italienischen Maschinen erfolgreichsten Cab-Forward-Lokomotiven, die diese Bezeichnung auch geprägt haben, waren die 244 Lokomotiven der Klassen AC-1 bis AC-8 und AC-10 bis AC-12 der Southern Pacific Railroad. Die Gelenklokomotiven mit der Achsfolge 2'D(D1') wurden mit Öl gefeuert und vermieden damit die bei der 05 003 aufgetretenen Probleme. Motivation bei der Einführung dieser Bauart waren nicht die besseren Sichtverhältnisse, sondern das Problem, dass die Besatzungen der konventionellen Lokomotiven in einigen langen Tunneln und Lawinengalerien so sehr dem Rauch der eigenen Lokomotive ausgesetzt waren, dass mit Gasmasken gefahren werden musste. Einige Lokomotivführer gingen dazu über, ihre Lokomotiven zu drehen und rückwärts durch die Tunnel zu fahren, woraus die Idee zu den „Cabforwards“ entstand.

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