Apartheid (Recht)

Apartheid (Recht)

Apartheid ist ein international definiertes Verbrechen gegen die Menschlichkeit (englisch crime of apartheid).[1] Die Definition entstand während des Kampfes gegen die juristische und faktische Diskriminierung rassisch definierter Bevölkerungsgruppen in Südafrika in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seit der Generalisierung und Kodifizierung dieses Verbrechens in mehreren Völkerrechtsverträgen wird die Definition juristisch auch auf vergleichbare Zustände außerhalb Südafrikas angewendet.

Inhaltsverzeichnis

Historische Apartheid in Südafrika

Hauptartikel: Apartheid

Der Begriff apartheid bedeutet auf Afrikaans Getrenntheit. Er gab einem Regime der Rassendiskriminierung den Namen, das formaljuristisch 1948 von der burischen Nationalen Partei Südafrikas eingeführt wurde und bis zum Ende ihrer Herrschaft im Jahre 1994 bestehen blieb. Das Apartheid-Regime beruhte auf der Einteilung der Bevölkerung in vier ethnisch definierte Gruppen: Weiße, Schwarze, Farbige und Asiaten. Auf dieser Grundlage wurden getrennte Wohnbereiche und Schulsysteme (unterschiedlicher Qualität) vorgeschrieben. Das Wahlrecht war im Wesentlichen Weißen vorbehalten. Jegliche sexuelle Kontakte (Immorality Act) und auch Eheschließungen zwischen Angehörigen verschiedener dieser ethnisch definierten Gruppen waren streng verboten. Hinzu kamen zahlreiche Formen „kleiner Apartheid“ im Alltag, wie separate Abteile in öffentlichen Verkehrsmitteln, Reservierung öffentlicher Parks und Strände für Weiße, separate Eingänge in öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Banken und Toiletten.

Anti-Apartheid-Konvention der UNO

Apartheid wurde als Verbrechen erstmals in der Internationalen Konvention über die Unterdrückung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid[2] definiert, die von der UNO-Vollversammlung am 30. November 1973 beschlossen wurde und 1976 in Kraft trat, nachdem ihr 76 Staaten beigetreten waren. Eine Reihe von Staaten sind der Konvention bis 2010 nicht beigetreten: Australien, Deutschland, Frankreich, Israel, Italien, Kanada, Neuseeland, die Niederlande, das Vereinigte Königreich sowie die Vereinigten Staaten.

In diesem völkerrechtlichen Vertrag wird das Apartheid-Verbrechen, unter ausdrücklichem Hinweis auf ähnliche Politiken und Praktiken rassischer Segregation und Diskriminierung in Südafrika wie folgt definiert: „inhumane Akte, ausgeführt mit dem Ziel, die Herrschaft einer rassischen Personengruppe über jegliche andere rassische Personengruppe herzustellen und aufrechtzuerhalten und [die Letztere] systematisch zu unterdrücken“. Diese Generalklausel wird in konkreteren Tatbeständen ausgeführt, wozu unter anderem gehören:

  • die Verweigerung des Rechts auf Leben und Freiheit durch Mord, Folter, willkürliche Festnahme, illegalen Freiheitsentzug
  • die absichtliche Herbeiführung von Lebensbedingungen, welche darauf abzielen, die physische Zerstörung solcher Gruppen herbeizuführen
  • gesetzliche und andere Maßnahmen, die darauf abzielen, die Teilnahme solcher Gruppen am politischen, sozialen und kulturellen Leben zu verhindern
  • Maßnahmen, die auf eine Trennung der Bevölkerung in rassischer Hinsicht abzielen (durch Schaffung von Reservaten und Ghettos, das Verbot von gemischten Eheschließungen und durch Enteignung von Grundbesitz)
  • Ausbeutung der Arbeit einer rassisch definierten Gruppe, insbesondere durch Zwangsarbeit
  • Verfolgung von Organisationen und Personen, weil diese sich gegen die Apartheid wenden

Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

Durch das Römische Statut über die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs wurde das Apartheid-Verbrechen der Zuständigkeit dieses Gerichtshofs unterworfen. Das Statut wurde auf einer Staatenkonferenz in Rom im Jahre 1998 angenommen und seither von 139 Staaten unterzeichnet und von 114 Staaten ratifiziert. Es ist seit dem Jahre 2002 in Kraft. Allerdings sind eine Reihe von Staaten, darunter die Vereinigten Staaten, Russland, die Volksrepublik China, Indien, Pakistan, die Türkei und Israel bisher noch nicht Vertragspartei geworden, da sie den Internationalen Strafgerichtshof aus verschiedenen Gründen ablehnen. Israel hatte zunächst unterzeichnet, dann jedoch seine Unterschrift zurückgenommen.

Das Apartheid-Verbrechen wird in Art 7 Abs. 2 h des Römischen Statuts[3] wie folgt definiert: „unmenschliche Handlungen ähnlicher Art wie die in Absatz 1 genannten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten“. Derartige Handlungen sind, unabhängig davon, wo und von wem sie begangen wurden, auch in Deutschland strafrechtlich verfolgbar. Dafür soll das Völkerstrafgesetzbuch sorgen, in dessen § 7 Abs. 1 Nr. 10 es heißt, dass sich strafbar macht, wer „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung“ eine „identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt“.

Anwendungsfälle

Durch die beiden genannten völkerrechtlichen Verträge ist der Begriff Apartheid juristisch generalisiert und in seinem Anwendungsbereich von seiner Begrenzung auf Südafrika und dem dortigen historischen Kontext gelöst werden. Der Begriff Apartheid wird seither, in eher lockerer Analogie, in Bezug auf unterschiedliche Probleme angewandt, beispielsweise den Einwanderungsbereich („soziale Apartheid“)[4] und den Gesundheitsbereich („medizinische Apartheid“).[5] Spezifischer ist die Analogie im Hinblick auf die Unterdrückung indigener Völker, etwa in China,[6] insbesondere aber auf die Situation in den Palästinensischen Autonomiegebieten. Dem Internationalen Strafgerichtshof ist bisher noch keine einschlägige Anklage vorgelegt worden.

John Dugard, der aus Südafrika stammende Sonderberichterstatter des umstrittenen UN-Menschenrechtsrats für die besetzten Gebiete in Palästina, hat in seinem Bericht für das Jahr 2007 behauptet, dass „einzelne Elemente der israelischen Okkupation Formen des Kolonialismus und der Apartheid darstellen“,[7] und dass diese Situation dem Internationalen Gerichtshof zur Prüfung vorgelegt werden sollte. Zudem hat das offizielle südafrikanische Forschungsinstitut Human Sciences Research Council im Jahre 2009 einen umfangreichen Bericht vorgelegt, in dem es heißt, dass „der Staat Israel in den besetzten Gebieten Kontrolle ausübt, mit dem Ziel der Aufrechterhaltung eines Systems der Herrschaft von Juden über Palästinenser, und dass dieses System eine Verletzung des Verbots der Apartheid darstellt.“[8] Auch Dugards Nachfolger, Richard A. Falk, behauptete, es gebe Elemente von Apartheid in den israelisch besetzten Gebieten.[9] Zugleich betont er, dass man darüber streiten kann, ob es sich bei Juden und Palästinensern um „rassische Gruppen“ im Sinne der erwähnten internationalen Bestimmungen handelt:

  • diskriminierende Staatsbürgerschafts- Aufenthalts- und Besuchsvorschriften bzw. -praktiken, welche Palästinenser im Westjordanland daran hindern, ihr Eigentum wiederzuerlangen oder die israelische Staatsbürgerschaft zu erwerben, im Gegensatz zu einem jüdischen Recht auf Rückkehr, welches es Juden in aller Welt ohne vorherige Verbindung zu Israel ermöglicht, zu Besuch zu kommen, sich aufzuhalten und die israelische Staatsbürgerschaft zu erwerben
  • diskriminierende Gesetze im Westjordanland und in Ost-Jerusalem, welche jüdische Siedler bevorzugen, indem diese den zivilen Rechtsschutz durch die israelischen Gesetze und die Verfassung genießen, während die Palästinenser unter Militärverwaltung stehen
  • diskriminierende Verfahrensweisen im Hinblick auf Grundeigentum, -besitz und -nutzung
  • weitgehende Erschwerung der Bewegungsfreiheit, einschließlich Checkpoints, wodurch Palästinensern und Siedlern unterschiedliche Beschränkungen auferlegt werden, sowie beschwerliche Genehmigungs- und Identifizierungbestimmungen, welche ausschließlich Palästinenser treffen
  • punitive Häuserzerstörungen,[10] Abschiebungen sowie Eingangs- und Ausgangsbeschränkungen in allen drei Teilen der besetzten palästinensischen Gebiete.

Israel hat derartige Vorwürfe stets bestritten, sowie die Ernennung von Falk zum Sonderberichterstatter von Anfang an bekämpft und behauptet, er könne aufgrund früherer Äußerungen weder „unabhängig, unvoreingenommen noch objektiv“ sein.[11] Nach seiner Ernennung wurde ihm die Einreise nach Israel bzw. Palästina verweigert.[12]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. International Convention on the Suppression and Punishment of the Crime of Apartheid. 18. Juli 1976. University of Minnesota, Human Rights Library, auf www1.umn.edu (englisch)
  2. United Nations Treaty Collection: Text der Konvention (englisch, Abgerufen am 20. Dezember 2010
  3. International Criminal Court: Text des Statuts (englisch), Abgerufen am 20. Dezember 2010
  4. Gustavo Marin: A World Alliance against Social Apartheid, 6. März 1995, Abgerufen am 19. Dezember 2010
  5. Harriet A. Washington: Medical Apartheid: The Dark History of Medical Experimentation on Black Americans from Colonial Times to the Present, New York 2007)
  6. Calum Macleod and Lijia Macleod: China reviews 'apartheid' for 900m peasants. In: The Independent 10. Juni 2001, Abgerufen am 20. Dezember 2010
  7. John Dugard: Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Palestinian territories occupied since 1967, Januar 2007, S.3 Abgerufen am 18. Dezember 2010
  8. Human Rights Research Council: Occupation, Colonialism, Apartheid? A re-assessment of Israel’s practices in the occupied Palestinian territories under international law. Cape Town 2009, Abgerufen am 19. Dezember 2010
  9. Richard Falk:Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Palestinian territories occupied since 1967, Report to the UN General Assembly, 30. August 2010, Abs. 5, Abgerufen am 19. Dezember 2010
  10. vgl. dazu vor allem die Publikationen des Israeli Committee Against House Destruction (ICHAD), z.B. Jeff Halper: Ein Israeli in Palästina. Israel vom Kolonialismus erlösen. Berlin 2010
  11. Israels Sonderbotschafter Itzak Levanon, Pressemitteilung der Vereinten Nationen, 26. März 2008, Abgerufen am 19. Dezember 2010
  12. Reuters Meldung vom 15. Dezember 2008, Abgerufen am 19. Dezember 2010
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