AM-Canum-Venaticorum-Stern

AM-Canum-Venaticorum-Stern

AM-Canum-Venaticorum-Sterne oder AM-CVn-Sterne sind kompakte enge Doppelsternsysteme, bestehend aus einem akkretierenden Weißen Zwerg und einem weiteren entarteten Begleiter. Die Umlaufdauer der Komponenten beträgt zwischen 5 und 65 Minuten. Der Unterschied zu den kataklysmischen veränderlichen Sternen besteht in dem Fehlen von Wasserstoff in der Atmosphäre des Begleiters und der akkretierten Materie. Diese Klasse von veränderlichen Sternen ist benannt nach dem Prototypen AM Canum Venaticorum[1].

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Künstlerische Darstellung eines AM-CVn-Systems

Die AM-Canum-Venaticorum-Sterne bestehen aus einem Weißen Zwerg in einem Doppelsternsystem mit einem Begleiter, der entweder ebenfalls ein Weißer Zwerg, ein Helium-Stern oder ein entwickelter Hauptreihenstern ist. Der Begleiter füllt sein Roche-Volumen aus und transferiert Materie an den Weißen Zwerg. Die Materie fließt entlang eines Stromes auf den Weißen Zwerg zu und bildet aufgrund der Drehimpulserhaltung eine Akkretionsscheibe um den kompakten Stern. An der Stelle, an welcher der Materiestrom auf die Akkretionsscheibe trifft, wird die Materie abgebremst; es bildet sich ein leuchtkräftiger heißer Fleck. Dies führt zu einer Modulation der Lichtkurve des AM-CVn-Systems mit der Periode der Umlaufdauer. Ein weiteres Anzeichen für die Akkretion von Materie ist das Flickering, eine geringe unregelmäßige Helligkeitsvariation im Sekundenbereich. Die akkretierte Materie verliert in der Scheibe um den Weißen Zwerg an Drehimpuls, und fällt schließlich auf diesen. Beim Aufprall wird die entstehende thermische Strahlung überwiegend im Bereich der Röntgenstrahlung abgegeben[2]. Bei ES Ceti könnte aufgrund des geringen Abstands der beiden degenerierten Sterne die Materie direkt auf den Weißen Zwerg fallen, ohne eine Akkretionsscheibe zu durchlaufen[3].

Einteilung

Die AM-Canum-Venaticorum-Sterne werden überwiegend nach der Umlaufdauer klassifiziert[4]:

  • Bei den langperiodischen Systemen mit einer Umlaufdauer von mehr als 40 Minuten findet nur ein geringer Massenaustausch statt. Die Akkretionsscheiben sind optisch dünn und im Spektrum dominieren die Emissionslinien des Heliums. Die Veränderlichkeit ist häufig nicht ausgeprägt und diese AM-CVn-Sterne sind nur schwierig zu entdecken.
  • Die kurzperiodischen Systeme mit einer Umlaufdauer von weniger als 20 Minuten sind immer in einem Zustand hohen Massentransfers mit einer optisch dicken Akkretionsscheibe. Ihr Spektrum zeigt prominent breite Absorptionslinien des Heliums. Diese AM-CVn-Sterne zeigen stets oder teilweise Superhumps. Dabei handelt es sich um eine sinusförmige Variation der Lichtkurve mit einer Periode, die einige Prozent länger als die Umlaufdauer des Doppelsternsystems ist und wahrscheinlich von einer rotierenden elliptischen Akkretionsscheibe verursacht wird.
  • Die ausbrechenden Systeme mit einer Umlaufdauer von 20 bis 40 Minuten. Sie zeigen Ausbrüche mit Amplituden zwischen 3 und 5 mag, die denen von Zwergnovae bei den kataklysmischen veränderlichen Sternen entsprechen. Auch bei ihnen können Superhumps auftreten. Die Ausbrüche dauern einen Zeitraum von wenigen Wochen an und wiederholen sich unregelmäßig im Zeitraum von Monaten.

Thermonukleare Ausbrüche

Die normalen Ausbrüche von AM-CVn-Sternen entsprechen denen von Zwergnovae. Hierbei pendelt die Akkretionsscheibe zwischen zwei stabilen Zuständen. Im aktiven Zustand erhöht sich die Viskosität der Materie, und durch die erhöhte Reibung heizt sich die Scheibe auf. Wenn sich die Akkretionsscheibe teilweise entleert hat endet der Ausbruch, und sie geht in den niedrigen Zustand über. Hierbei wird weniger Materie auf den Weißen Zwerg transferiert als in die Akkretionsscheibe hineinfließt, was nach einiger Zeit zu einem erneuten Ausbruch führt[5].

Daneben könnte es bei AM-Canum-Venaticorum-Sternen auch das Äquivalent zu klassischen Novae geben. Während es bei Novae zu einem explosiven Wasserstoffbrennen kommt, ergibt sich bei den AM-CVn-Systemen ein instabiles Heliumbrennen auf der Oberfläche des Weißen Zwerges. Diese Art von Ausbrüchen wird bei den kurzperiodischen AM-CVn-Systemen erwartet. Bei geringen Massentransferraten von dem Begleiter zum Weißen Zwerg könnte es sogar zu einem instabilen Helium-Blitz mit einer beteiligten Masse von bis zu 0,1 Sonnenmassen kommen. Durch den hohen Druck des Heliums nahe der Oberfläche des Weißen Zwerges können die thermonuklearen Reaktionen schwere Elemente bis zu 56Ni produzieren. Diese radioaktiven Isotope sind auch die Energiequelle für das Nachleuchten von Supernovae, und ein entsprechender Heliumblitz würde als eine lichtschwache Supernova vom Typ Ia wahrgenommen, die nur ein Zehntel der Maximalhelligkeit ihrer Klasse erreicht. Auf Archivaufnahmen des Röntgensatelliten Chandra vor dem Ausbruch der Supernova 2007on in NGC 1404 konnte eine schwache Röntgenquelle gefunden, deren Spektrum dem eines AM-CVn-Sterns ähnelt[6].

Entwicklung

Es sind drei Entwicklungskanäle für die Entstehung der AM-CVn-Systeme bekannt, um zwei entartete Sterne in einen engen Orbit zu bekommen[7]:

  • Im sogenannten Weißen-Zwerg-Kanal entsteht ein Paar Weißer Zwerge als Folge einer Gemeinsamen-Hülle-Phase. Der zuerst entstandene Weiße Zwerg taucht in die Atmosphäre seines entwickelten Begleiters ein, und die Reibung führt sowohl zu einer Verringerung der Bahnachse als auch zu einem Abwerfen der Atmosphäre des Begleiters. Es entsteht ein getrenntes Doppelsternsystem aus zwei Weißen Zwergen, die aufgrund der Abstrahlung von Gravitationswellen in Kontakt kommen und sich damit zu einem AM-Canum-Venaticorum-Stern entwickeln.
  • Im Heliumsternkanal akkretiert ein Weißer Zwerg von einem zunächst nicht entarteten Heliumstern. Dabei wird im Laufe der Zeit genug Materie vom Begleiter transferiert, um das Heliumbrennen zum Erlöschen zu bringen. Weiterhin entwickelt sich das Doppelsternsystem zu kürzeren Umlaufdauern bis zu einem Minimum von 10 Minuten. An diesem Punkt ändert sich die innere Struktur des Begleiters derart, dass er expandiert, und in der Folge auch die Bahnachse des Doppelsternsystems wieder anwächst. Der AM-CVn-Stern beendet seine aktive Phase und zurück bleibt ein getrenntes Paar von Weißen Zwergen.
  • Im entwickelte-kataklysmische-Veränderliche-Kanal handelt es sich um normale kataklysmische Veränderliche, bei denen der Massenaustausch erst einsetzt, wenn der Begleiter des Weißen Zwerges sich von der Hauptreihe weg entwickelt und den Wasserstoffvorrat in seinem Kern bereits verbraucht hat. Die wasserstoffreiche Hülle des Begleiters geht im Laufe der Entwicklung des kataklysmischen Veränderlichen durch Massentransfer verloren. Zurück bleibt ein teilweiser entarteter Heliumstern als Begleiter des akkretierenden Weißen Zwergs, wobei die Atmosphäre im Unterschied zu den beiden anderen Entstehungsszenarien noch einige Prozent Wasserstoff enthält.

In allen Szenarien wird die Entwicklung eines AM-CVn-Sterns durch die Abstrahlung von Gravitationswellen gesteuert. Die Gravitationswellen transportieren den Drehimpuls des Doppelsternsystems ab, und damit bleibt der Doppelstern stets ein halbgetrenntes Kontaktsystem. Die Gravitationswellenabstrahlung ist aufgrund des kleinen Abstands zwischen den beiden Sternen so stark, dass diese mit Hilfe von LISA nachgewiesen werden können.

Einzelnachweise

  1. G. Nelemans: AM CVn stars. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2005, arXiv:0409.676v2.
  2. David Levitan et al: PTF1 J071912.13+485834.0: AN OUTBURSTING AM CVN SYSTEM DISCOVERED BY A SYNOPTIC SURVEY. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2011, arXiv:1107.1209v1.
  3. Edward M. Sion, Albert P. Linnell, Patrick Godon, Ronald-Louis Ballouz: The Hot Components of AM CVn Helium Cataclysmics. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2011, arXiv:1108.1388v1.
  4. LARS BILDSTEN, KEN J. SHEN, NEVIN N. WEINBERG, GIJS NELEMANS: FAINT THERMONUCLEAR SUPERNOVAE FROM AM CANUM VENATICORUM BINARIES. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2007, arXiv:0703.578v2.
  5. GIJS NELEMANS et al: The astrophysics of ultra-compact binaries. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2009, arXiv:0902.2923v1.
  6. Rasmus Voss & Gijs Nelemans: Discovery of the progenitor of the type Ia supernova 2007on. In: Nature. 451, 2008, S. 802-804, doi:10.1038/nature06602.
  7. G.H.A. Roelofs, G. Nelemans, and P. J. Groot: The population of AM CVn stars from the Sloan Digital Sky Survey. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2007, arXiv:0709.2951v1.

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