Berittenes Bogenschießen

Berittenes Bogenschießen
Assyrischer König Ashurbanipal bei der Wildeseljagd

Berittenes Bogenschießen ist eine Kampfkunst und ein Schießsport zu Pferde.

Bei dieser Kampfkunst wird mit Pfeil und Bogen vom Pferd aus in allen Gangarten geschossen, insbesondere aus dem Galopp. Diese Technik führte historisch zu großen Erfolgen von Reitervölkern wie Skythen, Hunnen, Göktürken und Mongolen über Heere sesshafter Bevölkerungen. Mit ihrer schwer gepanzerten Ritterrüstung waren europäische Ritter den berittenen Bogenschützen häufig hilflos unterlegen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Militärische Ursprünge

In den Steppenregionen Zentralasiens begannen Nomadenvölker im 1. Jahrtausend v. Chr. mit der gezielten Nutzung des Pferdes als Reit- und Arbeitstier (auch zur Ernährung). Das Pferd wurde zur Grundlage des Überlebens der Sippe. Die intensive Pferdehaltung und -zucht band Mensch und Pferd eng aneinander. In den nächsten 2.500 Jahren beherrschten mobile Reitervölker den gesamten innerasiatischen Raum, auch mit militärischen Mitteln: Sie stahlen Pferde, überfielen ihre Nachbarn und begründeten das offensive Reiterkriegertum. Als kriegerische Pferdenomaden formierten sich zuerst indoeuropäische Völker, wie Kimmerer, Skythen und Sarmaten, dann Hunnen, Sassaniden und Turkvölker, denen schließlich die Mongolen folgten.

Die Kampftaktik war immer ähnlich: Einem blitzschnellen Angriff folgte der ebenso schnelle Rückzug. Schwerfällige Fuß- und Panzerreitertruppen hatten kaum Chancen zu reagieren. Bei der Taktik der „verstellten Flucht“ galoppierte die Nomadenkavallerie scheinbar in wilder Flucht davon. Gegnerische Truppen wurden dazu verlockt nachzurücken, landeten jedoch unversehens in einem Hinterhalt. Die Fliehenden schossen oft auch rückwärts auf die Verfolger, mit dem so genannten Partherschuss über die Kruppe des Pferdes hinweg.

Beispiele für Schlachten, die von berittenen Bogenschützen entschieden wurden, sind die Erste Schlacht bei Panipat, die das Sultanat von Delhi beendete, und die Schlacht von Doryläum während des Zweiten Kreuzzuges. Dass bei entsprechender Taktik ein Ritterheer berittene Bogenschützen auch besiegen konnte, bewies Richard Löwenherz bei der Schlacht von Arsuf im Dritten Kreuzzug.

Wiederbelebung als Kampfsport

Yumi-Bogen beim Yabusame

Außer dem japanischen Yabusame geriet das berittene Bogenschießen überall auf der Welt in Vergessenheit. Egal ob in der Mongolei oder bei den Ureinwohnern von Amerika, den Indianern. In den 1980er Jahren wurde vom Ungarn Lajos Kassai das berittene Bogenschießen für Europa wiederentdeckt und neu erfunden. Kassai dachte sich eine moderne Wettkampfform des berittenen Bogenschießens aus, die zur Grundlage für die zurzeit in Europa, Amerika und Ozeanien ausgeübte Sportart des berittenen Bogenschießens wurde. Zur Organisation gründete Kassai einen Weltverband der berittenen Bogenschützen, die Horseback Archery World Association (HAWA) mit einem modernen Wettkampfsystem und Schüler- und Meistergraden.

Technik

Damit das untere Ende des Bogens nicht mit dem Rücken des Pferdes zusammenstößt, ist die Verwendung eines eher kurzen oder eines stark asymmetrischen Bogens notwendig. Die Reiterbögen der meisten asiatischen Steppenvölker und der amerikanischen Prärie-Indianer waren eher kurz, der japanische Yumi ist stark asymmetrisch. Um bei kurzen Bögen trotzdem eine ausreichende Zugkraft zu erreichen, wurden in Asien fast ausschließlich Kompositbögen mit Recurve- und Reflexgeometrie verwendet.

Schießtechnik

Die Reitervölker hatten meist einen fliegenden Anker und zogen die Sehne mit dem Daumen. Von galoppierenden Pferden aus mit dem Bogen zu schießen stellt ganz besondere Anforderungen an den Schützen. Bereits das Einnocken muss auf besondere Art vollzogen werden, ebenso das Spannen und letztlich sogar das Lösen. Will man zudem mehrere Pfeile in schneller Folge schießen, muss man sich auch einen besonderen Bogen und Pfeilgriff angewöhnen.

Reittechnik

Kurz vor dem Schuss liegen die Zügel auf dem Pferdehals locker auf, man hat keine direkte Verbindung von den Händen zum Pferdemaul über Gebiss, Sidepull, Bosal oder Ähnliches.

Da beim Bogenreiten meist nach links geschossen wird, ist es vorteilhafter das Pferd im Linksgalopp zu reiten, da dann die Bewegung des Pferdes und des schießenden Reiters mehr in Harmonie zueinander stehen.

Wettkampfformen

Während Lajos Kassai und die HAWA-Mitglieder das berittene Bogenschießen als Kampfkunst praktizieren, wurden in den letzten Jahren überall auf der Welt weitere Vereine und Vereinigungen des berittenen Bogenschießens gegründet, welche das Bogenschießen vom Pferd als Freizeitaktivität (Breitensport) ausüben. Ein Beispiel dafür ist die in Deutschland gegründete Vereinigung der berittenen Bogenschützen Die Steppenreiter e. V..

Aber nicht nur in Europa wurde das Bogenschießen vom Pferd wiederentdeckt, sondern auch in Korea, China und der Mongolei. Dort wurden entsprechend der asiatischen Tradition andere Wettkampfformen entwickelt.

Qabaq

Sultan Murad II beim Qabaq

Qabaq ist die älteste überlieferte Wettkampfform im berittenen Bogenschießen. Sie ist türkischen Ursprungs und wurde bis in die Anfänge des vorigen Jahrhunderts in Georgien noch praktiziert. Bei diesem alten Sport stehen sich zwei Mannschaften gegenüber. Abwechselnd reitet ein Schütze unter einem 8 bis 12 m hohen Mast hindurch und schießt dabei senkrecht nach oben auf eine an der Spitze des Masts befestigte Vase. In seiner ursprünglichen Form wurde auf einen hohlen getrockneten Kürbis geschossen, weshalb das Spiel auch den Namen Qabaq (türkisch: Kürbis) trägt.

Das Spiel war im Nahen und Fernen Osten weit verbreitet. So spielten es die Mamlucken am ägyptischen Hof im 11. Jahrhundert, die Moguln in Indien im 16. Jahrhundert und die Osmanen bis ins 18. Jahrhundert. Selbst unter den osmanischen Sultanen war diese Spiel sehr beliebt und Miniaturen zeigen sie selbst als erfolgreiche Schützen.

Yabusame

Hauptartikel: Yabusame

Die Japaner üben sich in der ältesten heute noch praktizierten Tradition des berittenen Bogenschießens. Sie können auf eine über 700 Jahre lange, ungebrochene Geschichte zurückweisen. Beim Yabusame soll der Reiter drei Scheiben treffen, die etwa 60 Schritt voneinander entfernt sind. Es wird nur zur Seite geschossen. Yabusame ist ein altes Ritual, das zum Segen des Himmels und der Erde abgehalten wird, um den Wohlstand und Frieden im Universum zu mehren.

Beim Yabusame gibt es drei Arten von Wettkämpfen: Yabusame als religiöses Ereignis, Kasagake als Wettbewerb und Inuoumono, wobei auf Hunde geschossen wurde.

Kassai-Wettkampf

Lajos Kassai

Beim Kassai-Wettkampf der HAWA [1] wird auf einer Wettkampfbahn aus verschiedenen Richtungen auf ein Ziel geschossen, nach vorne, zur Seite und nach hinten. Die Bahn ist 99 m lang und in der Mitte steht, 9 m seitlich versetzt und in 2 m Höhe, die sich drehende Zielscheibe, deren Auflage in Richtung des Reiters zeigt.

Wettkampfbahn

Die Scheibe ist in drei Bereiche unterteilt, die je nach Schwierigkeit der Schüsse unterschiedlich viele Punkte ergeben:

Punkte
innen mitte außen
4 3 2

Sowohl die Länge der Wettkampfbahn als auch die erlaubte Zeit, sie im Galopp zu durchreiten, wurden im Laufe der Zeit geändert. In den frühen 1990er Jahren hatte man 14 Sekunden, um eine 90 m lange Bahn zu absolvieren, heute sind es 20 Sekunden für 99 m.

Ungarischer Wettkampf

Der Ungarische Wettkampf,[2] wie er wie folgt beschrieben wird, richtet sich nach der Ursprungsform des Kassai-Wettkampfes. Er wird auf diese Art in Amerika, Asien und vor allem in Europa durchgeführt und wird deshalb auch Europäischer Wettkampf (European Competition) genannt.

Beim Ungarische Wettkampf des berittenen Bogenschießens kann sich die Leistung des berittenen Bogenschützen über mehrere Durchläufe/Galopps entfalten. Hierbei wird auf einer Wettkampfbahn auf drei verschiedene Ziele geschossen, nach vorne, zur Seite und nach hinten.

Die Bahn ist 90 m lang und in der Mitte stehen, 9 m seitlich versetzt und in 2 m Höhe, drei Zielscheiben, eine in Richtung Bahnanfang, eine parallel zur Bahn und eine in Richtung Bahnende. Die Bahn ist in drei gleichlange Abschnitte unterteilt, im ersten Abschnitt wird auf die zum Bahnanfang zeigende Scheibe geschossen, im zweiten Abschnitt auf die parallel angeordnete Scheibe und im dritten Abschnitt auf die letzte, nach hinten gerichtete Scheibe.

Das Zeitlimit bei diesem Wettkampf liegt bei 16 - 18 Sekunden. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre bekommen zusätzlich 2 Sekunden dazugezählt.

Ungarischer Wettkampf

Jede Scheibe ist in drei Bereiche unterteilt, die je nach Schwierigkeit der Schüsse unterschiedlich viele Punkte ergeben:

Scheibe Punkte
innen mitte außen
zum Bahnanfang 4 3 2
parallel 3 2 1
zum Bahnende 5 4 3

Koreanische Wettkampfform (Europäische Form)

Die koreanische Variante, wie sie in Europa durchgeführt wird, ist darauf ausgelegt, auf schnellen Ritten präzise Schüsse in nur einem Versuch abzugeben. Während der ungarische Wettkampf eher eine Ausdauerleistung abruft, stellen die koreanischen Varianten die Sprintdisziplinen des berittenen Bogenschießens dar, die eine schnelle, punktgenaue Konzentration auf den jeweils abzugebenden Schuss (ohne zweite Chance) erfordern. Sie sind sowohl im Hinblick auf das Ziehen der Pfeile vor dem Schuss, wobei hier die Daumentechnik im Vorteil ist, als auch hinsichtlich des Fehlens von Korrekturschüssen einer realen jagdlichen Situation nachempfunden. Diese Art des Bahnwettkampfes besteht aus drei verschiedenen Durchläufen.

Koreanischer Wettkampf

Beim ersten Durchlauf (single-shot) muss der Reiter eine parallel zur Bahn (5 m Abstand) aufgestellte rechteckige Scheibe (ca. 84 x 84 cm) mit einem Pfeil möglichst genau treffen. Die maximale Zeit von 12 Sekunden darf nicht überschritten werden. Im zweiten Durchlauf (double shot) muss der Reiter auf einer Bahnlänge von 90 m zwei Scheiben mit jeweils einem Pfeil treffen. Da diesmal die Scheiben nicht parallel sondern angewinkelt zur Bahn stehen, erfolgt der erste Schuss nach vorne und der zweite nach hinten (maximale Zeit auf der Bahn beträgt 12 Sekunden). Während des dritten Durchlaufes (multiple shot) müssen fünf parallel zur Bahn (150 m) aufgestellte Scheiben mit einem Abstand von 30 m jeweils mit einem Pfeil getroffen werden (Maximalzeit beträgt 16 Sekunden). Die Pfeile dürfen nur aus dem Gürtel, Köcher oder Stiefel gezogen werden. Es ist nicht gestattet sie in der Bogenhand zu halten, wie bei der ungarischen Wettkampfform. Jeder Teilnehmer hat nur zwei Galopps pro Durchlauf.

Die Punkte auf der Scheibe von innen nach außen: Tigerkopf (5 Punkte), Rot (4 Punkte), Gelb (3 Punkte), Grün (2 Punkte), Schwarz (1 Punkt). Die Farben können in Asien eine andere Reihenfolge aufweisen.

Die ursprüngliche Form des Koreanischen Wettkampfes, wie sie in Korea durchgeführt wird, unterscheidet sich in den Zeitlimits, Bahnlängen, Zielgrößen und sonstigen erweiterten Regeln von der Europäischen Version des Koreanischen Wettkampfes.[3]

Bogenparcours zu Pferde

Eine weitere Form des berittenen Bogenschießens ist das „Bogenreiten im Parcours“, ähnlich dem Feldbogenschießen auf 3D-Tierbilder. Die Teilnehmer reiten die verschiedenen Ziele im Gelände an, stoppen das Pferd innerhalb vorgegebener Markierungen und schießen einen Pfeil auf das Ziel. Zwischen den einzelnen Zielen kann galoppiert werden; die Zeit fließt mit in die Wertung ein. Eine Variante ist das Schießen der Ziele im Galopp. Diese Turnierform ist wie das Bogenlaufen dem Biathlon nachempfunden und wurde bei der Ersten Offenen Europameisterschaft im berittenen Bogenschießen im September 2008 vorgestellt.

Es ist auch möglich, einen Parcours ähnlich dem bekannten Springparcour aufzubauen. Nur werden hier anstelle der Sprünge Scheiben aufgestellt. Dazu werden eine gewisse Anzahl von Zielen, im Gegensatz zum Bahnwettkampf, auf dem Turnierplatz asymmetrisch verteilt. Durch die angebrachten Zielscheiben wird die Schussrichtung vorgegeben. Die Reihenfolge und die Maximalzeit kann, muss aber nicht festgelegt werden. Da die Teilnehmer mehrere Pfeile schießen (aus der Bogenhand und dem Pfeilköcher) und gleichzeitig das Pferd durch den Parcours reiten müssen, ist diese Wettkampfform eine besondere Herausforderung.

Mogu-Wettkampf

Der Mogu-Wettkampf stammt aus Korea und diente dort als Jagd-Training auf bewegliche Zeile. Die durch das Training verbesserte Treffsicherheit förderte den Jagderfolg, das fliehende Wild wurde rasch erlegt. Außerdem erhöhte die verbesserte Handhabung des Bogens die Überlebenschancen des berittenen Bogenschützen im Kriegsfall. Beim Mogu wird ein Ball mit ca. 60 cm Durchmesser an einer 5 m langen Leine hinter einem Pferd hergezogen. Zwei oder vier Reiter jagen hinterher und versuchen, den Ball mit (stumpfen) Bluntpfeilen zu treffen.

Siehe auch

Sipahi berittener Bogenschütze

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.horsebackarchery.com / Horseback Archery World Association
  2. http://www.diesteppenreiter.de / Wettkampf des Steppenreiter e.V.
  3. http://www.fwha.net / World Horseback Archery Federation

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