Zuchtform (Obstgehölze)

Zuchtform (Obstgehölze)
Apfelbaum (Hochstamm), Boskoop

Der Begriff Zuchtform bezieht sich auf die Wuchsform der betreffenden Obstgehölze.

Inhaltsverzeichnis

Baumformen

Hochstamm

Obstanlage mit Niederstämmen

Als Hochstamm bezeichnet man Obstbäume, deren Kronenansatz in mindestens 180–220 cm Höhe liegt – (zwischen 1950 und 1995 hieß es „mindestens 160–180 cm“). Das eigentliche Kriterium für die verschiedenen Begriffe ist daher – wie es der Name schon andeutet – die Stammlänge.

In Baumschulen wird die Bezeichnung auch für die Qualitäten anderer Gehölze im Vertrieb angegeben. Ein Hochstamm ist hier ein einstämmiges geschultes Gehölz mit Kronenansatz in der entsprechenden Höhe.

Für die aktuelle Infektionslage mit Feuerbrand stellen die Hochstämme eine mögliche Lösung dar. Während bei den Zwergformen nach der Infektion meist die gesamte Pflanze gerodet werden muss, kann ein Hochstamm einen kräftigen Rückschnitt verkraften.

Die Veränderung der gewünschten Stammhöhe beim Hochstamm entspricht der veränderten Nutzung, bzw. den immer größer werdenden Traktoren, um weiterhin den mechanisierten Schnitt der Streuobstwiese durchführen zu können.

Halb- und Niederstamm

Als Halbstämme bezeichnet man Bäume, deren Kronenansatz etwa zwischen 100 cm und 160 cm liegt. Bei Niederstämmen beginnt die Krone schon ab 80–100 cm Höhe.

Buschbaum

Schlanke Spindeln (Sorte Elstar, alternierend)

Büsche und Spindelbüsche haben eine Stammlänge von etwa 40–60 cm.

Für die Verwendung an einem Spalier sind die Pflanzen jeweils nach dem erwünschten Kronenvolumen auszuwählen. Hierzu werden meist schwächere Unterlagen verwendet. Allerdings sind bei entsprechendem Platzangebot auch stärkere Unterlagen möglich.

Eine Schlanke Spindel ist zumeist auf einer sehr schwach wachsenden Unterlage veredelt. Das Fruchtholz wird direkt an der Mitte erzogen, echte Gerüstäste (Leitäste), wie bei großkronigen Obstgehölzen üblich, fehlen völlig. Wegen des frühen Ertragseintritts und der Eignung für rationellere Arbeitsabläufe hat sich diese Form im Niederstamm-Erwerbsobstbau durchgesetzt.

Für den Privatgarten werden derzeit Säulenbäume wie z. B. Ballerina entwickelt. Hierbei handelt es sich im Prinzip um schlanke Spindeln, die dieses Wuchsbild mehr oder weniger selbständig einhalten und kurzes Fruchtholz bilden. Die schwache Unterlage erlaubt ein problemloses Halten der Pflanze auch im Kübel. Der Nachteil vieler dieser Sorten ist der meist nicht völlig befriedigende Geschmack. Außerdem können fast alle Obstarten- und Sorten bei entsprechender Unterlage und Pflege als Topfobst gehalten werden. Neuerdings werden auch unterschiedliche Sorten, wie Cox, als Zwergapfelbäume für den Balkonkübel angeboten.

Wuchsstärke und Veredelung

Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass Hochstämme grundsätzlich größere Kronen ausbilden als Halb- oder Niederstämme. Auf gleichen Wurzelunterlagen bilden alle vorgenannten Formen ähnlich große Kronen aus. In der Praxis ist es jedoch meist so, dass Hochstämme auf starkwachsender Unterlage, Halbstämme auf stark- oder mittelstarker Unterlage und Niederstämme oder Büsche auf mittel- bis schwachwachsender Unterlage veredelt werden.

Ein freistehender Baum, gleich welcher Art, wird ohne menschliches Zutun zunächst keinen Hochstamm ausbilden. Der Kronenansatz entsteht an der ersten zufälligen Verzweigung des jungen Sämlings. Allerdings ist bei viele Bäumen, mit zunehmendem Alter durch eigene Beschattung der unteren Kronenpartien, der Effekt der Selbstaufastung zu beobachten. Bäume in einem engen Waldbestand bilden üblicherweise bis zu über 10 Meter hohe astfreie Stämme aus. Da Obstbäume in der Regel veredelt werden, kann man bei diesen nicht von einem natürlichen Kronenansatz sprechen. Alte, ungepflegte Obstbäume neigen aber ebenfalls dazu, sich selbstständig „aufzuasten“, weil die sich bildenden Schirmkronen die untersten Kronenäste verschatten, wodurch der Baum diese selbständig aufgibt.

Durch die Veredelung bestehen Obstbäume prinzipiell aus 2 Teilen: Der Wurzelunterlage und der Edelsorte. Bei der Veredelung wird ein abgeschnittener Trieb der gewünschten Sorte mit der Wurzelunterlage manuell verbunden, wodurch die beiden Teile miteinander verwachsen.

Obstbäume auf mittel- oder schwachwachsender Unterlage benötigen meistens, aufgrund ihres schwach ausgeprägten Wurzelwerkes, zeitlebens künstliche Stützvorrichtungen in Form eines Pfahls, Spanndrähte, Spaliere etc.

Geschichte

Niederstämmige Obstbäume wurden erst mit Aufkommen des Erwerbsobstbaus im 19. Jahrhundert systematisch kultiviert. Denn sie bringen (im Vergleich zu Hochstämmen) frühere und höhere Erträge mit besserer Qualität; zudem sind sie viel leichter zu ernten und zu pflegen, weil keine Leitern notwendig sind. Der deutsche Obstbaupionier Otto Schmitz-Hübsch legte 1896 die ersten Apfel- und Birnenplantagen mit Niederstämmen an und entwickelte damit das, was man heute als Dichtpflanzung oder high-density planting bezeichnet. Schmitz-Hübsch war es auch, der Anfang der 1930er Jahre den Spindelbusch (Schlanke Spindel) einführte. Wegen der Weltkriege und anfänglicher Widerstände der Obstbauern setzten sich beide Neuerungen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit durch. Heute sind etwa neun von zehn Apfelbäumen in Europa Spindelbüsche.

Ökologie

Großkronige Obstgehölze sind eine Bereicherung für das Landschaftsbild und ökologisch wertvoll, da sie verschiedenen Vogelarten und Insektenarten, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen, einen Lebensraum bieten. Diese ökologische Funktion ergibt sich einerseits aus der oben beschrieben Problematik, sie rationell zu bewirtschaften. Es findet also mit Hochstämmen nur noch eine extensive Bewirtschaftung statt, der Einsatz von Insektiziden ist nicht rentabel. Zum Zweiten sind Hochstämme in der Lage größere Schäden zu verkraften. Damit verbleibt das für viele Insekten notwendige Totholz im Baum oder es entstehen Höhlen für vielfältige Nutzung.

Einige Obstverwerter führen Hochstamm-Produkte in ihrem Sortiment. In der Schweiz ist Hochstamm Suisse für die gemeinnützige Förderung dieser Kulturen zuständig.


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