Ziegenproblem

Ziegenproblem
Auf der Suche nach einem Auto wählt der Kandidat Tor 1. Der Showmaster öffnet Tor 3, hinter dem sich eine Ziege verbirgt und schlägt dem Kandidaten vor, das Tor zu wechseln. Ist es vorteilhaft für den Kandidaten, das Tor 2 zu wählen?

Das Ziegenproblem, Drei-Türen-Problem, Monty-Hall-Problem oder Monty-Hall-Dilemma (nach Monty Hall, dem Moderator der US-amerikanischen Spielshow Let's Make a Deal, in Deutschland Geh aufs Ganze!) ist eine Aufgabe aus der Wahrscheinlichkeitstheorie. Es wird oft als Beispiel dafür herangezogen, dass der menschliche Verstand zu Trugschlüssen neigt, wenn es um das Schätzen von Wahrscheinlichkeiten geht.

Das Problem wurde 1990 in seiner bekannten Form in Marilyn vos Savants „Ask Marilyn“-Kolumne im 'Parade Magazine' publiziert und basierte auf einem Leserbrief, den vos Savant von Craig F. Whitaker aus Columbia, Maryland erhalten hatte.

Nehmen Sie an, Sie wären in einer Spielshow und hätten die Wahl zwischen drei Toren. Hinter einem der Tore ist ein Auto, hinter den anderen sind Ziegen. Sie wählen ein Tor, sagen wir, Tor Nummer 1, und der Showmaster, der weiß, was hinter den Toren ist, öffnet ein anderes Tor, sagen wir, Nummer 3, hinter dem eine Ziege steht. Er fragt Sie nun: 'Möchten Sie das Tor Nummer 2?' Ist es von Vorteil, die Wahl des Tores zu ändern?[1]

Inhaltsverzeichnis

Die erfahrungsbezogene Antwort

Wenn man die Fragestellung im Leserbrief unvoreingenommenen Personen vorlegt, bekommt man häufig die Antwort:

„Die Gewinnchancen für die Tore 1 und 2 sind gleich. Denn ich weiß ja nichts über die Motivation des Showmasters, das Tor 3 mit einer Ziege dahinter zu öffnen und einen Wechsel anzubieten.“

Die Intuition beim Verständnis des Leserbriefs geht also davon aus, dass es sich bei der Problemstellung um die Beschreibung einer einmaligen Spielsituation handelt. Außerdem zeugt die Antwort von einer gewissen Vertrautheit mit bekannten Spielshows wie Wer wird Millionär oder Geh aufs Ganze, in denen der Showmaster (Moderator) eine aktive und unberechenbare Rolle spielt. Im Gegensatz zu den Problemvarianten, in denen der Moderator auf einen an fixe Verhaltensregeln gebundenen "Handlanger" reduziert wird, darf realistischerweise angenommen werden, dass er völlig frei in seinen Entscheidungen ist (Monty Hall:"Ich bin der Hausherr!"). Diese Freiheit kann anhand einiger Beispiele illustriert werden, wobei vor jedem Spiel Auto und Ziegen hinter den drei Toren zufällig neu verteilt wurden[2]

Spiel 1
Kandidat Alfred wählt Tor 1, der Moderator öffnet das Tor 1 mit einer Ziege dahinter; Alfred verliert.
Spiel 2
Kandidat Bertram wählt Tor 1, der Moderator öffnet Tor 2 mit einer Ziege dahinter und bietet Bertram an, seine Wahl zu ändern. Bertram möchte wechseln, aber der Moderator öffnet kein Tor sondern bietet 5000,- Euro dafür, dass Bertram bei seiner ersten Wahl bleibt. Dieser ändert seine Wechsel-Entscheidung nicht, und der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege dahinter; Bertram verliert.
Spiel 3
Kandidatin Conny wählt Tor 1, der Moderator öffnet kein Tor sondern bietet der Kandidatin 1000,- Euro dafür, dass sie auf das Öffnen des Tors verzichtet; Conny nimmt das Geld und gewinnt 1000,- Euro.
Spiel 4
Kandidatin Doris wählt Tor 1, der Moderator öffnet daraufhin Tor 3 mit einer Ziege dahinter und bietet Doris an, ihre Wahl zu überdenken …

Angesichts dieser Fülle an Verhaltensmöglichkeiten des Moderators sollte Doris ihre Gewinnchancen sorgfältig abwägen. Wenn sie glaubt, dass der Moderator nett zu ihr sein und sie von ihrer ersten falschen Wahl abbringen möchte, dann sollte sie wechseln. Wenn sie allerdings meint, dass ihr der Moderator nicht gut gesinnt sei und sie nur von ihrer ersten richtigen Wahl ablenken möchte, dann sollte sie bei Tor 1 bleiben. Weil Doris den Moderator nicht einschätzen kann und auch im Leserbrief keine entsprechenden Hinweise gegeben werden, hat sie keine bessere Möglichkeit, als sich nach dem Wurf einer fairen Münze zu entscheiden. Ihre Gewinnwahrscheinlichkeit ist somit 1/2.[3] Es ist also nicht von Vorteil, die Wahl des Tors in jedem Fall zu ändern.

Antwort von Marilyn vos Savant

Durch die Antwort von Marilyn vos Savant auf den Leserbrief erzielte das Problem international auch außerhalb der Fachwelt hohe Aufmerksamkeit und führte zu heftigen Kontroversen. Ihre Antwort lautete:

Ja, Sie sollten wechseln. Das zuerst gewählte Tor hat die Gewinnchance von 1/3, aber das zweite Tor hat eine Gewinnchance von 2/3. Hier ist ein guter Weg, sich das Geschehen vorzustellen. Nehmen Sie an, es gäbe 1 Million Tore und Sie wählen Tor Nummer 1. Dann öffnet der Moderator, der weiß, was hinter den Toren ist, und der das eine Tor mit dem Preis immer vermeidet, alle Tore bis auf Tor Nummer 777777. Sie würden doch sofort zu diesem Tor wechseln, oder nicht?[4]

Marilyn vos Savant berücksichtigt dabei nicht eine bestimmte Motivation des Moderators; es ist laut Leserbrief keineswegs ausgeschlossen, dass der Moderator nur deswegen ein Ziegentor öffnet, um den Kandidaten von seiner ersten erfolgreichen Wahl abzulenken. Stattdessen fasst vos Savant den Leserbrief offensichtlich so auf, dass die Spielshow immer wieder nach demselben Muster abläuft:

Verlauf der Spielshow: Der jeweilige Kandidat wählt ein Tor, der Moderator öffnet daraufhin immer ein anderes Tor mit einer Ziege dahinter und lässt danach dem Kandidaten noch einmal die Wahl zwischen den beiden noch geschlossenen Toren. Der Kandidat erhält das Auto, wenn es sich hinter dem von ihm zuletzt gewählten Tor befindet.

Somit erhält sie als Lösung die durchschnittliche Gewinnwahrscheinlichkeit aller möglichen Kombinationen von Toren, die von den jeweiligen Kandidaten gewählt werden und vom Moderator daraufhin geöffnet werden können. Weil die erste Wahl eines Kandidaten als beliebig und die Verteilung von Auto und Ziegen hinter den Toren als zufällig angesehen wird, darf jede der neun Möglichkeiten als gleichwahrscheinlich betrachtet werden:


Tor 1 gewählt Tor 2 Tor 3 Moderator öffnet... Ergebnis beim Wechseln Ergebnis beim Behalten
Auto Ziege Ziege Tor 2 oder Tor 3 Ziege Auto
Ziege Auto Ziege Tor 3 Auto Ziege
Ziege Ziege Auto Tor 2 Auto Ziege
Tor 1 Tor 2 gewählt Tor 3
Auto Ziege Ziege Tor 3 Auto Ziege
Ziege Auto Ziege Tor 1 oder Tor 3 Ziege Auto
Ziege Ziege Auto Tor 1 Auto Ziege
Tor 1 Tor 2 Tor 3 gewählt
Auto Ziege Ziege Tor 2 Auto Ziege
Ziege Auto Ziege Tor 1 Auto Ziege
Ziege Ziege Auto Tor 1 oder Tor 2 Ziege Auto


Drei von neun Kandidaten gewinnen, wenn sie bei ihrer ersten Wahl bleiben, während sechs von neun Kandidaten durch Wechseln das Auto bekommen. Ein Kandidat hat durch Wechseln also eine durchschnittliche Gewinnchance von p = 2/3.

Strategische Lösung

Aufgrund der verallgemeinerten Auffassung von vos Savant und unter Berücksichtigung der von ihr vorgeschlagenen Wechselstrategie lässt sich eine alternative Sicht des Ablaufs der Spielshow formulieren:

Der jeweilige Kandidat darf zwei freigewählte Tore bestimmen, die der Moderator öffnen muss, und jener erhält das Auto, falls es sich hinter einem dieser beiden Tore befindet.

Um es an einem Beispiel klar zu machen: Ein Kandidat möchte Tor 2 und Tor 3 öffnen lassen. Er wählt also Tor 1, das verschlossen bleibt, und wechselt dann zu Tor 2, wenn der Moderator Tor 3 geöffnet hat, oder umgekehrt. Der Kandidat hat damit offensichtlich eine durchschnittliche Gewinnchance von p = 2/3. Demnach wäre es für einen Kandidaten, der mehrmals an dieser Spielshow teilnehmen dürfte, von Vorteil, die Wahl des Tors immer zu ändern.

Kontroversen

Es sind vor allem die folgenden Hauptargumente, die zu Zweifeln an vos Savants Antwort führen. Während das erste Argument nicht stichhaltig ist und auf falsch angewendeter Wahrscheinlichkeitstheorie basiert, verdeutlichen die weiteren Argumente, dass das Originalproblem eine Vielzahl von Interpretationen zulässt:

  • Unter der Voraussetzung, dass der Showmaster den im nächsten Abschnitt ausgeführten Spielregeln folge, sei ein Wechsel des Tores nicht schlecht. Die Gewinnchance für das zweite Tor sei aber niemals 2/3 sondern generell nur 1/2, weil nach dem Öffnen eines Tores mit einer Ziege dahinter nur noch zwei geschlossene Tore zur Auswahl stünden. Die Chancen seien deshalb auf beide Tore immer gleichverteilt.
  • Die Fragestellung im Leserbrief enthält keinerlei Hinweise darauf, dass der Showmaster einer bestimmten Verhaltensregel folgt. Solch eine Regel ließe sich nur unter der Annahme ableiten, dass das Spiel mehrmals unter den gleichen Bedingungen wiederholt würde: Sie wählen ein beliebiges Tor, der Showmaster öffnet ein anderes Tor, hinter dem eine Ziege steht, und Sie dürfen die Wahl ihres Tores ändern. Von solch einer Wiederholung des Spiels ist aber im Leserbrief keine Rede. Also basiert vos Savants Antwort auf zusätzlichen Annahmen, die sich in dieser Form nicht zwingend aus dem Leserbrief ergeben.[5]
  • Marilyn vos Savants Interpretation bezieht sich nicht auf die in der Fragestellung konkret benannten Tore, und damit lässt sie möglicherweise vorhandene Präferenzen des Moderators bzgl. einzelner Tore außer Acht. Deshalb erhält sie als Gewinnwahrscheinlichkeit 2/3 durch Wechseln, die nicht bei jedem Moderatorverhalten gültig ist. Dementsprechend bildet auch die obige Tabelle, welche nur Durchschnittswahrscheinlichkeiten veranschaulicht, solche Präferenzen nicht korrekt ab.

Das erste Argument wird durch den ausgeglichenen Moderator widerlegt, das zweite wird anhand der erfahrungsbezogenen Antwort und das dritte anhand des faulen Moderators ausgeführt.

Das Monty-Hall-Standard-Problem

Weil die im Leserbrief von Whitaker formulierte Aufgabe einigen Wissenschaftlern nicht eindeutig lösbar erschien, wurde von ihnen eine Neuformulierung des Ziegenproblems vorgeschlagen. Diese als Monty-Hall-Standard-Problem bezeichnete Umformulierung, die zur gleichen Lösung wie der von Marilyn vos Savant führen soll, stellt bestimmte Zusatzinformationen bereit, welche die erfahrungsbezogene Antwort ungültig machen, und berücksichtigt im Unterschied zur Interpretation von vos Savant auch die konkrete Spielsituation:

„Angenommen, Sie befinden sich in einer Spielshow und haben die Wahl zwischen drei Toren. Hinter einem Tor ist ein Auto, hinter den anderen befindet sich jeweils eine Ziege. Das Auto und die Ziegen sind vor der Show zufällig auf die Tore verteilt worden, und Sie haben keine Information über die Position des Autos. Die Regeln lauten: Nachdem Sie ein Tor gewählt haben, bleibt dieses zunächst geschlossen. Der Showmaster Monty Hall, der weiß, was sich hinter den Toren befindet, muss nun eines der beiden verbleibenden Tore öffnen. Hinter dem von ihm geöffneten Tor muss sich eine Ziege befinden. Nachdem Monty Hall ein Tor mit einer Ziege geöffnet hat, fragt er Sie, ob Sie bei Ihrer ersten Wahl bleiben oder zum letzten verbliebenen Tor wechseln möchten. Nehmen Sie an, Sie wählen Tor 1, und der Showmaster öffnet Tor 3 mit einer Ziege. Er fragt Sie dann: „Möchten Sie zu Tor 2 wechseln?“. Ist es vorteilhaft, Ihre Wahl zu ändern?“

Der Moderator hat die Möglichkeit, frei darüber zu entscheiden, welches Tor er öffnet, wenn er die Auswahl zwischen zwei Ziegentoren hat (Sie haben also zuerst das Auto-Tor gewählt). Um zu zeigen, welche Unterschiede bei der Wahrscheinlichkeit, das Auto zu gewinnen, auftreten können, werden im Folgenden mehrere Moderatortypen vorgestellt. Ihnen sind die jeweiligen Verhaltensweisen des Moderators natürlich vorher bekannt.

Der ausgeglichene Moderator

Bei einer Spielshow kann der Kandidat ein Auto gewinnen. Dem Spiel liegen die folgenden Regeln zugrunde.

  1. Ein Auto und zwei Ziegen werden zufällig auf drei Tore verteilt.
  2. Zu Beginn des Spiels sind alle Tore verschlossen, sodass Auto und Ziegen nicht sichtbar sind.
  3. Der Kandidat, dem die Position des Autos völlig unbekannt ist, wählt ein Tor aus, das aber vorerst verschlossen bleibt.
  4. Fall A: Hat der Kandidat das Tor mit dem Auto gewählt, dann öffnet der Moderator zufällig ausgewählt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit eines der beiden anderen Tore, hinter dem sich immer eine Ziege befindet und stellt damit sicher, dass seine Torwahl keinerlei zusätzlichen Hinweis zum aktuellen Standort des Autos liefern kann.[6]
  5. Fall B: Hat der Kandidat ein Tor mit einer Ziege gewählt, dann muss der Moderator dasjenige der beiden anderen Tore öffnen, hinter dem die zweite Ziege steht.
  6. Der Moderator bietet dem Kandidaten an, seine Entscheidung zu überdenken und das andere ungeöffnete Tor zu wählen.
  7. Das vom Kandidaten letztlich gewählte Tor wird geöffnet, und er erhält das Auto, falls es sich hinter diesem Tor befindet.

Diese Regeln sind dem Kandidaten bekannt. Wie soll er sich im vorletzten Schritt entscheiden, wenn er zunächst Tor 1 gewählt und der Moderator daraufhin Tor 3 mit einer Ziege dahinter geöffnet hat?[7]

Einfache Erklärung

Das Auto ist mit Wahrscheinlichkeit 1/3 hinter dem vom Kandidaten zunächst gewählten Tor 1. Wegen der Symmetrie im Regelwerk, insbesondere wegen der Spielregeln 4 und 5, wird diese Wahrscheinlichkeit durch das Öffnen eines Ziegentors nicht beeinflusst. Deshalb ist nach dem Öffnen des Tors 3 das Auto mit 2/3-Wahrscheinlichkeit hinter Tor 2, und ein Wechsel führt mit der Wahrscheinlichkeit 2/3 zum Erfolg.

Tabellarische Lösung

Für die Erklärung wird angenommen, dass der Kandidat zu Anfang Tor 1 gewählt hat und sich anschließend umentscheidet. Für die Situationen, in denen der Kandidat die Tore 2 oder 3 gewählt hat und der Moderator dementsprechend andere Tore öffnet, gilt eine analoge Erklärung. Es müssen sechs Fälle betrachtet werden, um die Gleichwahrscheinlichkeit des Öffnens der Tore 2 und 3 durch den Moderator gemäß Regel 4 modellieren zu können. Das entspricht einem Zufallsexperiment, bei dem die beiden Ziegen voneinander unterschieden werden können, und jede Verteilung von Auto und Ziegen hinter den drei Toren gleichwahrscheinlich ist (Laplace-Experiment).

Kandidat wählt Tor 1 und wechselt, sobald der Moderator ein anderes Tor öffnet
Moderator möchte Tor 2 öffnen Moderator möchte Tor 3 öffnen
1 Thumb down icon.svg Der Moderator öffnet Tor 2 Auto hinter Tor 1
Der Moderator öffnet Tor 2 mit einer Ziege (Regel 4). Bei einem Wechsel verliert der Kandidat.
4 Thumb down icon.svg Der Moderator öffnet Tor 3 Auto hinter Tor 1
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege (Regel 4). Bei einem Wechsel verliert der Kandidat.
2 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 3 Auto hinter Tor 2
Identisch zu Fall 5, da der Moderator Tor 2 nicht öffnen kann.
5 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 3 Auto hinter Tor 2
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege (Regel 5). Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat.
3 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 2 Auto hinter Tor 3
Der Moderator öffnet Tor 2 mit einer Ziege (Regel 5). Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat.
6 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 2 Auto hinter Tor 3
Identisch zu Fall 3, da der Moderator Tor 3 nicht öffnen kann.

Zur Auswertung der Tabelle müssen nun die Fälle betrachtet werden, in denen der Moderator das Tor 3 öffnet (das ist die Bedingung). Das sind die Fälle 2, 4 und 5. Man sieht, dass in zwei von drei dieser Fälle der Kandidat durch Wechseln gewinnt. Unter den Voraussetzungen, dass der Kandidat zunächst Tor 1 gewählt hat und der Moderator Tor 3 mit einer Ziege dahinter öffnet, befindet sich das Auto also in 2/3 der Fälle hinter Tor 2. Außerdem kann aus der Tabelle leicht abgelesen werden, dass wenn der Moderator anstelle von Tor 3 das Tor 2 öffnet, der Kandidat durch Wechseln ebenfalls in zwei von drei Fällen das Auto gewinnt. Der Kandidat sollte also seine Wahl zugunsten von Tor 2 ändern.

Formelle mathematische Lösung

Es sind die Ereignisse definiert:

G_i \ : Der Gewinn ist hinter Tor i (i = 1, 2, 3)
M_j \ : Der Moderator hat das Tor j geöffnet (j = 1, 2, 3)

Es liegt folgende Situation vor: Der Kandidat hat Tor 1 gewählt, und der Moderator hat daraufhin das Tor 3 geöffnet. Lohnt es sich für den Kandidaten zu wechseln? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Auto hinter Tor 2 ist? Gesucht ist also die bedingte Wahrscheinlichkeit P(G_2|M_3) \ , dass das Auto hinter Tor 2 ist, wenn bekannt ist, dass es nicht hinter Tor 3 ist. Man kann diese Wahrscheinlichkeit mit dem Bayestheorem ermitteln.

Auf Grund der Aufgabenstellung (Regeln 1, 4 und 5) gelten folgende Voraussetzungen:


\begin{align}
&(1) &P(G_1) = P(G_2) = P(G_3) = \tfrac{1}{3}  \\
&(4) &P(M_3|G_1) = \tfrac{1}{2}  \\
&(5) &P(M_3|G_2) = 1  \\
&(5) &P(M_3|G_3) = 0  
\end{align}

Die Anwendung des Bayestheorems ergibt dann:


\begin{align}
P(G_2|M_3) & = \frac{P(M_3|G_2)P(G_2)}{P(M_3|G_1)P(G_1)+P(M_3|G_2)P(G_2)+P(M_3|G_3)P(G_3)}\\
& = \frac{ 1 \cdot \tfrac{1}{3} } { \tfrac{1}{2} \cdot \tfrac{1}{3} + 1 \cdot \tfrac{1}{3} + 0 \cdot \tfrac{1}{3}} = \tfrac{2}{3}.\end{align}

Der Kandidat sollte also wechseln, um seine Gewinnchancen von anfangs 1/3 auf nun 2/3 zu verdoppeln.

Der faule Moderator

Der Moderator, der nicht gerne große Wege zurücklegt, öffnet am liebsten Tor 3, weil er dort in der Nähe seinen Standort als Showmaster hat. Wenn also hinter dem vom Kandidaten gewählten Tor 1 das Auto stünde, dann würde er mit Sicherheit Tor 3 öffnen, auf keinen Fall aber Tor 2.[8]

Tabellarische Lösung

Für die folgende Erklärung wird angenommen, dass der Kandidat zu Anfang Tor 1 gewählt hat. Für die Situationen, in denen der Kandidat die Tore 2 bzw. 3 gewählt hat und der Moderator dementsprechend andere Tore öffnet, gilt eine analoge Erklärung. Obwohl es hier ausreichen würde, die drei ersten Spielsituationen zu betrachten, werden sechs Fälle unterschieden, um die Problemstellung vergleichbar mit der obigen tabellarischen Lösung beim ausgeglichenen Moderator modellieren zu können. Jede Spielsituation wird also zweimal betrachtet. Das entspricht einem Zufallsexperiment bei dem die beiden Ziegen voneinander unterschieden werden können, und jede Verteilung von Auto und Ziegen hinter den drei Toren gleichwahrscheinlich ist (Laplace-Experiment).

Kandidat wählt Tor 1 und wechselt, sobald der Moderator ein anderes Tor öffnet
Moderator möchte Tor 3 öffnen Moderator möchte Tor 3 öffnen
1 Thumb down icon.svg Der Moderator öffnet Tor 3 Auto hinter Tor 1
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege. Bei einem Wechsel verliert der Kandidat.
4 Thumb down icon.svg Der Moderator öffnet Tor 3 Auto hinter Tor 1
Identisch zu Fall 1. Der Moderator hätte ja die Möglichkeit, Tor 2 zu öffnen, vermeidet dies jedoch.
2 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 3 Auto hinter Tor 2
Der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege. Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat
5 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 3 Auto hinter Tor 2
Identisch zu Fall 2. Der Moderator muss Tor 3 öffnen
3 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 2 Auto hinter Tor 3
Der Moderator muss Tor 2 mit einer Ziege öffnen. Bei einem Wechsel gewinnt der Kandidat.
6 Thumb up icon.svg Der Moderator öffnet Tor 2 Auto hinter Tor 3
Identisch zu Fall 3. Der Moderator muss Tor 2 öffnen

Zur Auswertung der Tabelle müssen nun die Fälle betrachtet werden, in denen der Moderator das Tor 3 öffnet (das ist die Bedingung). Das sind die Fälle 1, 2, 4 und 5. Man sieht, dass nur in zwei von vier dieser Fälle der Kandidat durch Wechseln gewinnt. Seine Gewinnwahrscheinlichkeit ist demnach hier nur p = 1/2. Es kann ebenso leicht aus der Tabelle abgelesen werden, dass, wenn der Moderator Tor 2 öffnet, der Kandidat sicher gewinnt, wenn er zu Tor 3 wechselt.

Formelle mathematische Lösung

Es liegt folgende Situation vor: Der Kandidat hat Tor 1 gewählt, und der Moderator hat daraufhin das Tor 3 geöffnet. Es gelten dann folgende mathematische Beziehungen unter Berücksichtigung der oben definierten Ereignismengen:


\begin{align}
&P(G_1) = P(G_2) = P(G_3) = \tfrac{1}{3}   \\
&P(M_3|G_1) = 1  \\
&P(M_3|G_2) = 1  \\
&P(M_3|G_3) = 0  \\
\end{align}

Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet:


\begin{align}
P(G_2|M_3) & = \frac{P(M_3|G_2)P(G_2)}{P(M_3|G_1)P(G_1)+P(M_3|G_2)P(G_2)+P(M_3|G_3)P(G_3)}\\
& = \frac{ 1 \cdot \tfrac{1}{3} } { 1 \cdot \tfrac{1}{3} + 1 \cdot \tfrac{1}{3} + 0 \cdot \tfrac{1}{3}} = \tfrac{1}{2}.\end{align}

Für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto tatsächlich hinter Tor 1 befindet, gilt aber ebenfalls


\begin{align}
P(G_1|M_3) & =  \tfrac{1}{2}.\end{align}

Der Gewinn hinter Tor 2 ist genauso wahrscheinlich wie der Gewinn hinter Tor 1. Der Kandidat kann also ebenso gut bei Tor 1 bleiben wie zu Tor 2 wechseln. Seine Gewinnchance ist 1/2.

Der unausgeglichene Moderator

Wenn der Moderator die Möglichkeit hat, aus zwei Toren mit jeweils einer Ziege dahinter ein Tor auszusuchen (der Kandidat hat also das Tor mit dem Auto dahinter ausgewählt), dann öffnet er das Tor mit der höchstmöglichen Nummer mit der Wahrscheinlichkeit q und das Tor mit der niedrigeren Nummer mit der Wahrscheinlichkeit q* = 1 - q. Dann gelten folgende mathematische Beziehungen unter Berücksichtigung der oben definierten Ereignismengen:


\begin{align}
&P(G_1) = P(G_2) = P(G_3) = \tfrac{1}{3}   \\
&P(M_3|G_1) = q \\
&P(M_3|G_2) = 1 \\
&P(M_3|G_3) = 0 \\
\end{align}

Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann für die bedingte Wahrscheinlichkeit dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet:


\begin{align}
P(G_2|M_3) & = \frac{P(M_3|G_2)P(G_2)}{P(M_3|G_1)P(G_1)+P(M_3|G_2)P(G_2)+P(M_3|G_3)P(G_3)}\\
& = \frac{ 1 \cdot \tfrac{1}{3} } { q \cdot \tfrac{1}{3} + 1 \cdot \tfrac{1}{3} + 0 \cdot \tfrac{1}{3}} = \tfrac{1}{q + 1}.\end{align}

Diese Berechnung beschreibt den allgemeinen Fall, aus dem sich "Der ausgeglichene Moderator" (q = 1/2) und "Der faule Moderator" (q = 1) als Spezialfälle ableiten lassen.[9]

Die allgemeine Lösung

Aus der Betrachtung des unausgeglichenen Moderators lässt sich ableiten, dass unabhängig von seiner jeweiligen Vorliebe für ein bestimmtes Ziegentor die Gewinnwahrscheinlichkeit durch Wechseln immer mindestens 1/2, im Durchschnitt sogar 2/3 beträgt. Solange der Moderator gemäß der Spielregeln gezwungen ist, immer ein nichtgewähltes Ziegentor zu öffnen, sollte ein Kandidat also in jedem Fall seine Wahl des Tors ändern.

Siehe auch

Literatur

  • Gero von Randow: Das Ziegenproblem – Denken in Wahrscheinlichkeiten. Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-19337-X, Neuauflage: Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3-499-61905-9.
  • Olle Häggström: Streifzüge durch die Wahrscheinlichkeitstheorie. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-23050-5.
  • Henk Tijms: Understanding Probability, Chance Rules in Everyday Life. University Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-83329-9.
  • Gerd Gigerenzer: Das Einmaleins der Skepsis – Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. Berlin-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8270-0079-3.
  • Hans-Otto Georgii: Stochastik, Einführung in Wahrscheinlichkeitstheorie und Stochastik. de Gruyter, 2004, ISBN 3-11-018282-3, S. 54f.
  • Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger. Vieweg, 1997, ISBN 3-528-06894-9, S. 51-52, 105-107.
  • Charles M. Grinstead, J. Laurie Snell: Grinstead and Snell’s Introduction to Probability. 4. Juli 2006 (Online version of Introduction to Probability, 2nd edition, American Mathematical Society, Copyright (C) 2003 Charles M. Grinstead and J. Laurie Snell, pdf, abgerufen am 2. April 2008).

Weblinks

 Commons: Ziegenproblem – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Ziegenproblem – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Craig F. Whitaker: Ask Marilyn. In: Parade Magazine. 9. September 1990, S. 16.
  2. John Tierney: Behind Monty Hall's Doors: Puzzle, Debate and Answer? In: The New York Times. 21. Juli 1991.
  3. Marc C. Steinbach: Von Autos, Ziegen und Streithähnen. Kapitel 4.2
  4. Game-Show-Problem – gesammelte Leserbriefe und Antworten innerhalb des Webauftritts von Marilyn vos Savant
  5. Peter R. Mueser, Donald Granberg: The Monty Hall Dilemma Revisited: Understanding the Interaction of Problem Definition and Decision Making. In: University of Missouri Working Paper. 1999-06.
  6. Jeffrey S. Rosenthal: Monty Hall, Monty Fall, Monty Crawl. In: Math Horizons. September 2008, S. 5-7.
  7. Stefan Krauss, X. T. Wang: The Psychology of the Monty Hall Problem: Discovering Psychological Mechanisms for Solving a Tenacious Brain Teaser. In: Journal of Experimental Psychology: General. 132 (1)2003.
  8. Jeffrey S. Rosenthal: Monty Hall, Monty Fall, Monty Crawl. In: Math Horizons. September 2008, S. 5-7.
  9. J. P. Morgan, N. R. Chaganty, R. C. Dahiya, M. J. Doviak: Let's make a deal: The player's dilemma. In: American Statistician. 45(1991), S. 284-287.

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