Weißenhofsiedlung

Weißenhofsiedlung
Luftbild 2004
Le Corbusier & P. Jeanneret, Doppelhaus
Mart Stam, Reihenhaus

Die Weißenhofsiedlung in Stuttgart wurde 1927 vom Deutschen Werkbund unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe von führenden Vertretern des Neuen Bauens errichtet, teilweise unter Verwendung experimenteller Materialien. Sie war das damals bedeutendste Beispiel für modernes Bauen. Der Name Weißenhof geht auf den Bäcker Georg Philipp Weiß zurück, der 1779 auf dem brachliegenden Gelände einen landwirtschaftlichen Betrieb (Meierei) errichtet hatte. Nach ihm sind die Siedlung und der Stuttgarter Stadtteil Weißenhof benannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Siedlung war Teil der 1927 vom Deutschen Werkbund initiierten Ausstellung „Die Wohnung“. Sie gilt als eine der bedeutendsten Architektursiedlungen der Neuzeit. In der kurzen Bauzeit von nur 21 Wochen entstanden 21 Häuser mit insgesamt 63 Wohnungen. Damit handelt es sich hier nicht um eine gewachsene Siedlung, sondern um das Resultat der Ausstellung „Die Wohnung“.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Siedlung wegen der weißen Dachterrassen als „Araberdorf“ bezeichnet und sollte abgerissen werden. Zu diesem Zweck wurde die Siedlung bereits an das Deutsche Reich verkauft. Zum Abriss kam es wohl auf Grund des Kriegsausbruchs nicht mehr, weshalb die Siedlung heute noch dem Bund gehört. Als Gegenentwurf wurde in Sichtweite des Weißenhofes von Vertretern der Stuttgarter Schule die Kochenhofsiedlung errichtet.

Im Zweiten Weltkrieg war auf dem Gelände ein Flugabwehrgeschütz installiert; es wurde daher Ziel von Luftangriffen. Teile der Siedlung wurden dabei zerstört.

Nach dem Krieg wurden einige unzerstörte bzw. nur leicht beschädigte Gebäude abgerissen, andere durch Satteldachaufbauten stark verfremdet. 1958 wurde die Siedlung unter Denkmalschutz gestellt. In den 1980er Jahren wurden die noch verbliebenen Gebäude saniert. Den Vorschlag der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, das benachbarte, Anfang der 1980er-Jahre zum Verkauf stehende Bauensemble, zumindest Teile daraus künftig als Unterrichts-, Atelier-, Bibliotheks- und Verwaltungsräume zu nutzen und aus dem entstehenden Campus eine Stätte internationaler Begegnung zu machen, lehnte jedoch das Land Baden-Württemberg – bei Befürwortung der Stadt Stuttgart – ab. Bereits Ende 1980 hatte Oberbürgermeister Manfred Rommel gegenüber dem Minister für Wissenschaft und Kunst, Helmut Engler, erklärt: "Die Akademie in der Weißenhofsiedlung unterzubringen, würde sicherlich zu einer städtebaulichen und kulturellen Bereicherung unserer Stadt beitragen." [1] Der Projektvorschlag "Ergänzungen der 'Weissenhof-Siedlung' in Stuttgart" des Schweizer Architekten und ehemaligen Le Corbusier-Mitarbeiters Alfred Roth aus dem Jahre 1981 ging mit der Akademie-Initiative völlig konform.

Bis heute ist der Bund Eigentümer der Siedlung, plant jedoch den Verkauf der Immobilien; 2002 kündigte der Bund zunächst an, die Gebäude einzeln verkaufen zu wollen. Darauf reagierte die Stadt Stuttgart mit dem Wunsch, das Gebäudeensemble als Ganzes in eine Stiftung einzubringen. Zwischen Bund und Stadt besteht jedoch nach wie vor Uneinigkeit über den Kaufpreis für die Siedlung.

2002 erwarb die Stadt vom Bund ein zur Siedlung gehörendes Doppelhaus von Le Corbusier und Pierre Jeanneret. Am 25. Oktober 2006 wurde in dem Gebäude nach drei Jahren originalgetreuer Sanierung das Weissenhofmuseum mit historischen Dokumenten und Architektur-Modellen eröffnet.

Beteiligte Architekten

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Kermer: Statement zur Eröffnung der Ausstellung „Weißenhof 1927-87“ am 6. Mai 1983. In: Ders., „1968“ und Akademiereform. Von den Studentenunruhen zur Neuorganisation der Stuttgarter Akademie in den siebziger Jahren. Ostfildern-Ruit: Cantz Verlag, 1998 [Beiträge zur Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart / hg. von Wolfgang Kermer; 9] ISBN 3-89322-446-7, S. 102f.

Literatur

  • Valerie Hammerbacher, Krämer, Anja: Die Weissenhofsiedlung - Ein gebautes Manifest der Moderne, 2008, (ISBN 978-3-940825-05-6)[Der Hörführer / Audio Book begleitet durch die Siedlung]
  • Valerie Hammerbacher, Dorothee Keuerleber: Weißenhofsiedlung Stuttgart. Books on Demand, Norderstedt 2002, ISBN 3-8311-4205-X. (Inhaltsangabe, PDF-Datei, 1 S.)
  • Jürgen Joedicke: Weißenhofsiedlung Stuttgart. Deutsch, Englisch. Krämer, Stuttgart 2000, ISBN 3-7828-0468-6.
  • Wolfgang Kermer: Willi Baumeister und die Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ Stuttgart 1927. Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Stuttgart 2003, ISBN 3-931485-55-2. (Wolfgang Kermer (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. 11.)
  • Karin Kirsch: Die Weißenhofsiedlung. Bildband. DVA, München 1987, ISBN 3-421-02881-8.
  • Karin Kirsch: Weißenhofsiedlung. Kleiner Führer. Ein Denkmal der modernen Architektur. DVA, München 2006, ISBN 3-421-03543-1.
  • Stefanie Plarre: Die Kochenhofsiedlung. Das Gegenmodell zur Weißenhofsiedlung. Paul Schmitthenners Siedlungsprojekt in Stuttgart 1927 bis 1933. Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Hohenheim 2001, ISBN 3-89850-972-9.
  • Richard Pommer, Christian F. Otto: Weißenhof 1927 and the Modern Movement in Architecture. The University of Chicago Press, Chicago, Illinois 1991, ISBN 0-226-67515-7.
  • Manfred Ulmer, Jörg Kurz: Die Weißenhofsiedlung. Geschichte und Gegenwart. Hampp, Stuttgart 2006, ISBN 3-936682-05-4.
  • Die Weißenhofsiedlung. Briefe und Protokolle. DVA, München 1997, ISBN 3-421-03128-2.

Weblinks

 Commons: Weißenhofsiedlung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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