Wally (Schiele)

Wally (Schiele)
Egon Schiele: Wally

Bildnis Walburga Neuzil, meist Wally genannt, ist der Titel eines 1912 vom expressionistischen österreichischen Maler Egon Schiele (1890–1918) geschaffenen Porträts. Modell stand Egon Schieles junge Geliebte Walburga Neuzil (Wally). Das Ölgemälde der Wiener Leopold Museum Privatstiftung war, in New York ausgestellt, von 1998 an Gegenstand eines Rechtsstreits[1] in den USA, der im Juli 2010 gütlich beigelegt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Bildes

Entstehung

1911 zog Schiele in den Heimatort seiner Mutter, Krumau in Böhmen, wo er seine bekannten Häuserbilder malte. Er lebte dort quasi in wilder Ehe mit dem Modell Wally Neuzil. Im Herbst übersiedelte er nach Neulengbach, wo er 1912 wegen Missbrauchs einer Minderjährigen beschuldigt und beim Gericht in St. Pölten nach 14 Tagen in Untersuchungshaft zu drei Tagen Arrest verurteilt wurde. Danach übersiedelte Schiele 1912 nach Wien[2]. Als Schiele 1915 Edith Harms heiratete, aber die Beziehung zu Wally Neuzil dennoch fortsetzen wollte, brach sie mit ihm. Neuzil starb 1917 als Kriegskrankenschwester in Dalmatien an einer ansteckenden Krankheit. .

Besitzer

Das Kunstwerk ging nach zweimaligem Besitzerwechsel in das Eigentum von Lea Bondi-Jaray, Inhaberin der Wiener Kunstgalerie Würthle, über. Im Zuge der sogenannten Arisierung der Galerie (1938) presste der Kunsthändler Friedrich Welz (1903–1980), Salzburg, der Galeristin das Gemälde ab. 1945 konfiszierten es die amerikanischen Besatzungsbehörden bei ihm und gaben es 1947 an das Bundesdenkmalamt weiter, zusammen mit Werken, die Welz von Dr. Heinrich Rieger erhalten hatte. Das Bundesdenkmalamt gab irrtümlich das ganze Konvolut 1950 an die im Ausland lebenden Rieger-Erben zurück; diese übernahmen auch das Bildnis Wally ohne Widerspruch. Riegers Erben wussten, dass dieser eine Porträtzeichnung von Schiele besessen hatte, welche die Frau des Künstlers zeigte, jedoch konnte es sich dabei nicht um das Bildnis Wally gehandelt haben, da dieses in Öl gemalt ist und bereits 1912 entstand, lang bevor Schiele heiratete. Allerdings war den Erben der volle Umfang der Riegerschen Sammlung, wie sie 1938 bestanden hatte, nicht bekannt. (Die Sammlung hatte schon 1921 658 Positionen umfasst[3].) Der Widerspruch blieb unaufgeklärt. Der Rechtsanwalt der Rieger-Erben verkaufte das Bildnis Wally noch im gleichen Jahr an die Österreichische Galerie Belvedere.

Angeblich bat Lea Bondi-Jaray Anfang der 1950er Jahre den auf österreichische Werke der Moderne und insbesondere Werke von Schiele spezialisierten Kunstsammler Rudolf Leopold (1925–2010) persönlich, ihr bei der Zurückerlangung der „Wally“ behilflich zu sein. Dieser war jedoch selbst am Gemälde interessiert und erwarb es 1954 vom Belvedere. 1994 war das Gemälde eines von mehr als 5000 Kunstwerken, die Leopold in die gemeinsam mit dem Staat gegründete Leopold Museum Privatstiftung einbrachte. Mittlerweile war Egon Schiele so berühmt geworden, dass kein staatliches Museum in Österreich ein Werk von ihm verkaufen würde.

Beschlagnahme

Das Gemälde wurde 1998 unmittelbar nach der großen Ausstellung „Egon Schiele: The Leopold Collection, Vienna“ im New Yorker Museum of Modern Art (MoMa) als Raubkunst beschlagnahmt[4] . Der Beschlagnahme war ein Artikel in der „New York Times“ vom 24. Dezember 1997 über die Sammlung vorausgegangen, der sich auf Aussagen von Vorbesitzern stützte und Bilder „mit schwieriger Vergangenheit“ anführte. Gemeinsam mit dem „Bildnis Wally“ wurde das Werk „Tote Stadt III“ aus dem ehemaligen Eigentum von Fritz Grünbaum in Verwahrung genommen, für das aber ein Jahr später eine Rückgabe an das Leopold Museum erfolgte, weil die Klage nicht von rechtmäßigen Erben vorgebracht worden war. Für das „Bildnis Wally“ wurde in den USA die Einleitung einer strafrechtlichen Voruntersuchung eingeleitet.

Auswirkungen des Rechtsstreits

Im Herbst 1998 ernannte in Österreich Bildungsministerin Elisabeth Gehrer eine Kommission für Provenienzforschung zur systematischen Klärung der Herkunft der Bestände der Bundesmuseen. (Die Leopold Museum Privatstiftung war davon nicht direkt betroffen.) Eine weitere Auswirkung des Rechtsstreites um das Porträt Wally war die Verabschiedung des so genannten Kunstrestitutionsgesetzes (BGBl. 181 / 1998) durch den Nationalrat im Dezember 1998, die gesetzliche Grundlage für die Rückgabe von Kunstgegenständen in Staatseigentum, die im Zuge oder als Folge der NS-Zeit in österreichische Bundesmuseen gelangt sind[5]. Die Leopold Museum Privatstiftung unterliegt als nichtstaatliche Einrichtung dem Restitutionsgesetz nicht. Allerdings wurden an sie auf Grund des hohen Staatsanteils an der Stiftung in Medien moralische Ansprüche wie an Bundesmuseen erhoben.

Entscheidungen in den USA

Nach Einwänden der Stiftung gestattete das Urteil des zuständigen Bundesrichters vom Dezember 2000 die Fortsetzung der in den USA angestrengten Untersuchungen, da es sich hier nicht um ein „gewöhnliches Verfahren“ handle, sondern um grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit der Rückgabe der in der nationalsozialistischen Ära gestohlenen Güter. 2006 wollte das Gericht Rudolf Leopold als Zeugen einvernehmen[6].

Am 30. September 2009 entschied die zuständige Richterin des United States District Court in New York, Judge Preska, dass es auf Grund der Beweislage außer Streit stehe, dass das Gemälde Raubgut ist. Zudem sei Rudolf Leopold dieser Umstand bekannt gewesen, als er das Bild 1997 in die USA einführte. Damit schien der Fall klar zugunsten der klagenden Vereinigten Staaten entschieden zu sein. Aber die Richterin stellte auch fest, es sei gerechtfertigt, in einer weiteren Verhandlung über die Frage entscheiden zu lassen, ob Rudolf Leopold tatsächlich wusste, dass das Gemälde zum Zeitpunkt der Einfuhr in die Vereinigten Staaten gestohlen war[7].

Entscheidungen in Wien

Nach dem Tod des am 29. Juni 2010 verstorbenen Rudolf Leopold verzichtete das Leopold Museum auf die Weiterverfolgung des Rechtsstreits[8], zu dem für 26. Juli 2010 die Hauptverhandlung vor Gericht angesetzt war. Er hat die Leopold Museum Privatstiftung, die nun auf im Juli 2010 erfolgreich beendete Verhandlungen setzte, mehr als fünf Millionen Euro gekostet.

Rudolf Leopold soll für den Fall, dass der Erhalt des Gemäldes für das Leopold Museum nur durch Ankauf zu sichern sei, bereits Werke aus den Depotbeständen ausgesucht haben, durch deren Verkauf die Ankaufskosten teilweise gedeckt werden könnten. Bis zur Realisierung dieser Einnahmen würde der Kaufpreis durch einen Bankkredit vorfinanziert. Die Einigung mit den Erben nach Lea Bondy-Jaray und mit der Regierung der Vereinigten Staaten wurde am 21. Juli 2010 in Wiener Medien publiziert. Die physische Übergabe des Kunstwerks an Elisabeth Leopold und Carl Aigner (Vorstandsmitglieder der Leopold Museum Privatstiftung) fand am 27. Juli 2010 in New York statt. Vor dem Rücktransport nach Wien wurde „Bildnis Wally“ vom 29. Juli bis 18. August 2010 im New Yorker Museum of Jewish Heritage gezeigt.

Rudolf Leopolds Witwe Elisabeth Leopold, Mitglied des Stiftungsvorstandes, gab am 21. Juli 2010 an, ihr Mann habe die gütliche Einigung „von Anfang an“ angestrebt, die Vertreter der Republik Österreich im Stiftungsvorstand hätten allerdings lang auf der gerichtlichen Austragung der Auseinandersetzung beharrt: „Die Vorstandsmitglieder des Bundes wollten zunächst keine Einigung. Sie dachten, man gewinnt den Prozess. Wir waren daher gezwungen, den Prozess zu führen.“[9]. Stellungnahmen von Vorstandsmitgliedern des Bundes zu dieser Mitteilung liegen nicht vor.

Gemeinsame Erklärung

Anlässlich der Einigung der Erben, des Museums und der US-Regierung darauf, dass das Gemälde gegen eine Zahlung von 19 Millionen $ (14,8 Millionen €[10]) definitiv Eigentum des Museums wird, wurde vereinbart, dass das Bild im Museum mit folgendem Begleittext[11] zu sehen sein wird:

Dieses Gemälde ('Bildnis Wally' von Egon Schiele) war persönliches Eigentum von Lea Bondi-Jaray, einer jüdischen Kunsthändlerin in Wien, die 1939 nach London floh, wo sie 1969 verstarb. Das Gemälde wurde 1998-2010 Gegenstand eines Gerichtsverfahrens in New York City, nachdem es das Leopold Museum 1997 als Teil einer Ausstellung von Schieles Werken aus der Sammlung des Leopold Museums dem Museum of Modern Art in New York (MoMA) geliehen hatte.
Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika strengte 1999 eine zivilrechtliche Einziehungsklage in New York an und behauptete, dass das Gemälde seinerzeit während der nationalsozialistischen Zeit von einem Nazi namens Friedrich Welz von Lea Bondi-Jaray gestohlen und 1997 unter Verletzung von US-Recht vom Leopold Museum eingeführt worden sei. Der Nachlass von Lea Bondi-Jaray machte im Rahmen des Verfahrens einen Anspruch auf das Gemälde geltend; und die US-Regierung erklärte sich damit einverstanden, dass man nach Einziehung des Gemäldes alle Eigentumsrechte hieran an den Nachlass übertragen werde.
Auf Grundlage des Beweismaterials, das im Rahmen dieser Sache vorgelegt wurde, kam die Lokalabteilung des Bundesgerichts (United States District Court) in New York 2009 zu dem Schluss, dass das Gemälde persönliches Eigentum von Lea Bondi-Jaray sei und dass Friedrich Welz, der ein Mitglied und Kollaborateur der Nazi-Partei gewesen war, sich das Werk im Wien der späten 1930er Jahre widerrechtlich angeeignet habe. Das Gericht stellte fest, dass das Gemälde nach dem Krieg von Welz durch die US-Streitkräfte in Österreich konfisziert und 1947 zusammen mit anderen Gemälden, die Welz von Dr. Heinrich Rieger erhalten hatte, einem jüdischen Kunstsammler, der dem Holocaust seinerzeit zum Opfer gefallen war, an das österreichische Bundesdenkmalamt (BDA) übergeben worden war.
1950 übergab das Bundesdenkmalamt Kunstwerke an einen Vertreter der Rieger-Erben, so auch das besagte Gemälde. Im späteren Verlauf des Jahres verkauften die Rieger-Erben ihre Werke an die Österreichische Galerie ("Belvedere"), wobei das Gemälde Teil des Lieferumfangs war. 1954 kam ein Geschäft zwischen dem Belvedere und Dr. Rudolf Leopold zustande, bei dem Dr. Rudolf Leopold das Gemälde erwarb. 1994 überließ Dr. Leopold das Gemälde dem Leopold Museum. Im Anschluss an die gerichtliche Feststellung dieser Streitpunkte wurde die Sache 2010 von der US-Regierung, dem Nachlass und dem Leopold Museum endgültig beigelegt. Das Leopold Museum erklärte sich bereit, dem Nachlass einen erheblichen Betrag zu bezahlen; im Gegenzug ist der Nachlass dazu verpflichtet, den Besitzanspruch auf das Gemälde zugunsten des Leopold Museums aufzugeben. Die US-Regierung verpflichtete sich, die Einziehungsklage abzuweisen und das Gemälde an das Leopold Museum freizugeben.

Literatur

  • Gabriele Anderl, Alexandra Caruso: NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, Studien Verlag 2005, ISBN 3-7065-1956-9.
  • Hilde Berger: Tod und Mädchen. Egon Schiele und die Frauen, Boehlau Verlag 2009, ISBN 978-3-205-78378-7
  • Robert Holzbauer, Klaus Pokorny: Verwehte Spuren. Das Schicksal der Wally Neuzil (1894-1917), Im Leopold Museum, Wien 2010, Ausg. 2/2010, S. 8-11

Einzelnachweise

  1. Onlineauftritt Der Standard US-Gericht will Rudolf Leopold als Zeugen hören 9. Juli 2006
  2. Onlineauftritt Die Sammlung Leopold siehe Egon Schiele - Biographie
  3. Dossier des Unterrichtsministeriums zu Dr. Heinrich Rieger
  4. Onlineauftritt Die Sammlung Leopold siehe Provenienzforschung: wo das Bild mit Porträt Wally benannt wird
  5. Onlineauftritt Der Standard Kunst-Restitution in Österreich 17. Januar 2006
  6. Onlineauftritt Der Standard US-Gericht will Rudolf Leopold als Zeugen hören 9. Juli 2006
  7. Urteil des United States District Court, Southern District of New York vom 30. September 2009; als pdf-Datei, Homepage Looted Art, abgerufen am 21. Juli 2010
  8. Blogspot des Anwaltes Ray Dowd, abgerufen am 21. Juli 2010
  9. Ich glaube, man hat Rudolf Leopold sehr unrecht getan, Elisabeth Leopold im Gespräch mit Thomas Trenkler, in: Tageszeitung Der Standard, Wien, 22. Juli 2010, S. 3
  10. Olga Kronsteiner: Leopolds letzte Liebesgabe, in: Tageszeitung Der Standard, Wien, 24. Juli 2010, Beilage Album, S. A5
  11. Zitat: ORF-Website, 21. Juli 2010

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