Umwelt-Bibliothek

Umwelt-Bibliothek
Die Berliner Umweltbibliothek im Januar 1990

Die Umwelt-Bibliothek (auch Umweltbibliothek) im Keller des Gemeindehauses der Zionskirchengemeinde im Berliner Stadtbezirk Mitte war von 1986 bis 1990 ein bedeutender Treffpunkt der oppositionellen Umwelt-, Friedens- und Dritte-Welt-Bewegung der DDR. Die Bibliothek verlor ab 1990 an Bedeutung und wurde 1998 aufgelöst.

Inhaltsverzeichnis

Gründung und Konzeption

Ausgabe des Telegraph

Die Umweltbibliothek wurde am 2. September 1986 auf Initiative der Umweltschützer Carlo Jordan, Oliver Kämper, Wolfgang Rüddenklau und Christian Halbrock gegründet. Als Vorbild dienten dabei die polnischen Fliegenden Universitäten. Der Pfarrer an der Zionskirche, Hans Simon, stellte den Initiatoren zwei Kellerräume im Gemeindehaus hierfür zur Verfügung. Neben der Sammlung von meist verbotenen Büchern und Zeitschriften zu Umwelt- und Menschenrechtsthemen diente die Bibliothek auch als Ort für konspirative Treffen von DDR-Oppositionellen. Es fanden Vorträge und Konzerte von oppositionellen Bürgerrechtlern und Künstlern statt. Außerdem gab es regelmäßige Filmvorführungen.

Die Umwelt-Bibliothek stellte die Samisdat-Zeitschrift Umweltblätter her, die später den Titel Telegraph erhielt. Diese Zeitschrift wurde bis zur Wende zum bedeutendsten Organ der DDR-Opposition. Auch andere oppositionelle Veröffentlichungen, darunter der Grenzfall, wurden in der Umwelt-Bibliothek gedruckt, die die einzige nicht vom Staat kontrollierte Druckerei der DDR war.

Stasi-Razzia 1987

In der Nacht vom 24. auf den 25. November startete das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) die „Aktion Falle“, in der die Bibliothek durchsucht wurde und mehrere Mitarbeiter verhaftet wurden. Mit dieser Razzia erlangte die Bibliothek internationale Bekanntheit. Die West-Medien berichteten ausführlich über das Ereignis und verschafften den in der Umwelt-Bibliothek organisierten Aktivisten eine bis dahin nicht gekannte Öffentlichkeit. In der ganzen DDR kam es zu Solidaritätsbekundungen für die Umwelt-Bibliothek und deren Mitarbeiter. Die verhafteten Aktivisten der Umwelt-Bibliothek blieben nicht lange in Haft und kamen alle straflos wieder frei. Die Umwelt-Bibliothek erlangte nach der MfS-Razzia enormen Zulauf. Sie wurde bis zum Ende der DDR vom Regime geduldet.

Interne Konflikte 1988

Carlo Jordan, der die Umwelt-Bibliothek 1988 verließ (hier 1990 als Sprecher der Grünen Partei der DDR)

Im Frühjahr 1988 brach ein interner Streit in der Umwelt-Bibliothek über die weitere Strategie der DDR-Umweltbewegung aus. Ein Teil der Gruppe hatte das Ziel, die Umwelt-Bibliothek noch weiter zu einem Netzwerk der gesamten DDR-Umweltbewegung auszubauen. Eine andere Gruppe lehnte diese Überlegungen ab und befürchtete, dass dies zu einer Zentralisierung der Bewegung und schließlich zu parteiähnlichen Strukturen führen könnte. Den Konflikt zwischen den beiden Lagern heizte dabei ein Inoffizieller Mitarbeiter des MfS an. Schließlich spaltete sich eine Gruppe um den späteren Parteisprecher der Grünen Partei in der DDR, Carlo Jordan, ab und gründete das Grün-Ökologische Netzwerk Arche, mit dem diese versuchte, ein Netzwerk der DDR-Umweltbewegung zu schaffen.

Wende 1989/90

Im Wende-Jahr 1989 beteiligten sich die Aktivisten der Umwelt-Bibliothek an mehreren Mahnwachen und anderen Protestaktionen. Unter dem Strich verlor die Umweltbewegung jedoch im Vergleich zu den Jahren 1987/88 zunehmend an Bedeutung und war nicht mehr einer der Hauptakteure der DDR-Opposition. Die von der Umwelt-Bibliothek herausgegebene Zeitschrift „Telegraph“ blieb aber bis Dezember 1989 die einzige oppositionelle journalistische DDR-Publikation. Im Herbst 1990 nahm die Umwelt-Bibliothek ebenfalls an einem Hungerstreik teil, mit dem schließlich das Stasiunterlagengesetz erkämpft wurde.

Bedeutungsverlust nach der Wende

Nach der Wende nahm die Bedeutung der Umwelt-Bibliothek weiter ab. Es wurde jetzt ein eingetragener Verein als Träger gegründet, das Projekt wurde Träger einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. 1990 wurde die Bibliothek weiter zur Druckerei ausgebaut und erhielt einen angeschlossen Fahrradladen. Ab 1991 beheimatete es das Matthias-Domaschk-Archiv als bedeutendes privates Archiv zu den oppositionellen Bewegungen der DDR-Zeit. Im Dezember 1998 beschloss die Umwelt-Bibliothek, sich wegen mangelnder finanzieller Mittel selbst aufzulösen. Die Bestände gingen an die Robert-Havemann-Gesellschaft und die Umweltbibliothek der Grünen Liga.

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