Ulrich Kutschera

Ulrich Kutschera
Ulrich Kutschera

Ulrich Kutschera (* 1955 in Freiburg im Breisgau) ist ein deutscher Pflanzenphysiologe und Evolutionsbiologe. Er ist Professor am Institut für Biologie an der Universität Kassel (Berufung 1992) und arbeitet seit 2007 zusätzlich als Visiting Professor in den USA (Carnegie Institution for Science, Stanford University).

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Nach dem Studium der Biologie und Chemie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg von 1975 bis 1981 und der Diplomarbeit 1980/81 im Fach Zoologie bzw. Evolutionsbiologie bei Günther Osche wurde Kutschera 1985 zum Dr. rer. nat. promoviert (Fachgebiet Pflanzenphysiologie, Betreuer: Peter Schopfer, Note: summa cum laude). 1986 erhielt er den Goedecke-Forschungspreis für die beste Dissertation der Fakultät für Biologie.

Von 1985 bis 1988 war er zu einem Forschungsaufenthalt als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung in den USA, an der Stanford University in Kalifornien (Carnegie Institution; Department of Biological Sciences) und an der Michigan State University (MSU-DOE Plant Research Laboratory). Während der beiden ersten Jahre arbeitete er als US-Postdoctoral Fellow und danach als Research Associate (mit Lehrauftrag). Ab 1988 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Botanischen Institut der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. 1990 erfolgte seine Habilitation. 1992 wurde er auf die C4-Professur für Pflanzenphysiologie an die Universität Kassel berufen.

Seit 1993 hat er den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie inne. 2001 wurde ihm zusätzlich das Lehrgebiet Evolutionsbiologie übertragen. Im Februar 2007 erfolgte nach Gastvorträgen in den USA (u.a. Invited Speaker, AAAS Annual Meeting in San Francisco) die Ernennung zum Visiting Professor (Carnegie Institution for Science, Stanford University). Kutschera ist Mitglied im Beirat der religionskritischen Giordano Bruno Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus und Autor zahlreicher Lehrbücher. Er arbeitet aktiv als ehemaliger Vizepräsident des Verbandes Deutscher Biologen (2004–2007) und Vorsitzender des Arbeitskreises (AK) Evolutionsbiologie (seit 2002) gegen die Ausbreitung des Kreationismus sowie anderer Pseudowissenschaften. Zu wissenschaftspolitischen Auseinandersetzungen führte seine Auffassung, die Geisteswissenschaften sollten sich aus den „inneren Angelegenheiten und Fragestellungen“ der Naturwissenschaft heraushalten und anerkennen: „Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn außer im Lichte der Biologie.“ [1] Umstritten war dabei vor allem die von Kutschera getroffene Unterscheidung zwischen „Realwissenschaften“ und „Verbalwissenschaften“, mit der er seine Vorstellung der methodischen Unterschiede zwischen Natur- und Geisteswissenschaften auf eine Formel brachte.[2] Für Kutschera ist Denken ein biologischer Vorgang. Das Verständnis von "Geistesproduktionen des Menschen" sei deshalb Sache der Biologie.[3]

Kutschera ist Mitherausgeber (Associated Editor bzw. Editorial Board member) folgender internationaler Fachjournale: Theory in Biosciences; Evolution, Education & Outreach; Annals of the History and Philosophy of Biology; Journal of Applied Botany; Lauterbornia; Plant Signaling & Behavior; Current Research in Biological Sciences.

Forschungsschwerpunkte

Kutschera beschäftigt sich auf dem Gebiet der Symbioseforschung mit epiphytischen Bakterien als Phytosymbionten. Spezialthemen auf diesem Gebiet sind beispielsweise die Ko-Evolution des Systems Bakterium-Pflanze oder die Wachstumsregulation über prokaryotische Epiphyten (Methylobakterien). Die Biophysik des pflanzlichen Zellwachstums und die Proteom-Analytik in Bezug zu verschiedenen Phytohormonen sowie die Funktion der Polymere bei der turgorgetriebenen Primärwand-Extension stellen einen weiteren Schwerpunkt dar (Kooperation U. K. mit Z.-Y. Wang und W. R. Briggs in Stanford, CA, USA, seit 2007).

Auch forscht Kutschera auf dem Gebiet der Phylogenese mehrzelliger Algen und Pflanzen sowie der Evolution, Systematik und Verhalten der Anneliden (Ringelwürmer). Insbesondere bei der Klasse der Egel (Hirudinea) ist molekulare Phylogenetik und DNA-Barcoding eine wichtige Vertiefungsrichtung seiner Arbeit (z. B. Entdeckung/Beschreibung des "Freiburger Bächle-Egels"[4] und des "Golden Gate Egels" von San Francisco[5]).

Auf übergeordneter Ebene beschäftigt sich Kutschera mit Wissenschaftstheorie und Evolution, so etwa mit der Entwicklung der Theorie der biologischen Evolution zur Erweiterten Synthese (Expanded Synthesis) und der Etablierung der Evolutionären Pflanzenphysiologie als Wissenschaftsdisziplin (Kooperation U. K. mit K. J. Niklas, Cornell University, NY, USA, seit 2003). Weiterhin wurde von Kutschera die Evolutionsbiologie als Theoriensystem definiert und das Synade-Modell der Makroevolution formuliert - "Synade" ist ein von Kutschera geprägtes Kunstwort für Symbiogenese, natürliche Selektion und dynamische Erde [6].

Mitgliedschaften

Publikationen (Auswahl)

Lehrbücher und Monographien

  • Kutschera, U. (1995): Kurzes Lehrbuch der Pflanzenphysiologie, Quelle & Meyer Verlag, Wiesbaden, ISBN 3-8252-1861-9
  • Kutschera, U. (1998): Grundpraktikum zur Pflanzenphysiologie, Quelle & Meyer Verlag, Wiesbaden, ISBN 3-8252-2026-5
  • Kutschera, U. (2001): Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung, Parey Buchverlag, Berlin, ISBN 3-8001-4567-7, ISBN 3-8263-3348-9
  • Kutschera, U. (2002): Prinzipien der Pflanzenphysiologie, 2. Auflage, Spektrum Verlag, Heidelberg, ISBN 3-8274-1121-1
  • Kutschera, U. (2004): Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design, Lit-Verlag, Münster, ISBN 3-8258-7286-6 (2. Auflage, 2007)
  • Kutschera, U. (Hg.) (2007): Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen, Lit-Verlag, Münster, ISBN 978-3-8258-9684-3
  • Kutschera, U. (2008): Evolutionsbiologie, 3. Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, ISBN 3-8252-8318-6
  • Kutschera, U. (2009): Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, ISBN 978-3-423-24707-8 (3. Auflage, 2010)
  • Kutschera, U. (2011): Darwiniana Nova. Verborgene Kunstformen der Natur, Lit-Verlag, Münster, ISBN 978-3-643-10378-9
  • ca. 200 wissenschaftliche Veröffentlichungen (Stand 12/2010)

Lehr-Videos

Video-Serie "Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte." (U. Kutschera mit L. Dörges und S. Schauer)[7].

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Laborjournal: Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn außer im Lichte der Biologie.
  2. http://www.sueddeutsche.de/kultur/geisteswissenschaften-angriff-auf-den-verbalwissenschaftler-1.613301 Sueddeutsche vom 6. Juli 2008, "Angriff auf Verbalwissenschaftler".
  3. http://www.laborjournal.de/rubric/archiv/editorials/320.lasso "Schlagabtausch: 'verbal' gegen 'real'", Laborjournal online vom 19. August 2008
  4. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biuz.201090093/abstract Kutschera, U. (2010) Der Freiburger Bächle-Egel und die Alpha-Taxonomie. Biol. Unserer Zeit 40 (6), S. 374 – 375.
  5. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/iroh.201111311/abstract Kutschera, U. (2011) The Golden Gate Leech Helobdella californica (Hirudinea: Glossiphoniidae): occurrence and DNA-based taxonomy of a species restricted to San Francisco. Int. Rev. Hydrobiol. 96 (3), S. 286 – 295.
  6. Kutschera, U. (2009): Tatsache Evolution, dtv, S. 307 und Kutschera, U. (2009): Symbiogenesis, natural selection, and the dynamic Earth. Theory Biosci. 128, S. 191 – 203.
  7. http://www.youtube.com/user/evolutionsbiologenDE YouTube Kanal mit Lehr-Videos

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