Kreationismus

Kreationismus
Die Erschaffung des Lichts von Gustave Doré

Kreationismus (von lat. creatio ‚Schöpfung‘) ist die Auffassung, dass die wörtliche Interpretation der Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen (insbesondere 1. Buch Mose) die tatsächliche Entstehung von Leben und Universum beschreibt. Der Kreationismus erklärt beides durch den unmittelbaren Eingriff eines Schöpfergottes in natürliche Vorgänge, was sich entweder auf die Schöpfung aus dem Nichts (Creatio ex nihilo) oder die Entstehung von Ordnung aus zuvor existierendem Chaos (Tohuwabohu) beziehen kann. Er entstand im 19. Jahrhundert in Teilen des Protestantismus als Widerstand gegen die damals aufkommende Naturforscherbewegung, die erstmals ein hohes Erdalter und eine Evolution des Lebens postulierte. Heute richtet sich der Widerstand einerseits gegen die moderne Naturwissenschaft, andererseits gegen den modernen säkularen Atheismus, die sich beide aus der Naturforscherbewegung entwickelten. Die größte Bedeutung hat der Kreationismus in den fundamentalistischen und evangelikalen christlichen Richtungen. Es haben sich auch in Islam und Judentum sehr kleine Splittergruppen mit wesensgleichen Ideen herausgebildet, die aber von ihrer Bedeutung her nicht vergleichbar sind. Gesellschaftlich und politisch spielt der Kreationismus eine besondere Rolle in den Vereinigten Staaten. Dort hat er unter Wählern der konservativen republikanischen Partei viele Anhänger, die ihn gerne zum Inhalt des Biologieunterrichts an Schulen machen würden. Da die US-amerikanische Verfassung ein Verbot religiöser Inhalte im Schulunterricht enthält und auch keinen gesonderten Religionsunterricht vorsieht, behaupten sie, der Kreationismus ließe sich wissenschaftlich vertreten und könne folglich ohne Konflikt mit der Verfassung unterrichtet werden. Vor Gericht ist jedoch stets gegen diese Ansicht geurteilt worden.

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung

Viele Menschen, die eine Schöpfung vertreten, sehen dies als Teil ihres religiösen Glaubens und als vereinbar mit der Naturwissenschaft oder davon grundsätzlich unabhängig.[1] Darunter fallen viele große Konfessionen, einschließlich der katholischen und vieler protestantischer Kirchen sowie auch manche islamische Glaubensgemeinschaften. Sie lehnen die durchgängig wörtliche Interpretation der heiligen Schrift und der darin beschriebenen Schöpfungsgeschichte grundsätzlich ab.[2] Sie wird als Text verstanden, der kritisch im historischen Kontext seiner Verfasser gelesen werden muss (Historisch-kritische Methode). Viele religiöse Menschen verstehen sie auch als Metapher, die eine Bedeutung lediglich außerhalb der Naturwissenschaft hat.

Solche Standpunkte werden manchmal in eine breitere Definition des Begriffs Kreationismus mit aufgenommen. Der Kreationismus im engeren Sinn vertritt jedoch die Ansicht, dass wissenschaftliche Aspekte für eine wörtliche Interpretation des im Buch Genesis (bei Christen und Juden) oder im Koran (bei Muslimen) beschriebenen Schöpfungsberichts sprechen. Diese Auffassung der Irrtumslosigkeit und wörtlichen Interpretation der Bibel (evangelikale Exegese, fundamentalistische Hermeneutik) findet sich vorrangig in evangelikalen und in fundamentalistischen Bewegungen des Christentums sowie mitunter im Islam.

Obwohl der hebräische Urtext so ausgelegt werden kann, dass er die Schöpfung aus dem Nichts (creatio ex nihilo) implizit bestreitet, sehen einige Juden und Christen die Genesis als Stütze für den Absolutheitsanspruch ihres Schöpfungsglaubens. Sie gehen davon aus, dass die Schrift faktisch zutreffende Aussagen aus der Perspektive Gottes macht und ein Augenzeugenbericht über den Ursprung der Dinge ist.

Naturwissenschaftliche Erkenntnisse (als eine empirische Informationsquelle über die Naturgeschichte) stehen jedoch weitestgehend im Widerspruch zu dieser wörtlichen Interpretation der Bibel. Einige Kreationisten sind daher der Auffassung, dass die Naturwissenschaft und deren Grundannahmen unvereinbar mit dem religiösen Glauben sind und sich diesem unterordnen sollten. Kreationisten lehnen oft die Sichtweise der Naturwissenschaft im Allgemeinen und bestimmte wissenschaftliche Theorien im Besonderen ab. Dies bezieht sich vor allem auf die darwinsche Evolutionstheorie und ihre Bedeutung für die moderne Evolutionsbiologie. Während die gemeinsame Abstammung (dass Menschen aus Tieren hervorgegangen sind) vereinbar mit der Sichtweise einer kleinen Untergruppe der Kreationisten ist (Evolutionistischer Kreationismus), bereitet ihnen durchweg die natürliche Selektion als Ursache dafür größere Probleme. Die meisten Kreationisten bestreiten auch die naturwissenschaftlichen Theorien über den Ursprung des Lebens und der menschlichen Spezies, die geologische Erdgeschichte, die Entwicklung des Sonnensystems und den Ursprung des Universums.

Kreationismus im weiteren Sinn durchzieht die gesamte Religionsgeschichte. Im Allgemeinen jedoch wird damit Bezug genommen auf die Zeit ab den ersten Widersprüchen zwischen modernen Erkenntnissen der Naturforscher und Vertretern einer wortgetreuen Bibelauslegung bei der Datierung der Größenordnung des Erdalters, in deutlicherer Form dann mit der Aufstellung der Evolutionstheorie durch Charles Darwin. Andere Definitionen beziehen sich dagegen auf die Einführung der Evolutionstheorie im Schulunterricht.

Geschichte

Befürworter des Kreationismus beanspruchen, dass ihre Wurzeln in den seit antiken Zeiten aufgeschriebenen Geschichten liegen. Diese Schriften wurden insbesondere in den Religionsbüchern der Tora, der Bibel und im Koran gesammelt, konzentriert und damit weitgehend fixiert. Alle drei Werke verarbeiten die Ansichten der abrahamitischen Religionen zu Kosmologie, Welt-, und Naturgeschichte. Arabische bzw. muslimische Gelehrte ergänzten ihre Ansichten zur Schöpfung weiterhin durch Verwendung von griechischen Texten.

Mittelalter

Im Mittelalter (ca. 600 n. Chr. bis 1500 n. Chr.) war die Lehre von Juden, Christen und Muslimen stark auf ihre jeweilige Glaubensschrift fixiert, wobei deren Korrektheit nicht zur Diskussion stand. Die meisten Menschen in Europa und dem Nahen Osten sowie anderen Gebieten der islamischen Welt glaubten an ein ewiges göttliches Wesen (bekannt als Gott, JHWH oder Allah), das das gesamte Universum erschaffen habe. Dieser Glaube fußte vor allem auf der Autorität des Buchs Genesis (Tora, Bibel), des Korans und anderen frühen Beschreibungen der Geschichte, die als historisch verlässlich betrachtet wurden. Der Glaube an die unmittelbare Schöpfertätigkeit Gottes war im weitesten Sinne die vorherrschende Volksmeinung. Hinterfragung galt als Ketzerei oder Gotteslästerung und wurde streng bestraft, so dass sich kein größeres Konfliktpotential entfalten konnte.

Der Schöpfergott scheidet Licht und Finsternis (Sonne und Mond) von Michelangelo. Ein wörtliches Verständnis der Schöpfungsgeschichte hat die Kunst immer wieder inspiriert.
Michelangelos Erschaffung des Adam wird sehr oft als Sinnbild für die göttliche Schöpfung allgemein und den Kreationismus im Besonderen verwendet.

Renaissance

Die Renaissance (ca. 15. und 16. Jahrhundert) brachte eine erste qualitative Hinterfragung der biblischen Kosmologie. Mit der Aufklärung kam eine Vielzahl von wissenschaftlichen und philosophischen Bewegungen auf, welche die christlich-traditionellen Ansichten in Europa und Amerika herausforderten. Die Erforschung der Natur wurde mit dem Ziel vorangetrieben, den Plan Gottes zu verstehen. Man fand aber Widersprüche, die im revolutionären Frankreich als im Einklang mit der Evolution interpretiert wurden, während anderswo, besonders in England, klerikale Naturforscher nach Erklärungswegen suchten, die im Einklang mit dem biblischen Text standen und damit viele spätere kreationistische Argumente vorwegnahmen. Wissenschaftliche Theorien zum heliozentrischen Weltbild (ca. 16. Jahrhundert) führten in Europa zwar durchaus auch zu Konflikten mit der Kirchenobrigkeit, jedoch stand hierbei vor allem die grundsätzliche inhaltliche Glaubwürdigkeit des Bibeltextes selbst im Fokus. Der kreationistisch relevante Aspekt, ob und wie zu Weltbeginn oder später ein Schöpfergott tätig war, war davon nur indirekt betroffen.

18./19. Jahrhundert

Im 18. und 19. Jahrhundert zogen Naturforscher durch ihre Thesen die biblische Schöpfungsgeschichte immer mehr in Zweifel; sie sahen zunehmend Inhalte dieser Geschichte im Konflikt mit ihren empirischen Beobachtungen, die sie bei der wissenschaftlichen Hinterfragung der Naturgeschichte machten. Als Reaktion auf diese Anfechtung kam mit dem Kreationismus eine Gegenströmung unter den Anhängern der Schöpfungsgeschichte auf, die darauf abzielte, die wörtliche Korrektheit der religiösen Schriften zu rechtfertigen und wieder geltend zu machen, insbesondere die Worte des Buchs Genesis.

Während sich die Ansichten über ein sehr hohes Erdalter gerade weitläufig durchzusetzen begannen, stellte insbesondere Charles Darwins Theorie der natürlichen Selektion (ab 1858) die Beteiligung eines Gottes bei der Erschaffung der Arten in Frage. Diese Theorie bildet bis heute einen der wesentlichen Eckpfeiler der Biologie und Mikrobiologie. Vielfach wurde der Versuch unternommen, die Verbreitung von Darwins Theorie zu beschränken oder zu unterbinden, da in dem Aufklärungseffekt eine Gefahr für den religiösen Glauben gesehen wurde. Die jeweiligen Gesetzgeber (wobei Gewaltenteilung und die Trennung Kirche-Staat damals nur bedingt realisiert waren) stellten sich dabei oft auf die Seite der Kreationisten. Dennoch konnten Kreationisten die eigenständige Entwicklung hin zur allgemeinen Etablierung von Darwins Theorie langfristig nicht aufhalten.

20. Jahrhundert

Den letzten Höhepunkt des aufgeworfenen Konflikts bildete der Scopes-Prozess aus dem Jahr 1925 in Dayton, Tennessee (Vereinigte Staaten), bei dem ein Lehrer stellvertretend für aufklärerische Gruppen einen Musterprozess gegen den US-amerikanischen Bundesstaat führte, der kurz zuvor einen Bann gegen Darwins Lehre beschlossen hatte. Im Prozess wurde im Ergebnis gegen den Lehrer entschieden, das Urteil jedoch aufgrund von Formfehlern danach wieder aufgehoben. Beobachter werten das Verfahren selbst als Niederlage für die Anliegen des Kreationismus. In der Folgezeit kam es in den Vereinigten Staaten meist zu Entscheidungen, die den Verfassungsgrundsatz der Meinungs- und Redefreiheit in den Vordergrund stellten. Darwins Evolutionstheorie wurde in den öffentlichen Schulen der Vereinigten Staaten dominierend in der Frage des Ursprungs des Lebens.

Richtungen

Kurzzeitkreationismus

Hauptartikel: Junge-Erde-Kreationismus
Die Entstehung der Arten laut dem Kurzzeitkreationismus

Der Junge-Erde-Kreationismus (auch "Kurzzeitkreationismus" oder "24-Stunden-Tag-Theorie") ist der hauptsächlich von evangelikalen und fundamentalistischen Christen, aber auch von ultraorthodoxen Juden vertretene Glaube, dass die Erde von Gott vor wenigen tausend Jahren erschaffen wurde. Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung der Bibel und interpretieren den Schöpfungsbericht in der Bibel als Tatsachenschilderung. Aufgrund des vom englischen Erzbischof James Ussher (1581–1656) anhand biblischer Lebensläufe und Stammbäume berechneten Ussher-Lightfoot-Kalenders wird der Zeitpunkt der Schöpfung als der 23. Oktober 4004 v. Chr. angenommen. Dies entspricht einem Erdalter von rund 6000 Jahren. In der Regel gehen Junge-Erde-Kreationisten davon aus, dass die Erde bis etwa 10.000 Jahre alt ist (die Auffassungen darüber, ob das Universum das gleiche Alter hat, sind unterschiedlich). Deshalb werden von ihnen wissenschaftliche Methoden wie radiometrische Altersbestimmung, Isochronmethode, Eiskerndatierung und Dendrochronologie (siehe auch Altersbestimmung (Archäologie)) in Frage gestellt. Stattdessen werden die geologischen Belege hauptsächlich als das Resultat einer globalen Flut erklärt. Mitunter werden auch gängige Thesen wie die Kontinuität der Naturgesetze über historische Zeiträume in Frage gestellt; damit werden alternative Datierungen geologischer und astronomischer Ereignisse erzielt.

Die Flache Erde wird manchmal ebenfalls zum Kurzzeitkreationismus gerechnet.[3] Sie ist aber ein Standpunkt, von dem sich Kreationisten selbst im Allgemeinen zu distanzieren versuchen.[4] Sie wird immer wieder in diesem Kontext als Stilmittel zur zynischen Übertreibung, Karikierung und als stereotype Analogie verwendet. Im 20. Jahrhundert wurde die Flache Erde von der Flat Earth Society vertreten, deren letzter Präsident Charles K. Johnson inzwischen gestorben ist.

Moderner Geozentrismus

Hauptartikel: Geozentrismus

Als Geozentrismus bezeichnet man die Ansicht, dass Gott eine sphärische Welt schuf und sie im Zentrum des Universums platzierte. Sie wird umkreist von der Sonne, den Planeten und allem anderen. Alle wissenschaftlichen Behauptungen über das Erdalter sind Lügen; Evolution findet nicht statt. Sehr wenige Leute vertreten heutzutage einen solchen Glauben, beispielsweise tritt die Creation Science Association im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten hierfür ein.

Omphalos-Hypothese

Diese Hypothese postuliert, dass Gott die Erde in jüngerer Zeit erschuf, sie aber viel älter aussehen ließ. Dieser Glaube wird von einer kleinen Untergruppe der Junge-Erde-Kreationisten vertreten. Das Argument wurde erstmals 1857 von Philip Henry Gosse hervorgebracht. Er hielt daran fest, dass bestimmte physikalische und biologische Prozesse eine ältere Erscheinung benötigen, da die Welt periodisch ablaufen würde (Henne-Ei-Henne usw.) Es wird Omphalos-Hypothese (Nabelhypothese) genannt, weil es auf der Frage basiert, ob Adam (oder Eva) einen Nabel hatten (da sie als Erwachsene geschaffen und nicht geboren wurden, kann davon ausgegangen werden, dass sie nie eine Nabelschnur hatten). Gosse nahm an, dass Adam einen Nabel hatte, weil er bei allen Menschen vorhanden ist. Es ergibt sich eine scheinbare Vergangenheit (die vom Nabel angedeutet wird), obwohl sie auf diese Weise einfach miterschaffen wurde. Er nahm an, dass es zum Funktionieren der Erde notwendig gewesen sei, sie älter aussehen zu lassen. Diese Hypothese hat heute jedoch keine nennenswerte Anhängerschaft mehr. Keiner der führenden Kreationisten wendet das Konzept auf den Fossilbericht oder etwaige geschaffene Lichtbrücken (welche eine Erklärung dafür liefern könnten, dass die Menschen auf der Erde Licht von weit entfernten Sternen sehen können) an.

Wissenschaftlicher Kreationismus

Der "wissenschaftliche Kreationismus" ist die Selbstbezeichnung einer Richtung des Kreationismus, deren Anhänger glauben, dass Gott die Erde in jüngerer Zeit erschaffen hat und dass diese Auffassung durch wissenschaftliche Belege gestützt und somit in Form einer Schöpfungswissenschaft vertreten werden kann. Er beinhaltet Ideen zu einer Schöpfungskosmologie, die auf ein Alter des Universums in der Größenordnung von einigen Tausend Jahren hinausläuft. Der Fossilienbericht wird als Bericht der Zerstörung durch eine globale Flut gedeutet, wie sie in der Genesis beschrieben wird.

In den Vereinigten Staaten wird diese Sichtweise vom Institute for Creation Research und der Creation Research Society befürwortet, in Deutschland in abgewandelter Form von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, in der Schweiz von ProGenesis. Ein amerikanischer Hauptvertreter ist Kent Hovind.

Langzeitkreationismus

Die Befürworter des Langzeitkreationismus (auch genannt Alte-Erde-Kreationismus) versuchen, die wörtliche Interpretation der Genesis in Einklang mit den astronomischen und geologischen Hypothesen zum Alter des Universums und der Erde (mehrere Milliarden Jahre) zu bringen. Im Gegensatz zum evolutionistischen Kreationismus wird dabei jedoch die Theorie der gemeinsamen Abstammung abgelehnt. Es gibt mehrere Schöpfungsthesen, mit denen die Auffassung begründet wird:

Lückentheorie und Konkordanzhyopthese

Lückentheorie

Hauptartikel: Lückentheorie (Theologie)

Diese Anschauung (auch Restitutionstheorie genannt) besagt, dass das Leben in einer kurzen Zeit auf der vorher schon existierenden alten Erde geschaffen wurde, weil eine vorherige Schöpfung durch eine unbestimmte Katastrophe vernichtet wurde. Der Lücken-Kreationismus hat Genesis 1:2 als Grundlage, und dies besonders in der englischen Bibelübersetzung Scofield Reference Bible (in der Version von 1917). Von Kreationisten, die sich auf den hebräischen Wortlaut der Bibel berufen, erhält dieser Typ des Kreationismus keine Zustimmung.

Konkordanzhypothese

Die Konkordanzhypothese (auch Tag–Alter-Kreationismus, Zeitalter-Tag-Theorie, Theorie der unterschiedlichen Tageslängen oder Vorzeit-Kreationismus) besagt, dass die sechs Tage der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht vierundzwanzigstündige Tage darstellen, sondern sehr viel längere Zeiträume – wie Millionen von Jahren. Die Vertreter dieser Richtung berufen sich auf das Wort yôm (Äon) in der hebräischen Bibel, welches im Kontext von Genesis ein Alter (Zeitalter) bedeute. Einige Vertreter sagen, dass die Gegenwart das siebte Alter darstellt, also den siebten Tag der Schöpfung. Von Kurzzeitkreationisten wird diese Interpretation hauptsächlich deshalb abgelehnt, weil in ihren Augen die Bedeutung des Wortes aus dem Kontext eindeutig hervorgeht.

Schöpfung auf Raten

Schöpfung auf Raten

Diese Sicht wird auch Progressiver Kreationismus oder fortdauernde Schöpfung genannt und besagt, dass die Arten sich in einem ständig von Gott begleiteten Vorgang verändert und herausgebildet haben. Dabei gibt es verschiedene Ideen darüber, wie das ganze abläuft (es wird oft Platz gelassen für ein direktes göttliches Eingreifen bei Schlüsselzeitpunkten in der Geschichte der Erde und des Lebens). Diese Sicht akzeptiert die meisten Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, lehnt aber die moderne Evolutionsbiologie ab oder sucht nach Hinweisen darauf, dass die Evolution nur über natürliche Auslese unpassend sei. Dieser Standpunkt kann in Zusammenwirkung mit anderen Alte-Erde-Standpunkten vertreten werden, wie Tag–Alter-Kreationismus oder diverse Sichtweisen über Rahmenbedingungen, Metaphern und Poesie der Schöpfungsgeschichte.

Theistische Evolution

Die theistische Evolution

Nach der theistischen Evolution (von Kreationisten auch als evolutionistisches Kreationismus bezeichnet) sei Gott zwar der Schöpfer, aber er habe die Lebensformen mittels Evolution erschaffen und weiterentwickelt, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie stark er in diesen Prozess eingreift. Dennoch halten seine Anhänger die naturwissenschaftliche Evolutionstheorie allein für unzureichend und sehen das zusätzliche Eingreifen eines Gottes als sinngebende, zusätzliche Erklärung an. Die Richtung stimmt einigen Positionen des Langzeitkreationismus zu (wie die Konkordanzhypothese oder Lückentheorie), unterscheidet sich ansonsten aber deutlich von den übrigen Richtungen des Kreationismus, da ihre Vertreter (insbesondere im Gegensatz zum progressiven Kreationismus) die Theorie der gemeinsamen Abstammung akzeptieren. Deshalb wird sie manchmal nicht als Kreationismus eingeordnet, obwohl sich ihre Vertreter so verstehen. Gemeinsam mit den übrigen Richtungen des Kreationismus ist der Standpunkt, dass die natürliche Selektion nicht die Ursache für die Entstehung neuer Arten ist. Dies soll stattdessen durch das direkte Eingreifen Gottes in den Evolutionsprozess bewirkt werden.

Nach Auffassung der klassischen römisch-katholischen Scholastik übersteigt der Glaube die Naturwissenschaft, kann ihr jedoch nicht widersprechen, da beide auf Gott zurückgehen. Der Genetiker Francis Collins vertritt eine Variante der theistischen Evolution, die er als BioLogos bezeichnet, um sie von Kreationismus und atheistischem Evolutionismus zu unterscheiden.[5]

Neo-Kreationismus

Neo-Kreationismus

Neo-Kreationisten distanzieren sich selbst betont von anderen Arten des Kreationismus und wollen als vollständig vom Kreationismus getrennt betrachtet werden. Ihr Ziel ist es, den Kreationismus in Begriffen neu zu formulieren, die von der Öffentlichkeit, Bildungspolitik und Wissenschaftsgemeinde besser angenommen werden. Sie beabsichtigen, ohne religiöse Worte und ohne Bezug auf die jeweilige Heilige Schrift eine Debatte über den Ursprung des Lebens in Gang zu setzen und unter die Menschen zu tragen.

Ihre grundlegende Behauptung ist, dass die in ihren Augen nur scheinbar objektive herkömmliche Wissenschaft in Wirklichkeit eine dogmatische atheistische Religion ist. Sie argumentieren, dass die wissenschaftliche Methodik bestimmte Erklärungen von Phänomenen insbesondere dann ausschließt, wenn übernatürliche Elemente eine Rolle spielen. Dies würde im Ergebnis religiöse Aspekte beim Verständnis des Universums ausschließen. Neo-Kreationisten behaupten auch, dass die Naturwissenschaft ein atheistisches Unterfangen und der Grund für viele gegenwärtige soziale Missstände ist (wie soziale Unruhen und hohe Scheidungsraten).

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Kreationisten machen Neo-Kreationisten keine Aussagen über das Erdalter oder die wörtliche Auslegung der Bibel. Allen Arten des Neo-Kreationismus gemeinsam ist die Ablehnung des Naturalismus, normalerweise zusammen mit dem stillschweigenden Eingeständnis des Übernatürlichen, sowie eine offene und oft feindlich ausgerichtete Opposition gegen den von ihnen so bezeichneten Darwinismus, womit sie im allgemeinen die Evolutionstheorie meinen.

Es gibt drei verbreitete Formen des Neo-Kreationismus.[6]

Intelligent Design

Hauptartikel: Intelligent Design

Intelligent Design ist die Position, dass die Entstehung des Universums und des Lebens am besten durch eine Intelligenz als Ursache erklärt werden kann und nicht durch einen von solcher Leitung freien Vorgang wie Mutation und natürliche Selektion. Seine führenden Vertreter, die allesamt dem Discovery Institute angehören, sind der Meinung, dass Intelligent Design eine wissenschaftliche Theorie ist, die mit vorhandenen wissenschaftlichen Theorien zum Ursprung des Lebens auf einer Stufe steht oder ihnen überlegen ist.

Abrupt Appearance

Ein ursprünglich in der Evolutionsbiologie verwendeter Begriff für das sprunghafte Auftreten (engl. abrupt appearance) von neuen Arten im Fossilienbericht. Vertreter dieser Richtung, von denen Wendell Bird am bekanntesten ist, haben den Begriff übernommen und sagen, dass dieses Phänomen am besten durch eine direkte Beeinflussung statt durch einen natürlichen Vorgang erklärt werden kann. Das Argument wird begleitet von der ausdrücklichen Behauptung, dass es auf jeden Zeitrahmen anwendbar ist, womit insbesondere auch ein Bereich von 10.000 Jahren nicht ausgeschlossen werden soll.[7]

Evidence against Evolution

Diese Richtung versucht, Beweise gegen die Evolution (engl. evidence against evolution) zu sammeln und bedient sich dazu hauptsächlich der Ergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Es wird versucht, diese als Widerlegung der Evolutionstheorie zu deuten. Die Richtung ist mehr oder weniger identisch mit der Evolutionskritik in der „Schöpfungswissenschaft“, jedoch ohne Bezug zur Bibel zu nehmen und ohne der Evolutionstheorie eine Alternative mit wissenschaftlichem Anspruch entgegenzustellen. Die Frage des Ursprungs des Menschen wird stattdessen als Frage des persönlichen Glaubens angesehen.

Theologische Positionen

Spätestens seit den 1950er-Jahren vertraten sowohl die meisten protestantischen Kirchen als auch die römisch-katholische Kirche die Auffassung, dass die Evolutionstheorie und das Christentum miteinander vereinbar sind.[8] Wesentliche Fortschritte für eine Neuinterpretation der Evolution in Bezug zur christlichen Überlieferung und Heilsbotschaft stammen von Pierre Teilhard de Chardin, einem Jesuiten, Evolutionsforscher und Anthropologen, nach dessen Auffassung die Schöpfung nicht abgeschlossen ist, sondern nach wie vor andauert.

Von einigen Vertretern der liberalen Theologie wird die Genesis als eine Metapher verstanden, die keine wissenschaftlichen Aussagen macht. Eine Reduktion des Schöpfungsberichts der Bibel auf einen reinen Mythos wird etwa bei Eugen Drewermann vertreten.[9] Dieser bringe vor allem Grundstrukturen des Menschseins und das Verhältnis des Menschen zu Gott (Gen 1, 26: "Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich") zum Ausdruck. Vielfach kritisiert wird jedoch eine Reduktion der biblischen Überlieferung zu einem beliebigen Text wie der Drewermann ebenso unterstellte radikale Verzicht[10] auf Ontologie und Metaphysik in der Tradition der Gott-ist-tot-Theologie der 1960er-Jahre.

Im Mainstream der christlichen Theologie in Deutschland, sowohl der evangelischen und katholischen Kirche, wird nach wie vor systematisch angestrebt, auch in der Nachfolge Rudolf Bultmanns, entsprechend der existentialen Interpretation wie der historisch-kritischen Methode die biblische Botschaft gerade auch an Menschen mit wissenschaftlichem Weltbild zu vermitteln. Dies gilt auch für neuere Interpretationen des Alten Testamentes, inklusive der Schöpfungsberichte.[11]

In einer Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Anfang April 2008 veröffentlicht wurde, erteilt die EKD dem Kreationismus eine deutliche Absage.[12]

Politische Kontroversen

Nach säkularem Verständnis bezieht sich der Begriff Kreationismus auf eine politische Doktrin, welche als Kreationismusdebatte bezeichnet wird. Sie macht die Gültigkeit und Überlegenheit eines religiösen Schöpfungsglaubens im Vergleich zu anderen Weltanschauungen geltend, insbesondere einschließlich derjenigen, die auf einer säkularen und wissenschaftlichen Grundlage basieren. Die Bedeutung des Begriffs „Kreationismus“ hängt dabei vom Kontext eines bestimmen Schöpfungsglaubens in einer bestimmten politischen Kultur ab, in dem er benutzt wird.

In den Vereinigten Staaten, mehr als in der übrigen Welt, ist der Kreationismus zentral in einer politischen Kontroverse zur Unterrichtung des Kreationismus in öffentlichen Schulen verankert, die sich um die staatliche Bildung dreht und um die Frage, ob die Unterrichtung der Evolutionstheorie in unfairer Weise mit der kreationistischen Weltanschauung in Konflikt steht. In den letzten Jahren tritt die Kontroverse in Form der Frage in Erscheinung, ob die Unterstützer der Intelligent-Design-Bewegung, die in naturwissenschaftlichen Fächern die Kontroverse unterrichten wollen, damit die Grenzen der Trennung von Staat und Kirche überschreiten würden.

Die wortgetreue biblische Schöpfungslehre soll nach Ansicht von Kreationisten gleichberechtigt zur naturwissenschaftlichen Urknalltheorie und Evolutionstheorie im Schulunterricht behandelt werden. Bislang haben Kreationisten ihre stärksten politischen Erfolge in den Vereinigten Staaten verbucht; sporadisch sind jedoch auch in Europa kreationistische Tendenzen in der Politik zu finden.

Evangelikale Gruppen betreiben seit geraumer Zeit gezielte politische Lobbyarbeit, um zu erreichen, dass der Kreationismus an den Schulen als gleichberechtigte Alternative zur Evolutionstheorie unterrichtet wird. Es gelang ihnen sogar, den US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush für diese Forderung zu gewinnen. So hat er sich im August 2005 dafür ausgesprochen, dass die Lehre vom „Intelligent Design“ als gleichwertig mit der Evolutionstheorie in den Schulen im Fach Biologie gelehrt werden sollte, da es in öffentlichen Schulen der Vereinigten Staaten aufgrund der in der Verfassung verankerten Trennung von Staat und Kirche keinen Religionsunterricht gibt. Im US-Bundesstaat Kansas hat die Schulbehörde angeordnet, „Intelligent Design“ gleichberechtigt neben der Evolutionslehre in den Schulen zu unterrichten. Daraufhin haben zwei bedeutende Wissenschaftsverbände, die Nationale Wissenschaftsakademie und der Nationale Verband der Lehrer von Naturwissenschaften das Urheberrecht für ihre Materialien zur Evolutionstheorie den Behörden in Kansas für die Verwendung in Schulbüchern entzogen.

Viele Kreationisten formulieren ihre Sichtweise in Form einer teleologischen Argumentation, setzen dies in Kontrast zu einer eigenen Erklärung auf Basis eines Schöpfers und erheben dafür den Anspruch wissenschaftlicher Aussagekraft. Dabei greifen sie auf ein ideologisches Wissenschaftsverständnis zurück, das mit der wissenschaftlichen Methodik nicht vereinbar und somit pseudowissenschaftlich ist. Kreationisten, die diesen Anspruch erheben, bestreiten diesen Status. Mit der „Schöpfungswissenschaft“ und später Intelligent Design sind vor Gerichten bereits zwei Versuche von Kreationisten gescheitert, diese in den Vereinigten Staaten an öffentlichen Schulen im Biologieunterricht zu verankern. Zwei führende Wissenschaftsorganisationen in den Vereinigten Staaten, die National Academy of Sciences und die American Association for the Advancement of Science, bestätigten, dass es keine wissenschaftliche Basis dafür gebe. Die American Civil Liberties Union begrüßte die Entscheidung im Fall Kitzmiller vs. Dover, dass Intelligent Design keine wissenschaftliche Theorie und dessen Unterrichtung in öffentlichen Schulen verfassungswidrig ist.

Der Europarat beurteilte im Oktober 2007 Kreationismus an Schulen als mögliche Bedrohung für Menschenrechte.[13]

Bedeutung

Christentum

Vereinigte Staaten

Hauptstütze des Kreationismus sind die in den Vereinigten Staaten stark vertretenen evangelikalen Christen, die über großen politischen Einfluss verfügten.

Laut einer Umfrage Pew Forum on Religion and Public Life (2005) glauben etwa 26 % der US-amerikanischen Bevölkerung, dass sich das Leben über Jahrmillionen durch natürliche Auslese entwickelt hat. Dass ein höheres Wesen die Entwicklung der Lebewesen gesteuert hat, stimmen 18 % zu. Während insgesamt 48 % an eine Entwicklung der Lebewesen glauben, sind 42 % der Ansicht, dass „die Lebewesen seit Anbeginn der Zeit in ihrer heutigen Form existierten“. Außerdem befürwortet die Mehrheit der US-Amerikaner, dass in den Schulen beides nebeneinander gelehrt werden soll.[14]

Insbesondere die Faktoren Alter und Ausbildung bestimmen dabei die Einstellung der US-Amerikaner. So akzeptieren von den College-Absolventen etwa 40 % die natürliche Auslese im Gegensatz zu 18 % bei den Amerikanern ohne College-Ausbildung. Die Hälfte der Amerikaner mit einem Alter über 65 akzeptiert den Kreationismus, verglichen mit 37 % bei den unter 30-jährigen.

Die wichtigsten kreationistischen Organisationen haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, darunter die Creation Research Society.

Europa

In Europa nimmt der Kreationismus allgemein nur eine Nischenstellung ein. Dies ist hauptsächlich auf die gesellschaftliche und kulturelle Struktur zurückzuführen, die sich in Verbindung mit der französischen Revolution und der Aufklärung herausgebildet hat. In Staaten mit großen Teilen an römisch-katholischer Bevölkerung hat die Anerkennung der Evolution von Seiten des Papstes für die meisten Menschen das Thema abgeschlossen. Ähnlich sieht die Situation in Großbritannien aus. Rowan Williams, das derzeitige Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, hat deutliche Kritik an den Thesen der Kreationisten geübt und sich klar gegen die Unterrichtung von Intelligent Design an Schulen ausgesprochen.[15] Mehrere bekannte britische Theologen wie Arthur Peacocke und John Polkinghorne haben sich zudem in der Vergangenheit intensiv um den Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie bemüht und Argumentationen für eine völlige Vereinbarkeit von Religion und Evolutionstheorie vorgelegt (siehe Theistische Evolution).

Den Vereinigten Staaten vergleichbare politische Forderungen nach Gleichstellung des Kreationismus mit der Evolutionstheorie an öffentlichen Schulen werden in Deutschland bisher quasi nicht vertreten. Unter den politischen Parteien wird diese Forderung nur von der Partei Bibeltreuer Christen erhoben.

Nach einer vom evangelikalen Factum-Magazin und ProGenesis in Auftrag gegebenen Umfrage des Schweizer Meinungsforschungsinstituts IHA-Gfk nimmt die Interpretation der Bibel, wonach das Universum, die Erde und das Leben vor etwa sechstausend Jahren von Gott erschaffen wurden, jeder Fünfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz wörtlich. Etwa genauso viele stimmen der Ansicht zu, dass es zwar die Evolution gebe, dass sie aber von Gott gesteuert werde. Eine Evolution, wie Darwin sie beschrieb, bei der Gott keine Rolle spielt, erkennt in Deutschland mit 46 % fast jeder Zweite an, in Österreich knapp 41 %, in der Schweiz jeder Dritte (33 %).[16] Eine von der atheistisch orientierten Giordano-Bruno-Stiftung in Auftrag gegebene Umfrage spricht in Deutschland von 12,5 % für eine wörtliche Interpretation der Schöpfungsgeschichte und 60,9 % für die reine Evolutionstheorie.[17] Die Studie setzt Theistische Evolution und Intelligent Design gleich und gibt für beides zusammen einen Anteil von 25,2 % an. Eine Umfrage des „Spiegel“ (2005) lieferte Zahlen, die sich recht genau in der Mitte der Angaben der beiden Interessenvertreter befinden.

Australien

Laut einer PBS-Dokumentation[18] über die Evolution haben australische Junge-Erde-Kreationisten behauptet, dass fünf Prozent der australischen Bevölkerung ihre Standpunkte teilen. Die Dokumentation sieht Australien als eine Hochburg dieser Bewegung. Demnach wäre der Junge-Erde-Kreationismus eine sehr kleine Minderheitenposition in der westlichen Welt außerhalb der Vereinigten Staaten.

Judentum

Innerhalb des Judentums gibt es eine große Bandbreite von Ansichten über den Kreationismus. Im Allgemeinen vertreten die meisten jüdischen Richtungen (darunter auch manche orthodoxe Gruppen) die Unabhängigkeit von Glaube und Wissenschaft oder die theistische Evolution. Der heutige Ansatz des Judentums (von orthodoxen Traditionen abgesehen) ist es, die Tora nicht als einen buchstäblichen zu verstehenden Text, sondern eher als einen symbolischen anzusehen.

Viele orthodoxe Juden hingegen hinterfragen die Ansicht, dass man die Wissenschaft und die Bibel durch wissenschaftliche Mittel miteinander in Einklang bringen könne. Für diese Gruppen kann Wissenschaft nur so wahr sein wie die Tora, und wenn sich daraus ein anscheinend unauflöslicher Widerspruch ergibt, dann liege es an dem begrenzten menschlichen Wissen oder Verstehen. Sie verweisen auf diverse Diskrepanzen zwischen dem, was man erwarten würde und dem, was man wissenschaftlich vorfindet, um zu zeigen, dass Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Sie weisen darauf hin, dass sogar die Wurzel des hebräischen Wortes für Welt (עולם – olam) verborgen bedeutet. Sie glauben, dass Gott den Menschen, die Pflanzen und das Licht der Sterne in ihrem „erwachsenen Zustand“ geschaffen hat und dass es keine physikalischen Wege gibt, dies zu verifizieren.

Islam

Auch im Islam gibt es eine zunehmende Hinwendung zum Kreationismus. Dabei werden von den Gegnern nicht nur religiöse Gründe genannt. Die religiösen Gründe sind ähnliche wie im Christentum: Man sieht einen Widerspruch zwischen dem Koran und der Evolutionstheorie. Im Unterschied zur Bibel gibt es im Koran zwar keinen ausformulierten Schöpfungstext wie im Buch Genesis, aber verschiedene Suren (6:2, 15:26-33, 23:12, 37:11, 32:7-9, 55:14) stellen doch eine Erschaffung Adams aus Lehm durch Gott dar. Daraus schließen die islamischen Kreationisten, den christlichen durchaus vergleichbar, auf eine göttliche Erschaffung der Arten. Politisch problematischer ist allerdings die mit dem Kreationsimus verbundene „dichotome Weltsicht“.[19] Gottesfürchtige Muslime sehen sich in einem Gegensatz zu den Nicht-Muslimen, die dem „Darwinismus“ anhängen. Es besteht die Gefahr, dass aus diesem Gegensatz Feindbilder entstehen, die eine Abgrenzung zur nicht-islamischen Gesellschaft zur Folge haben.[19]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Oberkirchenrat und Publizist Joachim Schmidt, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Echt Glaube kompakt: Verdrängungswettbewerb
  2. Standpunkt der katholischen Kirche zur historisch-kritischen Methode bei Päpstliche Bibelkommission: Die Interpretation der Bibel in der Kirche (Rom: 15. April 1993); zur evangelischen Theologie siehe Ratsbericht der Synode (PDF).
  3. how stuff works
  4. Ian Taylor, Jeffrey Burton Russell, Paula McKerlie: Who invented the flat earth? In: Creation. 16, Nr. 2, 1994, ISSN 0738-6001, S. 48–49.
  5. Francis Collins: The Language of God, Option 3: Science and Faith in Harmony, Free Press, 2007, S 197ff.
  6. Robert T. Pennock: Tower of Babel. The Evidence Against the New Creationism. In: Reports of the National Center for Science Education (RNCSE). 19, Nr. 6, 1999, ISSN 1064-2358, S. 40–42.
  7. Paul Nelson: The Whole Question of Metaphysics. In: Origins Research. 15, Nr. 1, 1993.
  8. Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien Botschaft von Papst Johannes Paul II. an die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften anlässlich ihrer Vollversammlung am 22. Oktober 1996.
  9. Eugen Drewermann: Im Anfang … Die moderne Kosmologie und die Frage nach Gott. Walter, Düsseldorf 2002, ISBN 3-530-16900-5, zitiert nach: Peter Tepe (Hrsg.): Politische Mythen. Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3242-X, S. 366–367.
  10. Frank Jehle: Der neue Drewermann. In: Reformierte Presse. Wochenzeitung der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz. 17, Nr. 17, 25. April 2003, S. 11 (Rezension).
  11. Überblick in Manfred Oeming: Verstehen und Glauben. Exegetische Bausteine zu einer Theologie des Alten Testaments. Philo, Berlin 2003, ISBN 3-86572-325-X (Bonner biblische Beiträge. 142).
  12. Evangelischer Pressedienst: Absage an den Kreationismus
  13. Pressemitteilung des Europarats vom 4. Oktober 2007.
  14. Public Divided on Origins of Life. Umfrage in den Vereinigten Staaten von Pew Forum on Religion & Public Life (englisch)
  15. The Guardian: Archbishop: stop teaching creationism, 21. März 2006.
  16. Gott hat die Hand im Spiel Umfrage von progenesis.ch
  17. Evolution Kreationismus Deutschland 2005 (PDF) Umfrage der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland
  18. PBS-Dokumentation
  19. a b Martin Riexinger: Wider den Materialismus. In: Bundeszentrale für politische Bildung. 16. Februar 2009. Abgerufen am 2. März 2011.

Literatur

Weblinks

 Commons: Kreationismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Kreationismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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  • Kreationismus — Kre|a|ti|o|nis|mus der; <zu ↑...ismus> das fundamentalistische Festhalten an einer wörtlichen Auslegung des biblischen Schöpfungsberichts (1. Mose 1/2), wobei wissenschaftliche Entstehungs u. Entwicklungsvorstellungen im Sinne einer… …   Das große Fremdwörterbuch

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