Stickstoffwerke Piesteritz

Stickstoffwerke Piesteritz
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Die SKW Piesteritz GmbH ist ein Chemieunternehmen im Wittenberger Stadtteil Piesteritz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gegründet wurde das Unternehmen als Reichsstickstoffwerke Piesteritz im März 1915. Es sollte den Ersatz für Chilesalpeter erzeugen, dessen Einfuhr durch die britische Seeblockade der Schiffsverbindung nach Chile unterbrochen wurde. Noch im gleichen Jahr wurde die erste Anlage zur Produktion von Karbid errichtet, und es erfolgte der erste Karbidabstich. 1920 wurde das Werk privatisiert und die Mitteldeutsche Stickstoffwerke AG Piesteritz gebildet. 1923 wurde die VIAG als Holding verschiedener Industrieunternehmen gegründet, mit dabei waren auch die Stickstoffwerke Piesteritz. 1926 wurde die Mitteldeutsche Stickstoffwerke AG an die Bayerischen Stickstoffwerke AG verpachtet und 1933 Teil dieses Unternehmens. Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre wurden viele weitere Chemieanlagen errichtet.

Arbeiten an der Harnstoffanlage (1978)

1945 besetzte die Rote Armee das Werk, gefolgt von der Umwandlung in eine Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG). Zunächst wurden Anlagen (aber nicht das komplette Werk) im Rahmen der Reparationen der sowjetischen Besatzungszone mit Hilfe von Kriegsgefangenen abgebaut. 1953 wurde das Werk in einen volkseigenen Betrieb unter dem Namen VEB Stickstoffwerk Piesteritz umgewandelt. Anfang der 1970er Jahre entstanden zwei Ammoniak- und drei Harnstoff-Produktionsanlagen, die zum großen Teil von japanischen Firmen errichtet wurden. Im Rahmen der Kombinatsbildungen in der DDR wurde das Werk 1979 Leitbetrieb des VEB Kombinat Agrochemie und behielt diese Bezeichnung bis zur Wende.

1990 wurde das Unternehmen in die Stickstoffwerke AG umfirmiert. Unter Verwaltung der Treuhandanstalt wurden Anfang der 1990er Jahre viele veraltete Anlagen abgerissen, bestehende Bereiche saniert, aber auch die Beschäftigtenzahl von vormals fast 9.000 auf ca. 700 reduziert. Auf dem Werksgelände blieben durch Ausgliederungen und neu gegründete Zulieferfirmen circa 2.000 Arbeitsplätze erhalten.

1993 wurde die SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH als Tochterfirma der ehemaligen Muttergesellschaft SKW Trostberg AG innerhalb der VIAG-Gruppe gegründet. 1997 begann der Bau erster neuer Anlagen nach dem Ende der DDR. 2002 bekam das Unternehmen neue Gesellschafter: das Schweizer Rohstoffhandelsunternehmen Ameropa und die tschechische Agrofert-Gruppe übernahmen als Joint Venture sämtliche Anteile. Letztere wurde 2006 alleiniger Eigentümer.

Die SKW Stickstoffwerke Piesteritz sind Deutschlands größter Ammoniak- und Harnstoffproduzent [1] und das größte gewerbliche Unternehmen in der Region Wittenberg [2].

Werksstruktur

Standort Piesteritz

Am Hauptstandort Piesteritz hat das Unternehmen verschiedene Werksteile und Einrichtungen. Im Jahr 2006 nahmen die genutzten und im Firmenbesitz befindlichen Werksteile (Nordwerk, Südwerk, Hafen) eine Fläche von 221,4 Hektar ein.

Südwerk

Das ursprüngliche Werk liegt südlich der Bahnstrecke Wittenberg–Dessau, im Süden begrenzt durch die B 187. Dort befand sich neben zahlreichen Chemieanlagen (u.a. den Karbidöfen und der Salpetersäure-Anlage) bis Anfang der 1970er Jahre auch die Hauptverwaltung des Werkes. Nach 1990 wurden die meisten Anlagen stillgelegt und abgerissen. Auf den dadurch entstandenen Freiflächen sind vereinzelt neue Anlagen der Stickstoffwerke Piesteritz, aber auch anderer Unternehmen entstanden.

Nordwerk

Das sogenannte Nordwerk liegt nördlich der Bahnstrecke Wittenberg–Dessau und wird im Norden durch die Möllensdorfer Straße begrenzt. Es wurde in den 1970er Jahren erbaut. In ihm befinden sich die Ammoniak- und Harnstoffanlagen sowie die Verwaltung, Labore, die Werkfeuerwehr und andere Zusatzeinrichtungen.

Westwerk

Rund einen Kilometer westlich des Südwerkes befand sich seit Ende der 1970er Jahre das sogenannte Westwerk. Die hier befindlichen Anlagen, unter anderem zur Herstellung von O-Glas (Acrylglas), wurden Mitte der 1990er Jahre größtenteils abgebaut und andere Unternehmen auf dem Werksareal angesiedelt, unter ihnen die Firma PCI Augsburg.

Absackung Griebo

Im Stadtteil Apollensdorf befand sich südlich der B 187 ein weiterer Betriebsteil. Dort wurde der Dünger Pikaphos veredelt und unter dem Handelsnamen Piaphoskan für Privatverbraucher abgepackt.

Infrastruktur

Zwischen dem Nord- und dem Südwerk liegt an der Bahnstrecke Wittenberg–Dessau ein eigener Güterbahnhof. Südlich der B187 hat das Werk einen eigenen Elbhafen. Auf dem Gelände des Südwerkes befindet sich ein eigenes Kraftwerk, um im Notfall vom Landesnetz unabhängig zu sein. Das Nordwerk ist über eine eigene Pipeline an das deutschlandweite Erdgas-Verbundnetz angeschlossen. Nördlich des Nordwerkes liegt eine Deponie für in den Anlagen entstehende Schlämme.

Versuchsfelder Cunnersdorf

In Cunnersdorf nahe Leipzig befinden sich größere Versuchsfeldanlagen. Hier werden die Produkte des Unternehmens getestet und Vergleichsstudien durchgeführt. Mindestens einmal jährlich finden die sogenannten Feldtage statt, zu denen Kunden und fachlich Interessierte eingeladen werden.

Tanklager Aken

Im Elbhafen von Aken (Elbe) hat das Unternehmen ein Tanklager, welches per Bahn und Straße angebunden ist und regelmäßig genutzt wird.

Biodiesel

Im Südwerk befindet sich die zum Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme 2007 weltgrößte voll integrierte Biodiesel-Raffinerie mit eigener Ölmühle [3]. Sie wurde von der Firma Neckermann Renewables GmbH, einer Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe J. C. Neckermann und Teil der Gate Global Alternative Energy Holding AG, errichtet. Im Probebetrieb gab es erhebliche Geruchsbelastungen. Bedingt durch die 2008 beginnende Krise der biologischen Kraftstofferzeugung konnte das Werk nur für kurze Zeit den Dauerbetrieb aufrechterhalten. Im Mai 2009 wurde die Anlage von der Louis Dreyfus Commodities Group übernommen.

Statistik

Jahr Mitarbeiter Umsatz
1990 ca. 8.900
2001 ca. 250 Mio. EUR
2002
2003 292 Mio. EUR
2004 332 Mio. EUR
2005
2006 761 418 Mio. EUR [4]
2007 720 490 Mio. EUR [5]
2008 745 650 Mio. EUR [6]
2009 769 462 Mio. EUR [7]

Literatur

  • Klaus Jasche, Reinhard Müller, Michael Fuchs: Chemie in Piesteritz - Innovation seit 1915. Makowski, München, 2009
  • Sven Müller-Hilgerloh: 80 Jahre Stickstoffwerke Piesteritz - Ein Geschichtsbuch zum Chemiestandort. SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH, 1995

Weblinks

 Commons: Stickstoffwerke Piesteritz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Wer zu wem: SKW Piesteritz
  2. Prager Zeitung online vom 18. November 2009
  3. Der Tagesspiegel vom 15. Juni 2007
  4. Wer zu wem: SKW Piesteritz
  5. Fokus Mittelstand. Wirtschaftsinformationen aus Mitteldeutschland. Ausgabe Dezember 2009
  6. Fokus Mittelstand. Wirtschaftsinformationen aus Mitteldeutschland. Ausgabe Dezember 2009
  7. Fokus Mittelstand. Wirtschaftsinformationen aus Mitteldeutschland. Ausgabe Dezember 2010

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