Steinlaus

Steinlaus
Steinlaus-Weibchen, frei nach Loriot

Die Steinlaus (Petrophaga lorioti) ist ein von Loriot in einem Sketch bei der Imitation von Bernhard Grzimek präsentiertes fiktives Nagetier. 1983 nahm das medizinische Wörterbuch Pschyrembel die Steinlaus als fingierten Lexikonartikel (Nihilartikel) ins Nachschlagewerk auf. Seitdem ist die Steinlaus ein bekanntes Beispiel des wissenschaftlichen Witzes.

Inhaltsverzeichnis

Die Steinlaus bei Loriot

In einer 1976 in der ARD ausgestrahlten Parodie auf die Sendereihe Ein Platz für Tiere beschreibt Loriot – in der Rolle des Bernhard Grzimek – die Steinlaus als scheuen Nager, der sich von Silicaten, also von Steinen, ernähre. Gelegentlich würde auch ein Eisenträger nicht verschmäht. Das geschlechtsreife Männchen habe einen Tagesbedarf von etwa 28 Kilogramm Beton und Ziegelsteinen, das Weibchen verzehre in der Schwangerschaft beinahe die doppelte Menge.

Der „possierliche kleine Kerl“ sei vom Aussterben bedroht, bei wissenschaftlichen Grabungen im Erdreich seien jedoch in mehr als 20 Metern Tiefe noch einzelne Tiere gefunden und in zoologische Gärten verbracht worden.

Die Steinlaus wird außer im originalen Fernsehsketch auch in gedruckten Publikationen Loriots erwähnt.[1]

Dokumentationen

Die Steinlaus im Pschyrembel

1982 verzeichnete das renommierte medizinische Wörterbuch Pschyrembel aus dem Berliner Wissenschaftsverlag Walter de Gruyter, ein Standard-Nachschlagewerk in seinem Fachgebiet, erstmals die Steinlaus. Der Nihilartikel scheint Loriots „Erkenntnisse“ zu belegen. Darüber hinaus informiert das Lexikon über fingierte Forschungsarbeiten, die den Wert der Steinlaus bei der Therapie von Gallen-, Blasen- und Nierensteinen erkannt hätten und die Unterarten Gallensteinlaus und Nierensteinlaus werden erwähnt. In der 257. Auflage des Pschyrembel wurde der Eintrag über die Steinlaus getilgt. Wegen unerwartet heftiger Leserproteste wurde die Steinlaus in die folgende Ausgabe von 1997 in erweiterter Form wieder aufgenommen. In dieser revidierten Fassung fanden „neueste Erkenntnisse“ Eingang, die das zeitweilige Verschwinden der Steinlaus mit dem Fall der Berliner Mauer als Nahrungsgrundlage in Verbindung bringen.

In der 260. Auflage des Pschyrembel wurden weitere „neuere Forschungsergebnisse“ zur Steinlaus verzeichnet, beispielsweise deren Anwendung in der Homöopathie. In der am 24. September 2007 erschienenen 261. Auflage wurde der Artikel zur Steinlaus wiederum erweitert.[2] So wird beispielsweise unter „weitere Anw.“ erklärt, dass die Bedingungen für eine Feinstaubplakette durch den Einsatz von spezialisierten Steinläusen in Kombination mit Filtern erfüllt werden könnten.[2]

In der 1. Auflage des „Pschyrembel Psychiatrie, Klinische Psychologie, Psychotherapie“ von 2009 [3] wird eine wissenschaftliche Einordnung und Neubewertung der Steinlausphobie vorgenommen. Diese phobische Störung äußere sich in einer unbegründeten und anhaltenden Angst vor Steinläusen, Steinlaus-Bildern und entsprechenden Texten. In der Regel sei die Steinlausphobie gekoppelt mit einem übermäßigen Wunsch und Drang den Anlass der Angst zu vermeiden.

Einlassungen

Steinlausgehege im Zoo Dortmund

Auf die Steinlaus wird immer wieder in Nachrichtenmedien[4] Bezug genommen. Natürlicherweise wird auch in humoristischen und satirischen Veröffentlichungen auf die Steinlaus verwiesen.

Zoologischer Garten
Der Zoo Dortmund hat ein Gehege für die Steinlaus eingerichtet.
Wildpark
Im Wildpark Pforzheim wird um eine Tierpatenschaft für die Steinlaus geworben.
Tierführer Translunarien
Sie wird als Insekt beschrieben, das eine Lebenserwartung von zwei bis drei Jahren habe.[5]
Steinlausbefall
In einem Merkblatt zum Steinlausbefall „berät“ die Stadt Zürich bei Steinlausproblemen die Bürger.[6]
Fiktiver Politiker
Der Name „Steinlaus“ findet in einer Veröffentlichung des deutschen Bundestags über den fiktiven Politiker Jakob Maria Mierscheid Erwähnung, indem er an einem „Steinlaus-Symposium“ teilgenommen haben soll.[7]
Nacktmull
Süddeutsche Zeitung
In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung wurde auf die auffällige Ähnlichkeit zwischen der Steinlaus und dem Nacktmull (Heterocephalus glaber) hingewiesen.[8]
Populärwissenschaftliche Mitteilungen
  • Der Oldenburger Mikrobiologe Wolfgang E. Krumbein beschäftigt sich mit Milben, durch deren Lebensweise sich Mineralien zersetzen. In populärwissenschaftlichen Vorträgen und Veröffentlichungen verweist er dabei auf die Steinlaus.[9][10][11]
  • Bernd Ullrich von der Professur für Angewandte Geologie an der TU Dresden „entdeckte“ 2007 die rezente Steinlaus in Verwitterungsbildungen eines Sandsteinmauerwerkes.[12] 2009 berichtet er über den Fund der Kugelsteinlaus, die er als Verursacher der Karies auf Zähnen gefunden habe.[13] Seine Mitteilungen würzt er mit interessanten elektronenmikroskopischen Aufnahmen, die die Interpretation bebildern.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Steinlaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. z.B. Loriot: Möpse & Menschen. Diogenes Verlag, Zürich 1983, ISBN 978-3-257-01653-6.
  2. a b Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. Begründet von Willibald Pschyrembel. Bearbeitet von der Wörterbuchredaktion des Verlages unter der Leitung von Helmut Hildebrandt. 261. Auflage. De Gruyter, Berlin, New York 2007, ISBN 978-3110185348, Stichwort: „Steinlaus“, S. 1826.
  3. Pschyrembel Psychiatrie, Klinische Psychologie, Psychotherapie. De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-018888-2
  4. Steinlaus im Wortschatzprojekt der Uni Leipzig mit Beispielen aus Medien
  5. Kögel, Ludwig: Der BLV Tierführer Translunarien. BLV Buchverlag, München 2009, ISBN 3835403206.
  6. Merkblatt der Stadt Zürich zu Steinlausbefall
  7. Biografie von Jakob Maria Mierscheid beim Deutschen Bundestag
  8. Süddeutsche Zeitung: Loriots Steinlaus entdeckt
  9. Die Wiener Zeitung berichtet unter dem Titel Vom Fernsehstar zum Biofilm über Krumbeins Untersuchungen am Wiener Stephansdom
  10. Vortragsankündigung eines Vortrags von Krumbein auf einer Veranstaltung des Senckenberg Museums
  11. Harald Zaun: Vom Fernsehstar zum Biofilm: Loriots Steinlaus existiert tatsächlich – dies behauptet zumindest ein deutscher Mikrobiologe. Telepolis über Krumbeins Arbeit, 25. Dezember 2001.
  12. Ullrich 2007, TU Dresden
  13. Ullrich 2009, TU Dresden
Dieser Artikel existiert auch als Audiodatei.

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