Spielbudenplatz

Spielbudenplatz
Der Spielbudenplatz mit den namengebenden Holzbuden um 1800
Spielbudenplatz ca. 1900

Der Spielbudenplatz erstreckt sich auf der Südseite der Reeperbahn in Hamburg-St. Pauli von der Straße Beim Trichter im Osten bis zur Davidstraße. Dazwischen liegen unter anderem das Operettenhaus, das Wachsfigurenkabinett Panoptikum, Schmidts Tivoli und Schmidt Theater, das St.-Pauli-Theater und die Davidwache.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vor dem Millerntor, einem der Hamburger Stadttore, ließen sich ab 1795 Künstler und Gaukler nieder. Ihre Holzbuden wurden wie die Häuser der Vorstädte Eimsbüttel, Rotherbaum und Hamm ab Juni 1813 von der französischen Besatzung in Erwartung der im Dezember beginnenden Belagerung Hamburgs zur Gewinnung freien Schussfeldes abgebrochen oder niedergebrannt. Später werden die hölzernen Spielbuden durch feste Bauten ersetzt. Zahlreiche Veranstaltungslokale und Theater entstanden, die zum Ende des 19. Jahrhunderts meist mit prunkvollen Fassaden ausgestattet, untereinander wetteiferten. Im Zweiten Weltkrieg wurde insbesondere der östliche Teil der Bebauung durch Bomben zerstört und in den Nachkriegsjahren nicht wieder aufgebaut.

Zu den bereits von den Franzosen abgebrannten Häusern gehörte auch der 1805 errichtete, "Trichter" genannte Gartenpavillon, der sich, 1820 in vergrößerter Form mit Veranden und Lauben wieder aufgebaut, als "Ballhaus Trichter" und als Revuetheater großer Beliebtheit erfreute. 1889 wurde daraus "Hornhardts Etablissement", eine großzügigen Anlage mit Gartenwirtschaft, Musikmuschel, Konzertsaal und Aussichtsturm. 1906 wurde sie von einem neuen Eigentümer umfassend saniert und zu "Carl C.E. Clausens Konzertgarten".[1] Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg entstand auf dem Gelände nach 1958 die Astra-Bowlingbahn und das China-Restaurant "Mandarin", die später lange leer standen. Vom 1991 bis 2009 nutzten Leif Nüske und Oliver Korthals die Räume für "Dancefloor-Jazz"-Veranstaltungen unter der Bezeichnung "Mojo Club" bzw. "Mandarin-Kasino". Inzwischen ist dort mit dem Bau des Büro- und Hotelkomplexes Tanzende Türme nach einem Entwurf des Archtikten Hadi Teherani begonnen worden.

Nicht weniger wechselvoll ist die Geschichte des 1841 unter dem Namen Circus Gymnasticus mit 3000 Sitzplätzen eröffneten Operettenhauses und des gleichfalls 1841 als „Urania-Theater“ eröffneten St.-Pauli-Theaters, das heute das älteste Haus am Platz ist.

In "Schmidts Tivoli"[2] lebt das etwa 1890 nach den Plänen der Architekten Bahre und Querfeld erbaute "Tivoli Concerthaus" weiter. Das Panoptikum Hamburg befindet sich noch am selben Ort wie bei seiner Gründung 1879.

Ab 1863 hatte Carl Hagenbeck sen. am Spielbudenplatz eine Menagerie betrieben, aus der später der Tierpark Hagenbeck in Stellingen hervorging. Seit 1896 hatte der schon 1901 verstorbene Hein Köllisch hier sein eigenes Theater: Hein Köllischs Universum, später Köllischs Lachbühne. Eines der ersten Kinos in Deutschland war der 1906 von Eberhard Knopf errichtete Kinosaal Spielbudenplatz 19, von dem Reste in der Prinzenbar erhalten sind.

Tiefbunker

Unter dem Spielbudenplatz entstand zwischen Ende 1940 und Mitte 1942 ein zweigeschossiger Tiefbunker für 5.000 Menschen. In den Bombennächten des zweiten Weltkriegs sollen sich darin jedoch bis zu 20.000 Menschen aufgehalten haben. Nach dem Krieg erfolgte der Umbau zur Tiefgarage für etwa 430 Personenwagen.[3]

Esso-Station Reeperbahn

Parallel dazu wurde 1949 eine oberirdische Tankstelle gebaut, die später in die Taubenstraße hinein verlegt wurde. Die sogenannte "Kieztanke" ist ein beliebter Treffpunkt im Hamburger Nachtleben. Sie ist durchgehend geöffnet und hat in ihrem Laden das angeblich längste Getränke-Kühlregal Hamburgs. Die Tankstelle beschäftigt ca. 50 Mitarbeiter. Sie wird als "umsatzstärkste und bekannteste Tankstelle Deutschlands" bezeichnet, wobei sich diese Angabe auf den Umsatz des gesamten Komplexes beziehen soll, es aber keine verlässlichen Zahlen gibt, die diese Aussage bestätigen.

1960er Jahre

In den sechziger Jahren wurde der Platz mit modernistischen Glaspavillons bebaut, die zwanzig Jahre später sehr heruntergekommen waren und deshalb abgerissen wurden. Danach blieb die 300 m lange Fläche lange leer und ungenutzt.

Ansätze zur Umgestaltung

Verschiedene Vorschläge für eine Neugestaltung des Platzes scheiterten. Der aus einem Wettbewerb Mitte der Neunziger Jahre siegreich hervorgegangene Entwurf von Niki de Saint-Phalle kam auch wegen des Todes der Künstlerin nicht zur Ausführung. Auch der von Bausenator Mario Mettbach bei Jeff Koons bestellte Entwurf für die Installation von zwei 110 Meter hohen Kränen, an denen zwei monströse Gummienten mit Schwimmring hängen sollten, wurde nicht verwirklicht.[4].

Umgestaltung 2006

Eine der beiden Freilichtbühnen

Im Dezember 2004 wurde ein Internationaler Architekturwettbewerb ausgeschrieben, an dem nahezu 300 Architekten, Künstler und Designer teilnahmen. Der drittplatzierte Entwurf des Landschaftsarchitektur-Büros Lützow 7 wurde umgesetzt: zwei einander gegenüber liegenden bewegliche Bühnen zur Durchführung regelmäßiger Veranstaltungen.

Am 2. Juni 2006 wurde der 9,7 Millionen Euro teure Umbau von Spielbudenplatz und Reeperbahn offiziell eingeweiht. Fest installierte Sitzgelegenheiten fehlen. Zwei Restaurationsterrassen, überstanden von Bäumen, bieten der Planung nach Aufenthaltsmöglichkeiten an den „Kopfseiten“ des langgestreckten Platzes.

Die Architektur der Bühnen markiert, nach Ansicht einiger Kritiker, den Umbau der Stadt zur Event-Stadt, Kritiker sprechen von einer Architektur des Ausschlusses und der Verdrängung. Befürworter hingegen sehen in den variablen Nutzungsoptionen der gesamten Platzfläche eine Chance zur Bespielung des öffentlichen Raumes in Sinn der „Public Private Partnership“, dieses im Besonderen vor dem Hintergrund der seit Jahren jährlich stattfindenden Events wie „Schlagermove“, Public Viewing etwa des „Eurovision Song Contest“ u.a. Umstritten ist weiter, ob Hamburgs zweitgrößter Platz nicht mehr öffentlicher Raum sein sollte, statt zum Teil unter privater Verwaltung und Unterhaltung zu stehen. Während in Reden zur Eröffnung des neugestalteten Platzes von der „Wiederentdeckung des Öffentlichen“ die Rede war, fühlte sich die ehemalige Tagesschausprecherin Dagmar Berghoff an eine „Autobahnauffahrt“ erinnert.

Nutzung seit 2006

  • von April bis Ende September Biergartengastronomie Sommergärten mit täglicher Live-Musik auf Kleinkunstbühnen
  • In der Vorweihnachtszeit ist der Spielbudenplatz Schauplatz von Santa Pauli - Hamburgs geilstem Weihnachtsmarkt.
  • Seit März 2007 findet jeden Mittwoch zwischen 16 und 23 Uhr der St. Pauli Nachtmarkt, ein Wochenmarkt, statt.
  • Public Viewing Aufstieg FC St. Pauli Mai 2007
  • Public Viewing Fußball-WM 2006, Fußball-EM 2008, Fußball-WM 2010
  • Große Grand Prix Party, Public Viewing Eurovision Song Contest, sowie Live-Übertragung der TV-Sendungen "Countdown für Deutschland" und "Grand Prix Party"

Kulturdenkmal

Außer der Davidwache, dem St.-Pauli-Theater und Schmidts Tivoli stehen auch die Fassade des ehemaligen St. Pauli-Bades Spielbudenplatz 26 und die Reste von Knopfs Kinosaal Spielbudenplatz 19 unter Denkmalschutz.

Bilder

Literatur

  • Ulrich Alexis Christiansen: Hamburgs dunkle Welten. Der geheimnisvolle Untergrund der Hansestadt. Ch. Links, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-473-0.

Weblinks

 Commons: Spielbudenplatz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.bismarcktuerme.de/website/ebene3/laender/hamburg.html
  2. http://www.tivoli.de/schmidt-tivoli-kontakt/ueber-uns/schmidts-tivoli.html
  3. Ulrich Alexis Christiansen: Hamburgs dunkle Welten. Der geheimnisvolle Untergrund der Hansestadt.', Seite 137-142
  4. kunst-fuer-den-spielbudenplatz.de
53.5495638888899.96475

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