Raxwerke

Raxwerke

Die „Raxwerke“ waren eine große Lokomotivtender- und Rüstungsgüterfabrik in Wiener Neustadt in Niederösterreich während des Zweiten Weltkrieges und ein Außenlager des KZ Mauthausen.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938 wurde die 1842 gegründete und seit 1930 stillliegende Wiener Neustädter Lokomotivfabrik vom deutschen Konzern Henschel & Sohn übernommen. Um die Lokomotivtender-Produktion möglichst zu steigern, wurde das Werk stark erweitert. Der Standort wurde zwischen dem Werk I und Werk II der Wiener Neustädter Flugzeugwerke im Nordosten von Wiener Neustadt gewählt.

Am 5. Mai 1942 wurde unter dem Decknamen „Rax-Werk Ges.m.b.H.“ eine Tochtergesellschaft gegründet, die kriegswichtige Rüstungsgüter herstellen sollte.

Konzentrationslager 1 und V2-Produktion

Serbenhalle

Um die Raxwerke möglichst schnell aufzubauen, wurde 1942 der Entschluss gefasst, eine in Kraljevo (Serbien) erbeutete, 300 Meter in der Länge und 70 Meter in der Breite messende große Montagehalle für Waggons zu demontieren und sie in Wiener Neustadt wieder aufzubauen - dadurch entstand der Name „Serbenhalle“. Sie wurde mit über 400 Güterwaggons nach Wiener Neustadt gebracht und auf dem Werksgelände wieder aufgestellt. Ein Jahr zuvor waren vor und in dieser Halle über 1700 Einwohner von Kraljevo als Racheakt für einen Partisanenanschlag von der deutschen Wehrmacht erschossen worden. Dieses Ereignis war Teil des Massakers von Kraljevo und Kragujevac.

Anfangs produzierte die neue Gesellschaft Rohre für Panzer- und Flakgeschütze. Als ab Frühjahr 1943 die alliierten Bombenangriffe auf Deutschland immer heftiger wurden, machte sich die Führung um ihre neueste Waffe Sorgen: die A4-Rakete, auch bekannt als „V2“. Bisher war die V2 nur in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde und in Friedrichshafen produziert worden, nun aber suchte man einen sicheren Produktionsort in der Ostmark. Die Wahl fiel auf das Raxwerk, denn die Serbenhalle, die gerade errichtet wurde, hatte eine Höhe von 30 Metern und ermöglichte somit die Fertigung der Raketen in aufrechter Position.

Im Juli 1943 sollte die Fertigung anlaufen und bis zum Jänner 1944 die Zielvorgabe von 300 Stück pro Monat erreichen.

Um die Fertigung von V2-Raketen im Raxwerk möglichst schnell hochzufahren und die hochgesteckten Ziele zu erreichen, griff man auch hier auf KZ-Insassen als Arbeitskräfte zurück, die schon beim Aufbau der Serbenhalle eingesetzt wurden.

Im März 1943 war das Eisengerippe der Halle fertiggestellt und bereits mit starkstromgeladenem Stacheldraht versehen. Am 20. Juni 1943 langte der erste Transport von 500 Häftlingen aus dem KZ Mauthausen an. Im Sommer war die nördliche Hälfte komplett und Anfang August folgten weitere 722 KZ-Häftlinge. Die Häftlinge wurden direkt in der Serbenhalle untergebracht. Offiziell wurde das KZ-Außenlager als „SS-Arbeitslager Wiener Neustadt“ bezeichnet.

Am 13. August 1943 wurden die unmittelbar benachbarten Wiener Neustädter Flugzeugwerke von der amerikanischen Luftwaffe bombardiert und dabei wurde auch ein Teil der Raxwerke getroffen. Wegen der neuerlichen Luftangriffe wurde schon kurz nach dem Anlaufen der V2-Produktion im Oktober 1943 beschlossen, die V2-Produktion in die bombensichereren KZ Ebensee und Zipf bzw. ins Außenlager Dora des KZ Buchenwald zu verlagern. Die letzten Häftlinge wurden am 20. November 1943 abtransportiert. Ein Triebwerksprüfstand war gerade im Bau und wurde nicht mehr fertiggestellt.

Konzentrationslager 2

Nach dem Abzug der Raketenproduktion wurde das Raxwerk u.a. mit der Herstellung von Leichtern für die Deutsche Kriegsmarine beauftragt; nach wie vor wurden aber auch Lokomotivtender gebaut. Am 5. Juni 1944 wurden 300 und Ende Juli 204 Häftlinge aus dem KZ Mauthausen ins Raxwerk gebracht. Der Stand schwankte in der Folge zwischen 500 bis 700 Häftlingen.

Die Raxwerke wurden 1945 durch Bombenangriffe großteils zerstört. Nur die Serbenhalle blieb bestehen, sie wird heute als Lagerhalle genutzt.

Ende März 1945 näherte sich die Rote Armee Wiener Neustadt. Vermutlich am späten Nachmittag des 30. März 1945 begannen die SS-Wachmannschaften mit der Evakuierung des Konzentrationslagers Raxwerk und schickten die Häftlinge mit 50 - 60 Marinesoldaten auf den Marsch in das Außenlager Steyr, den viele der Häftlinge nicht überlebten.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg wurden die Raxwerke von den Sowjets den USIA-Betrieben eingegliedert und es begann wieder die Produktion von Schienenfahrzeugen. Nach dem österreichischen Staatsvertrag lief der Betrieb bis 1958 selbständig weiter und wurde dann der Simmering-Graz-Pauker AG (SGP) angeschlossen.

Von 1957 bis 1964 wurde im ehemaligen Raxwerk das zweimotorige Reiseflugzeug Meindl 222 entwickelt und in geringen Stückzahlen gebaut.

Im Jänner 1966 sollten die Raxwerke wieder privatisiert werden, wogegen sich die Belegschaft mit einem Streik wehrte. Nach dem Aushandeln von Abfertigungen durch den ÖGB wurde das Werk endgültig geschlossen.

Noch einmal in die Schlagzeilen geriet das Raxwerk am 14. Oktober 1969, als das Dach einer Halle von Aktivisten der Arbeiterjugendgruppe „Spartakus“ besetzt wurden. Die Handvoll Aktivisten schwenkten rote Fahnen und wollten mit dieser Aktion auf den Ausverkauf österreichischer Firmen aufmerksam machen.

Heutiger Zustand

Ein Wachbunker blieb auf dem einstigen Areal erhalten und befindet sich heute auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums. Als einziges großes Gebäude blieb die Serbenhalle unversehrt, sie dient als Lagerhalle.

Eine Lokomotive, die innerbetrieblich verwendet wurde („Fanny“), steht heute als Denkmal auf der Pottendorfer Straße.

Am 15. April 2005 wurde vom Verein Alltag Verlag und dem Künstler Markus Grabenwöger neben der Serbenhalle ein Mahnmal zum Gedenken an die KZ-Häftlinge enthüllt.

Internetseite

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