Massaker von Kraljevo und Kragujevac

Massaker von Kraljevo und Kragujevac
Briefmarke der DDR, 1967

Die Massaker von Kraljevo und Kragujevac waren Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht im besetzten Jugoslawien. Bei den beiden größten Erschießungen in Serbien wurden im Oktober 1941 insgesamt 4.000 Zivilisten getötet. Angehörige der 717. Infanteriedivision erschossen als Vergeltung für einen Hinterhalt, in den eine deutsche Kompanie geraten war, 2.300 Bürger der Stadt Kragujevac, zeitgleich fielen 1.700 Einwohner des benachbarten Kraljevo einer ähnlichen „Sühneaktion“ zum Opfer.[1]

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Erschießung in Smederevska Palanka bei Kragujevac (20. Oktober 1941)

Im April 1941 hatten mit dem Luftangriff auf Belgrad die Armeen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches und seine Verbündeten, das faschistische Italien und Ungarn, ohne vorherige Kriegserklärung Jugoslawien angegriffen und das Land innerhalb von wenigen Wochen besetzt. In dem einer deutschen Militärverwaltung unterstellten Serbien entstand im Sommer 1941 eine flächendeckende Aufstandsbewegung, der eine nur aus vier nicht vollwertigen Infanterie-Divisionen (704. Infanterie-Division, 714. Infanterie-Division, 717. Infanterie-Division und 718. Infanterie-Division) mit minderwertiger Ausrüstung bestehende deutsche Besatzungsmacht gegenüberstand. Zwei der Divisionen waren in Österreich aufgestellt worden: die 717. ID im Wehrkreis XVII, die 718. ID im Wehrkreis XVII. Die 717. ID zählte etwa 6.000 Mann und bestand aus überalterten Mannschaften und Offizieren ohne Kampferfahrung. Die 717. ID bildete mobile Jagdkommandos aus 25 bis 30 Mann zur „Bandenbekämpfung“.

Dem Aufstand sollte mit beispielloser Härte und Abschreckung begegnet werden. Am 10. Oktober 1941 hatte der bevollmächtigte Kommandierende General in Serbien, General der Infanterie Franz Böhme, die Erschießung von 100 Zivilisten für jeden getöteten und 50 Zivilisten für jeden verwundeten Wehrmachtssoldaten befohlen.

Das Massaker von Kraljevo

In den ersten Oktobertagen hatte die 717. ID bei „Säuberungen“ in der Umgebung von Kraljevo 105 Zivilisten erschossen und zahlreiche Dörfer niedergebrannt. Im Kampf hatte sie dabei nur sechs Gegner töten können, bei zwölf eigenen Gefallen und einigen Verwundeten. Am 13. Oktober gelang es den Partisanen, die Stadt Kraljevo und die dort stationierte 717. Infanteriedivision einzuschließen und mit Artilleriefeuer anzugreifen. Diese nahm daraufhin in der Stadt Geiseln. Die fortgesetzten Angriffe der aufständischen serbischen Einheiten konnten am 15. Oktober von der Wehrmacht nur unter erheblichen Verlusten abgewehrt werden. Nachdem gegen Abend Schüsse innerhalb der Stadt gefallen waren, töteten Wehrmachtseinheiten als Vergeltungsmaßnahme 300 serbische Zivilisten. Am nächsten Tag wurden die deutschen Verluste bei den Kämpfen um Kraljevo „gesühnt”. Dazu trieb die 717. Infanteriedivision die männliche Bevölkerung der Stadt im Hof der Waggonfabrik zusammen und registrierte sie. Als Vergeltung für die am 15. Oktober bei den Artilleriegefechten 14 getöteten und 20 verwundeten Soldaten wurden nach Angaben im Kriegstagebuch insgesamt 1.736 Männer und 19 kommunistische Frauen erschossen. Noch am gleichen Tag erhielten Angehörige der 717. ID zwanzig Stück Eiserne Kreuze II. Klasse. Die Hinrichtungen wurden in den nächsten Tagen fortgesetzt, wobei nach jugoslawischen Angaben in Kraljevo und Umgebung zwischen 7.000 und 8.000 Zivilisten getötet worden sind.

Die Massenerschießung von Kragujevac

Kragujevac, 21. Oktober 1941

Ähnlich gingen Wehrmachtseinheiten in dem nördlich gelegenen Kragujevac vor. Auch hier waren in einem Dorf in der Nähe der kleinen Stadt bei einem Gefecht mit Partisanen zehn Wehrmachtssoldaten getötet und 26 verwundet worden. Als Gegenreaktion trieben Soldaten des 749. und des 727. Infanterieregiments unter Leitung von Major Paul König wahllos serbische Zivilisten zusammen und erschossen am 21. Oktober 1941 in der Nähe der Stadt nach der festgelegten Geiselquote insgesamt 2.323 Menschen, darunter 300 Schüler und 18 Lehrer des örtlichen Gymnasiums. Die Lehrer hatten die Möglichkeit der Erschießung zu entgehen, jedoch entschlossen sie sich, die Schüler nicht im Stich zu lassen und kamen somit auch ums Leben.

In dem Telegramm des Gesandten Felix Bendler an das Auswärtige Amt vom 29. Oktober 1941 findet sich die Angabe: „Die Erschießungen in Kragujevac sind erfolgt, obwohl in dieser Stadt kein Angriff gegen deutsche Wehrmachtsangehörige stattgefunden hatte, weil anderwärts nicht genügend Geiseln aufgetrieben werden konnten.“

Die beiden Massaker in Serbien gehören zu den Geiselerschießungen durch die Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs, die in ihren Dimensionen selbst die Kriegsverbrechen der SS und der Gestapo von Lidice im heutigen Tschechien und Oradour-sur-Glane in Frankreich übertrafen.

Insgesamt erschossen Wehrmachtseinheiten zwischen April und Anfang Dezember 1941 20.000 bis 30.000 serbische Zivilisten als Vergeltungsmaßnahmen für Partisanenangriffe. Bis zum Ende der Besetzung des ehemaligen Jugoslawiens 1944 dürfte die Wehrmacht etwa 80.000 Geiseln getötet haben, darunter die gesamte jüdische Bevölkerung.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Klaus Schmieder: Auf Umwegen zum Vernichtungskrieg? Der Partisanenkrieg in Jugoslawien, 1941-1944 in: R.D. Müller, H.E. Volkmann, (Hrsg. im Auftrag des MGFA): Die Wehrmacht: Mythos und Realität, München, Oldenburg 1999, ISBN 3-486-56383-1, S. 901-922

Literatur

  • Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskriegs 1941–1944. Ausstellungskatalog, Hamburg 2002, S. 550–557.
  • Frank Hermann Meyer: Von Wien nach Kalavryta. Die blutige Spur der 117. Jäger-Division durch Serbien und Griechenland. Peleus. Studien zur Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns; Bd. 12, Bibliopolis, Mannheim / Möhnesee 2002, ISBN 3-933925-22-3. Rezension für Sehepunkte.
  • Walter Manoschek: Kragujevac. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Primus, Darmstadt 2003, ISBN 3896782320, S. 114–125.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kragujevac — Крагујевац Kragujevac …   Deutsch Wikipedia

  • Kraljevo — Општина Краљево Gemeinde Kraljevo …   Deutsch Wikipedia

  • Völkermord an den Sinti und Roma — Zigeuner im Lager Belzec, 1940 Das Romanes Wort Porajmos (auch Porrajmos, deutsch: „das Verschlingen“) bezeichnet den Völkermord an den europäischen Roma in der Zeit des Nationalsozialismus. Er ist eingebettet in eine lange und anhaltende… …   Deutsch Wikipedia

  • Internationale Mahn- und Gedenkstätten — Ersttagsbrief Unter dem Namen Internationale Mahn und Gedenkstätten wurde von der Deutschen Post der DDR von 1963 an jährlich mindestens eine Sondermarke ausgegeben. Diese Briefmarken erschienen fast alle in den Monaten August, September und… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsverbrechen der Wehrmacht — Verbrechen der Wehrmacht wurden in der Zeit des Nationalsozialismus von deren Führung, vor allem dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und dem Oberkommando des Heeres (OKH), und deren Truppen in Deutschland und in den im Zweiten Weltkrieg… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsverbrechen in der Wehrmacht — Verbrechen der Wehrmacht wurden in der Zeit des Nationalsozialismus von deren Führung, vor allem dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und dem Oberkommando des Heeres (OKH), und deren Truppen in Deutschland und in den im Zweiten Weltkrieg… …   Deutsch Wikipedia

  • Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944 — Verbrechen der Wehrmacht wurden in der Zeit des Nationalsozialismus von deren Führung, vor allem dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und dem Oberkommando des Heeres (OKH), und deren Truppen in Deutschland und in den im Zweiten Weltkrieg… …   Deutsch Wikipedia

  • Sumadija — Шумадијски округ Šumadijski Okrug Lage im Engeren Serbien Staat: Serbien Fläche: 2.387 …   Deutsch Wikipedia

  • Šumadija — Шумадијски округ Šumadijski Okrug Lage im Engeren Serbien Staat: Serbien Fläche: 2.387 …   Deutsch Wikipedia

  • Šumadijski okrug — Шумадијски округ Šumadijski Okrug Lage im Engeren Serbien Staat: Serbien Fläche: 2.387 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”