Pseudobasilika

Pseudobasilika
Querschnitt durch das Langhaus der Kathedrale von Poitiers


Pseudobasilika (Staffelhalle, Stufenhalle) nennt man eine vor allem in der Spätgotik verbreitete architektonische Mischform zwischen der Basilika und der Hallenkirche. Das Mittelschiff ist dabei gegenüber den Seitenschiffen erhöht, jedoch meist weniger als bei der echten Basilika. Der niedrige Obergaden hat in der Regel keine Fensteröffnungen.

Inhaltsverzeichnis

Pseudobasiliken und Staffelhallen

Das Münster in Ingolstadt
Fränkische Pseudobasilika: Pfarrkirche St. Laurentius in Ebern. Die Pultdächer der Seitenschiffe enden an den blinden Hochschiffwänden
fränkische Stufenhalle: überhöhtes Mittelschiff der Würzburger Marienkapelle. Der einteilige Dachstuhl überspannt alle drei Schiffe

In seiner eigentlichen Bedeutung bezeichnet der Begriff nur Sakralbauten mit basikaler Dachgestaltung. Die Seitenschiffe tragen also oft Pultdächer, die an die blinden, fensterlosen Hochschiffwände anstoßen. In der Literatur wird der Terminus aber oft auch für Staffelhallen verwendet, deren Gewölbe von einem gemeinsamen Dachstuhl überdeckt werden. Eigentlich handelt es sich hier jedoch um zwei unterschiedliche Architekturtypen.

Der Bautypus ist vielleicht eine Reaktion auf die um 1400 feststellbaren Regotisierungstendenzen in der europäischen Architektur. Man konnte so die alte Grundform der Basilika mit der moderneren Hallenbauweise verbinden.

Staffelhallen

Im französischen Poitou erscheint die Staffelhalle jedoch bereits im 11. Jahrhundert. Um 1150 entstand die romanische Kirche Notre-Dame la Grande in Poitiers. Auch der hochgotische Dom Saint-Pierre der Stadt ist eine Halle mit erhöhtem Mittelschiff. Im 15. Jahrhundert entstanden in vielen Gebieten Zentraleuropas Staffelhallen, häufig ist die Bauform beispielsweise bei Pfarrkirchen der Region Franken und in Dänemark.

In Westfalen bildete sich in der Spätromanik eine lokale Bauschule aus. Kreuzrippengewölbte Kirchen mit Stützenwechsel im „gebundenen System“ erscheinen im Innenraum als Stufenhallen. Als erster fassbarer Bau dieser Gruppe gilt die Stifts- und Pfarrkirche St. Ludgeri in Münster. Bis etwa 1220 entstanden zahlreiche Nachfolgebauten, die später allerdings meist verändert wurden. Besonders in Billerbeck und Legden haben sich jedoch noch charakteristische Beispiele erhalten.

Große Staffelhallen im eigentlichen Sinne sind etwa das Münster in Ingolstadt, der Wiener Stephansdom, die Kirche St. Peter und Paul in Görlitz oder der Dom zu Königsberg. Durch das Anfügen von Seitenkapellen entstand manchmal ein fünfschiffiges Raumbild (z. B. Pfarrkirche Eggenfelden).

Große Stufenhallen entstanden wohl auch, da die höheren Mittelschiffmauern es ermöglichten, die Kirchen leichter mit einem breiten, einheitlichen Dachwerk zu überspannen. Die Konstruktion eines riesigen Dachstuhles über einer „echten“ Hallenkirche ist wesentlich aufwändiger.

Einige Kunsthistoriker interpretieren besonders die „reduzierten Basiliken“ als Resultate der beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Bauherren oder als Ausdruck gewollter Bescheidenheit. Große Bauprojekte wie etwa der Wiener Stephansdom deuten allerdings darauf hin, dass speziell der Bautypus der Stufenhalle von den mittelalterlichen Baumeistern und Stiftern durchaus hoch geschätzt wurde. Die Kunsthistoriker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts meinten hier oft, eine architektonische Unvollkommenheit solcher Sakralbauten erkennen zu können.

Eine Sonderform sind die riesigen spanischen Staffelhallen, deren Obergaden in der Regel durchfenstert sind, wie etwa die Kathedrale zu Barcelona und die Kirche Santa Maria del Mar ebenda.

Pseudobasiliken

Echte Pseudobasiliken sind wesentlich seltener. Manchmal ist das erhöhte Mittelschiff außen durch einen Knick in der Dachfläche erkennbar oder die separaten Seitenschiffdächer enden direkt unter dem Dachtrauf des Hauptschiffes.

Pseudobasiliken werden manchmal auch als reduzierte Basiliken, seltener als Stutzbasiliken bezeichnet. Gelegentlich gliedern aufgemalte Fenster die Obergaden, so dass die Illusion einer echten Basilika entsteht. Diese Illusionsmalereien täuschen bisweilen reiche Maßwerkfigurationen vor (Stadtpfarrkirche Neustadt in Holstein).

Abgrenzung

Die beiden, nahe verwandten Bautypen sind nicht immer genau abzugrenzen. Gelegentlich ist das Mittelschiff wie bei einer Basilika wesentlich höher als die Seitenschiffe, aber ohne Belichtung. Die Gewölbe werden jedoch durch ein riesiges, einteiliges Dach geschützt (Neustadt in Holstein). Die Mittelschiffe von Stufenhallen sind manchmal nur wenig über die Seitenschiffe aufgemauert, außen erscheinen die Bauwerke jedoch als Pseudobasiliken.

Literatur

  • Norbert Nussbaum: Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik. 2. völlig überarbeitete Neuauflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, ISBN 3-534-12542-8.
  • Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der Gotik. Architektur, Skulptur, Malerei. Fotografien von Achim Bednorz. Könemann im Tandem-Verlag, Königswinter 2004, ISBN 3-8331-1038-4.
  • Matthias Untermann: Handbuch der mittelalterlichen Architektur. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-20963-7.

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