Prager Kunstraub 1648

Prager Kunstraub 1648

Beim sogenannten Prager Kunstraub handelt es sich um die Erbeutung von zahlreichen Kunstgegenständen durch die schwedische Armee am Ende des Dreißigjährigen Krieges.

Inhaltsverzeichnis

Die militärische Situation

Obwohl die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden im Sommer 1648 bereits in der Endphase waren, wurde immer noch gekämpft, wenn auch große Schlachten - wie in den Anfangsphasen des Dreißigjährigen Krieges - größtenteils ausblieben. Da die kaiserliche Armee nach der Niederlage in der Schlacht bei Jankau am 6. März 1645 relativ wehrlos war, konnte eine schwedische Armee unter General Königsmarck am 26. Juli 1648 die Prager Kleinseite im Handstreich einnehmen.

Hans Christoff Königsmarck 1651, von Matthäus Merian dem Jüngeren

Verlauf

Nachdem Königin Christina von Schweden am 5. August die Erfolgsmeldung über die Eroberung der Prager Kleinseite erhalten hatte, wandte sie sich in einem Schreiben unmittelbar an ihren Vetter, Pfalzgraf Karl X. Gustav, seit Oktober 1648 schwedischer Oberbefehlshaber, mit der Bitte, die Prager Kunstschätze für die schwedische Krone zu reservieren. Wenig später befahl Christina in einem weiteren Brief an Karl Gustav explizit, die kostbarsten Stücke der Sammlung Kaiser Rudolfs II. in Verwahrung zu nehmen. Die von ihr gewünschten Objekte sollten moldau- und elbabwärts bis nach Mecklenburg und anschließend über die Ostsee transportiert werden. Königsmarck sei inzwischen instruiert, sich persönlich, auch hinsichtlich der Logistik, um Archiv, Bibliotheken und Kunstschätze zu kümmern.[1]

Kristina von Schweden (Gemälde von Sébastian Bourdon)

Erbeutet und abtransportiert wurden beim Prager Kunstraub nicht nur die Schätze der Prager Burg, sondern auch anderer Paläste des Prager Burgbergs, so z. B. die bedeutende Rosenberg-Bibliothek. Auch die Bronzeplastiken des rudolfinischen Hofkünstlers Adriaen de Vries aus dem Garten des Waldsteinpalais wurden abmontiert und geraubt.[2] Das Kernstück waren allerdings große Teile der berühmten Kunstsammlung Kaiser Rudolfs II., die damals noch europaweit als Inbegriff des fürstlichen Kunstverstandes galt. Obwohl gleich nach dem Tod Rudolfs II. und kurz vor bzw. zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges mehrere Gegenstände aus der Kunstkammer nach Wien transportiert wurden, fielen den Schweden über 700 Gemälde in die Hände, darunter auch zahlreiche Werke des kaiserlichen Kammermalers Frans Luycx.[3]

Am Schauplatz der gleichzeitig stattfindenden Friedensverhandlungen in Münster legten die kaiserlichen Gesandten heftigen, jedoch erfolglosen Protest ein. Ende November 1648 kamen die Prager Kunstschätze, Archive und Bibliotheken in der Festung Dömitz an, wo sie zur Überwinterung eingelagert wurden. Am 20. Januar 1649 wurde angeordnet, die Beute beim ersten offenen Wasser über die Ostsee bringen zu lassen. Am 14. April schließlich erreichten die Schätze Stockholm.





Literatur

  • Walter F. Kalina: Kaiser Ferdinand III. und die bildende Kunst. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Dissertation, Universität Wien, 2003.
  • Susanne Tauss: "...daß die Räuberei das alleradeligste Exercitium ist...". Kunstschätze als Beute im Dreißigjährigen Krieg, in: Klaus Bußmann, Heinz Schilling, 1648. Krieg und Frieden in Europa. Ausstellungskatalog zur 26. Europaratsausstellung anläßlich des 350jährigen Jubiläums zum Westfälischen Frieden (Münster, Osnabrück 1999), Textband II.

Einzelnachweise

  1. Susanne Tauss, "...daß die Räuberei das alleradeligste Exercitium ist...". Kunstschätze als Beute im Dreißigjährigen Krieg, in: Klaus Bußmann, Heinz Schilling, 1648. Krieg und Frieden in Europa. Ausstellungskatalog zur 26. Europaratsausstellung anläßlich des 350jährigen Jubiläums zum Westfälischen Frieden (Münster, Osnabrück 1999), Textband II, 286.
  2. Thomas DaCosta-Kaufmann, Höfe, Klöster und Städte. Kunst und Kultur in Mitteleuropa 1450-1800 (Köln 1998), 279.
  3. Walter Kalina, Ferdinand III. und die bildende Kunst. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts (Dissertation Universität Wien 2003), 231 f.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • 1648 — Portal Geschichte | Portal Biografien | Aktuelle Ereignisse | Jahreskalender ◄ | 16. Jahrhundert | 17. Jahrhundert | 18. Jahrhundert | ► ◄ | 1610er | 1620er | 1630er | 1640er | 1650er | 1660er | 1670er | ► ◄◄ | ◄ | 1644 | 1645 | 1646 | 16 …   Deutsch Wikipedia

  • Kunstbeute — Beutekunst nennt man zusammenfassend Kulturgüter, die sich jemand in einem Krieg oder kriegsähnlichen Zustand widerrechtlich (entgegen Art. 56 der Haager Landkriegsordnung) aneignet (Kunstraub). Dies geschieht gewöhnlich, um den Gegner zu… …   Deutsch Wikipedia

  • NS-Raubgut — Beutekunst nennt man zusammenfassend Kulturgüter, die sich jemand in einem Krieg oder kriegsähnlichen Zustand widerrechtlich (entgegen Art. 56 der Haager Landkriegsordnung) aneignet (Kunstraub). Dies geschieht gewöhnlich, um den Gegner zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Trophäenkunst — Beutekunst nennt man zusammenfassend Kulturgüter, die sich jemand in einem Krieg oder kriegsähnlichen Zustand widerrechtlich (entgegen Art. 56 der Haager Landkriegsordnung) aneignet (Kunstraub). Dies geschieht gewöhnlich, um den Gegner zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Christoph Graf von Königsmark — Hans Christoffer Graf von Königsmarck (auch Hans Christoph von Königsmark, Hans Christoff oder Hans Christopher; * 4. März 1600 in Kötzlin in der Altmark; † 8. März 1663 in Stockholm) war ein deutscher Heerführer in schwedischen Diensten.… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Christoph von Königsmarck — Hans Christoffer Graf von Königsmarck (auch Hans Christoph von Königsmark, Hans Christoff oder Hans Christopher; * 4. März 1600 in Kötzlin in der Altmark; † 8. März 1663 in Stockholm) war ein deutscher Heerführer in schwedischen Diensten.… …   Deutsch Wikipedia

  • Beutekunst — nennt man zusammenfassend Kulturgüter, die sich jemand in einem Krieg oder kriegsähnlichen Zustand widerrechtlich (entgegen Art. 56 der Haager Landkriegsordnung) aneignet (Kunstraub). Dies geschieht gewöhnlich, um den Gegner zu demütigen, sich… …   Deutsch Wikipedia

  • Christina I. — Christina von Schweden (eigentlich Kristina, nach ihrem Übertritt zum Katholizismus Maria Alexandra) (* 18. Dezember 1626 in Stockholm; † 19. April 1689 in Rom), zweite Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594–1632) und dessen… …   Deutsch Wikipedia

  • Christina I. (Schweden) — Christina von Schweden (eigentlich Kristina, nach ihrem Übertritt zum Katholizismus Maria Alexandra) (* 18. Dezember 1626 in Stockholm; † 19. April 1689 in Rom), zweite Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594–1632) und dessen… …   Deutsch Wikipedia

  • Christina I. von Schweden — Christina von Schweden (eigentlich Kristina, nach ihrem Übertritt zum Katholizismus Maria Alexandra) (* 18. Dezember 1626 in Stockholm; † 19. April 1689 in Rom), zweite Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1594–1632) und dessen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”