Postkutsche

Postkutsche
Nachbau Postkutsche 18.Jh., Osterzgebirgsmuseum Schloss Lauenstein
Nachbau königlich-sächsische Postkutsche (Typ Mail Coach) und Meilenstein 19.Jh., Tharandter Wald
Noch ist die Postkutsche (Typ Berline) schneller als die Eisenbahn, Satire 1835
Gotthard-Postkutsche (Typ Berline mit Coupé), 1849 bis 1881
Postkutsche (Typ Berline mit Coupé von 1939) am Nürnberger Christkindlesmarkt
Postkutsche der Kgl. Württ. Post auf der Strecke Schömberg-Rottweil, kurz vor 1914

Postkutschen waren von Pferden als Zugtiere gezogene Kutschen, die bis ins frühe 20. Jahrhundert von der Post zur Beförderung von Postsendungen und zahlenden Fahrgästen benutzt wurden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Pferdekutschen waren neben Ochsenkarren in der vorindustriellen Neuzeit das bedeutendste Fortbewegungsmittel zu Lande, dessen sich auch die im 16. und 17. Jahrhundert entstehenden deutschen Fürsten- und Landesposten bedienten. Die ersten Postkutschen in Deutschland waren ungefederte Leiterwagen mit einem Korbgeflecht, das später mit einer Plane überspannt wurde. Man saß darin auf Holzbänken mit Felldecken.[1] Seit der Zeit der Aufklärung hatten Postkutschen auch Bedeutung in der Personenbeförderung und im Laufe der Zeit bildeten sich bestimmte, für die speziellen postalischen Aufgaben und regionalen Gegebenheiten ausgebildete Kutschentypen heraus. Genutzt wurde zunächst der Typ der Berline für vier bis sechs Fahrgäste und die über Frankreich aus England eingeführte Mail Coach für 13 bis 15 Fahrgäste (davon nur vier bis sechs Innenplätze).

Im Gegensatz zu England und Frankreich gab es im deutschsprachigen Raum als Folge des deutschen Partikularismus zur Zeit der Aufklärung kein einheitliches nationales Fahrpostwesen, sondern eine komplexe Verwaltungsstruktur des Postbetriebes und damit auch Lücken in den Verbindungen.[2]

In der Erfindung von abfälligen Bezeichnungen für Kutschen und Wege waren die Menschen des 18. Jahrhunderts wegen der unbequemen Fortbewegungsart äußerst kreativ: Walkmühle, Marterkasten, Ackerkarren, Knochenknacker, Teufelsweg, Höllenpfad sind nur die eher gemäßigten.[3]

Am Beginn stand die Post allerdings vorwiegend in Verbindung mit dem Handel und seiner beschleunigten Abwicklung. Der Privatreisende, der sie nutzte, war damit einer Hektik ausgesetzt. Der französische Arzt Charles Patin schrieb 1676, dass einen das ununterbrochene Fahren sowohl tagsüber als auch nachts nur noch beim Wechsel der Pferde zur Ruhe kommen lasse.[2] Kritik an der so genannten Ordinari-Post wurde laut und es meldeten sich auch Befürworter von privat angeworbenen Lohnkutschern zur Wahrung der Selbstbestimmung. Lohnkutscher hatte es schon zuvor gegeben. Konkurrenz bestand auch zwischen Ordinari-Post und Extrapost. Unter letzterer verstand man „das Reisen sowohl mit Mietpferden und eigener Kutsche, wie mit kompletten Mietfuhrwerken.“[4] Die neuen Reiseverhältnisse waren Ausdruck der Maßnahmen zur Förderung des absolutistischen Wohlfahrtsstaates. Schließlich wurden die Reisenden auf der fahrenden Post alle gleich behandelt und niemandem ein Vorzug eingeräumt. Adelige, die verarmt waren und sich gesellschaftlich nicht blamieren wollten, reisten daher gern inkognito.

Um 1820 waren die bedeutenden Überland-Postkurse so gut ausgebaut, dass die dort verkehrenden Kutschen mit dem Tempo einzelner Reiter mithalten konnten. Die Reisegeschwindigkeit der Postkutsche wurde durch Straßenbau von etwa 2 km/h im Jahr 1700 auf etwa 10 km/h im Jahr 1850 gesteigert. Eine Kutsche konnte damals an einem Tag bisweilen über 100 Kilometer zurücklegen.[5]

Mit dem Bestehen eines Eisenbahnnetzes ab etwa 1850 ging das oft romantisch verklärte Zeitalter der Postkutschen in Mitteleuropa allmählich zu Ende. Ende des 19. Jahrhunderts wurden große Postkutschen vom Typ Berline mit Coupé für 9 bis 15 Fahrgäste eingeführt. Die Bahn war billiger und schneller, sowohl in der Personenbeförderung als auch hinsichtlich des Betriebs der Bahnpost. Der letzte Postkutschentyp zur Personen- und Postbeförderung war der Postpferdeomnibus, der später nur noch als Post- und Paketwagen genutzt wurde. Postkutschen blieben noch als Transportkutschen vom Bahnhof zum Postamt und zum Personentransport im nicht von der Bahn erschlossenen ländlichen Raum im Einsatz, bis dort um 1900 die Motorisierung einsetzte und ab 1905 die Kraftpost mit ihren Fahrzeugen die angestammte Arbeit der Postkutschen übernahm. Der Benzinmangel im Ersten Weltkrieg führte dazu, dass viele Autobuslinien in Deutschland bis Kriegsende vorübergehend stillgelegt und nochmals durch Postkutschen ersetzt wurden. Nach Kriegsende kam schnell das endgültige Aus.

Diese Entwicklung hat sich parallel in ganz Westeuropa vollzogen. In England wurde beispielsweise im Jahr 1657 die erste Postkutschenlinie zwischen London und Chester in Betrieb genommen und die Postkutsche hat sich in England bis 1905 halten können.

Seit langem gibt es im deutschsprachigen Raum außerhalb von Traditionsveranstaltungen keine offiziellen Postkutschen mehr. Die letzte Postkutsche im 1938 von der Deutschen Reichspost wieder eingeführten und im Zweiten Weltkrieg unterbrochenen touristischen Postdienst verkehrt noch zwischen Bad Kissingen und Bad Bocklet. Gelegentlich sind Postkutschen auch auf Tourismusmessen und Philatelistentagen anzutreffen. Einige Veranstalter bieten längere Reisen in historischen Postkutschen an, etwa Goethes Italienische Reise, München–Verona oder die Route des Lindauer Boten. Im offiziellen Kursbuch der Schweiz von 2005 wurde eine Kutschenlinie zwischen Pontresina und Roseggletscher erwähnt. In Ostdeutschland gibt es inzwischen wieder touristische Postkutschenangebote unter anderem auf den Langstrecken Hamburg–Berlin, Berlin–Leipzig und Leipzig–Dresden mit originalgetreuen Postkutschen sowie das Projekt Land der historischen Poststraßen mit regelmäßigen Fahrten von drei Postkutschen und einem Postschlitten in der Region Osterzgebirge-Sächsische Schweiz-Tharandter Wald südlich von Dresden.

Ausrüstung der Reisenden im 18. Jahrhundert

Gotthard-Postkutsche auf dem Julierpass, Schweiz, um 1881

Als Grundausstattung eines Reisenden des 18. Jahrhunderts ist anzusehen: Regenmantel, breiter Hut, mindestens zwei Paar Schuhe oder Stiefel, Hosen, Nachtgewand und Bettzeug. In einem ledernen Gurt wurden die Dokumente sowie das Geld verwahrt. Das Wichtigste bewahrte man in der Kleidung auf. Bis ins 19. Jahrhundert trugen die Reisenden eher abgetragene Kleidung, da diese durch die Fahrt sehr strapaziert wurde. Während der oft eintönigen Kutschenfahrt vertrieb sich der gebildete Reisende die Zeit mit einer entsprechenden Lektüre. Im 18. Jahrhundert wurde gern über Gelesenes diskutiert oder es wurden Geschichten erzählt. Wer über seine Reise berichten wollte, trug ein Wachstäfelchen mit sich und übertrug den Text in der Herberge auf Papier.[6]

Daten aus der Geschichte der Postkutsche

  • 1610 – Erste englische Postkutsche.
  • 1660 – Erste Postkutsche zwischen Leipzig und Hamburg.
  • 1664 – Frankreich führt einen staatlichen Kutschendienst ein.
  • 1682 – Erste Postkutsche von Stuttgart über Heilbronn nach Heidelberg (einmal pro Woche).
  • 1683 – Erste Postkutsche zwischen Dresden und Leipzig (zweimal pro Woche).
  • 1684 – Erste Postkutsche zwischen Leipzig und Nürnberg.
  • 1692 – Erste Postkutsche zwischen Köln und Venlo (zweimal pro Woche).
  • 1694 – Erste Postkutsche zwischen Leipzig und Breslau (zweimal pro Woche).
  • 1703 – Erste Postkutsche zwischen Köln und Frankfurt am Main.
  • 1750 – Postkutschen haben sich als wichtigstes Verkehrsmittel im Überlandverkehr durchgesetzt.
  • 1820 – Reisen mit Kutschen wird schneller als mit dem Reitpferd.
  • 1842 – Erste Postkutsche über den Gotthard.
  • 1852 – William Fargo und Henry Wells gründen die Wells Fargo Company in Kalifornien, deren Postkutschen gehören zum historischen Straßenbild des Wilden Westen.
  • 1881 – Letzte Fahrt der Postkutsche über den Gotthard.
  • 1888 – Selby schraubt den Geschwindigkeitsrekord für Postkutschen auf 23 km/h.
  • 1904 – Zwischen Braunschweig und Wendeburg ersetzt erstmals in Deutschland ein Autobus die Postkutsche.
  • 1905 – Die Bayerische Post nimmt die erste Kraftpostlinie in Betrieb.
  • 1905 – Letzte englische Postkutsche stellt den Betrieb ein.
  • 1921 – Am 3. Mai wird die Postkutsche zwischen Meschede und Lippstadt durch einen Autobus ersetzt.
  • 1923 – Am 29. September verkehrt die letzte Postkutsche in Hannover.
  • 1926 – Die letzte Pferdepersonenpost verkehrt in Sachsen, deren Postkutsche heute noch im Schloss Pfaffroda zu sehen ist.
  • 1930 – Fährt in Mittelfranken die letzte Postkutsche von (Bad) Windsheim nach Ansbach.
  • 1931 – Am 1. Mai 1931 werden die Görlitzer Pferdeposten eingestellt und durch Elektroautos ersetzt.
  • 1935 – Am 14. April 1935 fährt in Unterfranken die letzte Postkutsche von Heigenbrücken nach Wiesen[7] als letzte nichttouristische Fahrt zur Personenbeförderung in Deutschland.
  • 1938 – Wiedereinführung von Pferdepersonenposten für Touristen in 25 deutschen Kurorten durch die Deutsche Reichspost mit kriegsbedingter Einstellung ab 1940, von denen nur die Linie Bad KissingenBad Bocklet unter Posthoheit bis heute erhalten blieb.
  • 1939 – Wiedereinführung von Fahrten mit Postschlitten der Deutschen Reichspost für Touristen im Erzgebirge und Vogtland, jedoch Einstellung der Fahrten im Zweiten Weltkrieg.
  • 1957 – Im März wird das letzte Mal Paketpost in Kiel (als eine der letzten deutsche Städte) mit der Postkutsche ausgeliefert.[8]
  • 1961 – Die letzte Pferdepost auf der Linie AversJuf in der Schweiz wird eingestellt.
  • 2005 – Internationales Postkutschentreffen in Langenfeld
  • 2006 – Beginn der jährlichen (südost-)deutschen Postkutschentreffen in Grillenburg und Bad Düben
  • 2007 – Wiedereinführung von Postschlittenfahrten im Tharandter Wald

Postkutschen auf deutschen Briefmarken

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Ammerer: Reise-Stadt Salzburg: Salzburg in der Reiseliteratur vom Humanismus bis zum beginnenden Eisenbahnzeitalter. Archiv u. Statist. Amt der Stadt Salzburg, Salzburg 2003, ISBN 3-901014-81-0.
  • Klaus Beyrer (Hrsg.): Zeit der Postkutschen. Drei Jahrhunderte Reisen 1600-1900. Eine Publikation des Deutschen Postmuseums. Frankfurt am Main anlässlich der gleichnamigen Ausstellung, Braun, Karlsruhe 1992, ISBN 3-7650-9031-X.
  • Petra Krempien: Geschichte des Reisens und des Tourismus. Ein Überblick von den Anfängen bis zur Gegenwart, FBV Medien-Verlag, Limburgerhof 2000, ISBN 3-929469-25-1.
  • Stefan Nunner (München): Die Wiedereinrichtung von Pferdepersonenposten, Rundbrief Nr. 83 der Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen e.V., Dezember 2006.
  • Stefan Nunner u. André Kaiser: Wiedereinführung der touristischen Pferdepersonenpostschlittenfahrten in Sachsen, Rundbrief Nr. 84 der Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen e.V., November 2007.
  • Jens Hüttenberger: Kleine Geschichte der Kommunikation. Köln 2009.
  • Hans Schulz: Abschied von Görlitzer Pferdeposten, Sächsische Zeitung Görlitz, 30. April 2011

Weblinks

 Commons: Postkutsche – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ein Nachbau ist heute im Osterzgebirgsmuseum Schloss Lauenstein ausgestellt.
  2. a b Klaus Beyrer: Des Reisebeschreibens „Kutsche“. Aufklärerisches Bewußtsein im Postreiseverkehr des 18. Jahrhunderts. In: Wolfgang Griep, Hans-Wolf Jäger (Hrsg.): Reisen im 18. Jahrhundert. Winter, Heidelberg 1986, S. 56.
  3. Petra Krempien: Geschichte des Reisens und des Tourismus. Ein Überblick von den Anfängen bis zur Gegenwart. FBV-Medien-Verlag, Limburgerhof 2000, S. 95.
  4. Klaus Beyrer: Des Reisebeschreibens „Kutsche“. Aufklärerisches Bewußtsein im Postreiseverkehr des 18. Jahrhunderts. In: Wolfgang Griep, Hans-Wolf Jäger (Hrsg.): Reisen im 18. Jahrhundert. Winter, Heidelberg 1986, S. 54.
  5. Klaus Beyrer: Des Reisebeschreibens „Kutsche“. Aufklärerisches Bewußtsein im Postreiseverkehr des 18. Jahrhunderts. In: Wolfgang Griep, Hans-Wolf Jäger (Hrsg.): Reisen im 18. Jahrhundert. Winter, Heidelberg 1986, S. 55.
  6. Gerhard Ammerer: Reise-Stadt Salzburg. Salzburg in der Reiseliteratur vom Humanismus bis zum beginnenden Eisenbahnzeitalter. Archiv u. Statist. Amt der Stadt Salzburg, Salzburg 2003, S. 15f.
  7. Geschichte der Post in Heigenbrücken
  8. Die letzte Fahrt der Kieler Postpferde

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