Pippin der Jüngere

Pippin der Jüngere
Idealisierte Darstellung Pippins mit der Heiligen Lanze, Darstellung von Münzen aus seiner Zeit.
Grabmal Pippins und seiner Ehefrau Bertrada der Jüngeren in der Basilika Saint-Denis

Pippin der Jüngere, genannt auch Pippin III., Pippin der Kurze und Pippin der Kleine (* 714; † 24. September 768 in Saint-Denis bei Paris) war ein fränkischer Hausmeier aus dem Geschlecht der Karolinger und seit 751 König der Franken. Er war der Sohn Karl Martells und der Vater Karls des Großen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Pippin wurde 714 als zweiter Sohn Karl Martells und dessen erster Ehefrau Chrotrudes geboren und im Kloster Saint-Denis erzogen.

Kurz vor seinem Tod 741 teilte Karl Martell sein Reich zwischen seinen Söhnen aus erster Ehe, Karlmann und Pippin, wobei sich hier über Art und Durchführung die wenigen, aus späterer Zeit stammenden Quellen durchaus widersprechen. Karlmann bekam Austrien, Alemannien und Thüringen, Pippin Neustrien, Burgund und die Provence. Die beiden Brüder mussten sich sofort eines Aufstandes ihres bei der Erbfolge übergangenen Halbbruders Grifo erwehren und setzten diesen in einem Kloster fest. Da ihre Macht nicht gefestigt schien, setzten Karlmann und Pippin 743 mit Childerich III. erneut einen merowingischen König ein, um so ihrem Amt als Hausmeier eine königliche Legitimierung zu geben.

Zwischen den beiden Brüdern scheint es grundsätzlich Einvernehmen und eine erfolgreiche Kooperation gegeben zu haben, doch als Karlmann 747 seine Länder Pippin übergab und sich in die Klöster Monte Soracte und Monte Cassino zurückzog, scheint es zumindest Gerüchte gegeben zu haben, dass dieser Rückzug nicht ganz freiwillig war. Pippin ließ explizit in zeitgenössischen Quellen erwähnen, dass es allein der Entschluss seines Bruders gewesen sei. Er übernahm dann jedoch unter Umgehung möglicher Erbrechte von Karlmanns Kindern die Regentschaft des ganzen Frankenreichs, die allerdings nicht unangefochten blieb. So musste er erneut eine Empörung Grifos unterdrücken. Bei den Alemannen hob Pippin die Herzogswürde auf, und in Bayern setzte er Odilos unmündigen Sohn Tassilo III. als Herzog, aber unter fränkischer Oberhoheit, ein.

Pippin war bestrebt, nach dem Amt des Hausmeiers auch den Königstitel zu erlangen. Die faktische Macht lag schon lange bei den karolingischen Hausmeiern. Die merowingischen Könige waren nur noch dem Namen nach die Herrscher. Zur Legitimation dieser Titelübernahme bediente sich Pippin nach Darstellung der fränkischen Reichsannalen des Papstes Zacharias.[1] Pippin schickte dazu seinen wichtigsten Ratgeber, Fulrad von Saint-Denis und Bischof Burkard von Würzburg, nach Rom zum Papst mit der Frage: Wegen der Könige in Francia, die keine Macht als Könige hätten, ob das gut sei oder nicht. Wunschgemäß antwortete der Papst: Es ist besser, den als König zu bezeichnen, der die Macht hat, und im November 751 ließ sich Pippin durch eine Versammlung der Franken zu Soissons nach Absetzung Childerichs III., der nebst seinem Sohn Theoderich in das Kloster Prüm verwiesen wurde, zum König (Rex Francorum) ausrufen und beendete damit die Reihe der Könige aus dem Geschlecht der Merowinger.

Mit der Wahl Pippins zum König begann die Königsherrschaft der Karolinger im Frankenreich. Die exakte Rolle des Papstes bei diesem Vorgang wurde später unterschiedlich gesehen; während Rom von einer Art autoritativer Aufforderung zur Krönung und damit einem päpstlichen Verfügungsrecht über das Königtum ausging, verstanden die weltlichen Großen das „Weistum“ des Papstes eher als eine Art Gutachten. Als der von den Langobarden bedrängte Papst Stephan II. ins Frankenreich kam, um Pippin um Hilfe zu bitten (6. Februar 754 in Ponthion), ließ sich dieser am 28. Juli 754 samt seinen Söhnen Karlmann und Karl in der Basilika Saint-Denis von ihm salben.[2]

Im Frühjahr 755 zog Pippin nach Italien. Der Langobardenkönig Aistulf, in Pavia belagert, zeigte sich entgegenkommend, brach aber nach Pippins Abzug seine Zusagen und belagerte den Papst in Rom. Pippin kehrte nun 756 zurück, zwang Aistulf zur Anerkennung der fränkischen Oberherrschaft und zur Abtretung des Exarchats von Ravenna, das Pippin dem Papst schenkte (Pippinische Schenkung), und übernahm das Patriziat über die Stadt Rom.

753 und 757 führte er erfolgreich Kriege gegen die Sachsen und trieb durch die Eroberung Narbonnes die Sarazenen über die Pyrenäen. 760 bis 768 unternahm er wiederholt Feldzüge gegen Herzog Waifar von Aquitanien; Herzog Tassilo III. von Bayern konnte er 757 zur Leistung des Vasalleneides zwingen.

Vor seinem Tode teilte Pippin das Reich unter seinen Söhnen Karl (747–814) und Karlmann I. (751–771).

Pippin starb am 24. September 768 in Saint-Denis bei Paris und wurde in der dortigen Basilika beigesetzt.

Von seiner Ehefrau Bertrada der Jüngeren hatte er außer Karl und Karlmann noch vier weitere Kinder:

  • Gisela (* 757, † 810) wurde 788 Äbtissin von Chelles
  • Pippin (* 759, † 761)
  • Rothaid, begraben in Abtei Sankt Arnulf in Metz
  • Adelheid, begraben in St. Arnulf in Metz

Eine Gedenktafel von ihm fand Aufnahme in die Walhalla bei Regensburg.

Kontroverse um Pippins Königssalbung

Die Rolle des Bonifatius bei Pippins Königssalbung von 751 wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Dass Bonifatius Pippin damals gesalbt habe, wird erst in Quellen berichtet, die ein bis zwei Generationen nach dem Ereignis entstanden (Reichsannalen, Metzer Annalen), in zeitgenössischen Quellen wie der Fredegar-Fortsetzung und den Bonifatius-Briefen ist dies nicht erwähnt. In der Geschichtswissenschaft wird die Bonifatiussalbung daher teils skeptisch betrachtet,[3] teils aber auch für möglich gehalten.[4] Unklar ist auch, ob gegebenenfalls das Vorbild der Westgoten eine Rolle gespielt haben könnte, die bis zum Untergang ihres Reiches enge Kontakte zu den Franken gepflegt hatten und deren Herrscher spätestens seit Wamba gesalbt worden waren.

Josef Semmler stellte 2003 die These auf, dass es 751 überhaupt keine Salbung gegeben habe, während die Salbung 754 durch Papst Stephan II. keine Königssalbung, sondern nur eine so genannte „postbaptismale Taufsalbung“ gewesen sei, was seitdem kontrovers diskutiert wird.[5]

Beiname

Pippins Beiname „der Kurze“ oder „der Kleine“ kommt nicht, wie gelegentlich behauptet, von der falschen Übersetzung des lateinischen „Pippinus minor“ für „Pippin den Jüngeren“. Vielmehr war „Pippin der Kurze“ (lateinisch: Pippinus brevis) ein Beiname, der ursprünglich in Quellen des 11. und 12. Jahrhunderts Pippin dem Mittleren beigelegt wurde (so bei Ademar von Chabannes und noch im 13. Jahrhundert in den Grandes Chroniques de France).[6] Die Übertragung des Beinamens auf Pippin den Jüngeren dürfte ab dem 12. Jahrhundert unter Einfluss einer bereits 883/84 von Notker Balbulus aufgeschriebenen Anekdote erfolgt sein (Gesta Karoli Magni, Buch 2, Kap. 15). Danach hätte Pippin der Jüngere einen Löwen mit dem Schwert besiegt und habe sich dabei mit dem kleinen David, wie er dem großen Goliath gegenüberstand, sowie mit dem kleinwüchsigen Alexander dem Großen verglichen.[7] Gottfried von Viterbo nennt Pippin den Jüngeren in seinem „Königsspiegel“ (Speculum regum, 1183) sogar Pippinus nanus, also „Pippin den Zwerg“.[8] Einige spätere Autoren sind ihm darin gefolgt, so Sicardus von Cremona in seiner Universalchronik (Chronica universalis, 1213).[9]

Für die Zuweisung des Beinamens „der Kurze“ an Pippin den Jüngeren spielte wohl ebenso eine Rolle, dass man die Größe seines Sohnes Karls des Großen mit einem kleinen Vorgänger kontrastieren wollte.[10] Ein weiterer Erklärungsansatz geht davon aus, dass sich der Beiname „der Kurze“ auch aus dem Namen Pippin heraus angeboten hat, da „Pippin“ als „Kleiner“ (ursprünglich ein Kosename für ein kleines Kind) gedeutet werden kann.[11] In der heutigen deutschen Geschichtswissenschaft ist der Beiname „der Kurze“ ungebräuchlich; allgemein wird von Pippin dem Jüngeren gesprochen, was auf seine Stellung als dritter und jüngster Hausmeier dieses Namens zurückgeht. Im Englischen (Pepin the Short) und Französischen (Pépin le Bref) ist die Bezeichnung dagegen noch heute geläufiger, vergleiche den Buchtitel von I. Gobry (2001).

Quellen

  • Reinhold Rau (Hrsg.): Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Bd. 1. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1987, ISBN 3-534-06963-3.

Literatur

  • Matthias Becher: Merowinger und Karolinger. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-15209-4.
  • Matthias Becher u.a. (Hrsg.): Der Dynastiewechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationsstrategien und Erinnerung. Scriptorium, Münster 2004, ISBN 3-932610-34-2.
  • Erich Caspar: Pippin und die römische Kirche. Kritische Untersuchungen zum fränkisch-päpstlichen Bunde im 8. Jahrhundert. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1973, ISBN 3-534-05699-X (Reprint der Ausgabe Berlin 1914).
  • Ivan Gobry: Pépin le Bref. Pygmalion, Paris 2001, ISBN 2-85704-717-7.
  • Heinrich Hahn: Jahrbücher des fränkischen Reichs. 741–752. Duncker & Humblot, Berlin 1975, ISBN 3-428-03365-5 (Reprint der Ausgabe Leipzig 1863).
  • Ludwig Oelsner: Jahrbücher des fränkischen Reichs unter König Pippin. Duncker & Humblot, Berlin 1871.
  • Rudolf Schieffer: Die Karolinger. 4. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2006, ISBN 3-17-019099-7.
  • Rudolf Schieffer: Pippin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, S. 469–472.
  • Reinhard Schneider: Das Frankenreich, 4. überarbeitete und erneuerte Aufl., Oldenbourg, München 2001.
  • Hans K. Schulze: Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen: Merowinger und Karolinger. Siedler Deutsche Geschichte (Das Reich und die Deutschen). Siedler, Berlin 1987.
  • Jürgen Strothmann: Das Königtum Pippins als Königtum der Familie und die Bedeutung der Clausula de unctione Pippini. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. Bd. 125, 2008, ISSN 0323-4045, S. 411–429.

Weblinks

 Commons: Pepin le Bref – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Reichsannalen, in: Reinhold Rau (Hg.): Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Darmstadt 1987, ISBN 3-534-06963-3, S. 1–155, hier S. 14f. zum Jahr 749.
  2. Pierre Riché: Die Karolinger. Stuttgart 1987, S. 92.
  3. Kurt-Ulrich Jäschke: Bonifatius und die Königserhebung Pippins des Mittleren, in: Aus Geschichte und ihren Hilfswissenschaften, Festschrift für Walter Heinemeyer zum 65. Geburtstag, Marburg 1979, S. 25-54
  4. Jörg Jarnut: Wer hat Pippin 751 zum König gesalbt?, in: Frühmittelalterliche Studien 16 (1982), S. 45-57.
  5. Josef Semmler: Der Dynastiewechsel von 751 und die fränkische Königssalbung, Düsseldorf 2003; vgl. dazu die Rezension unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-2-163; vgl. ferner Josef Semmler: Zeitgeschichtsschreibung und Hofhistoriographie unter den frühen Karolingern, in: Johannes Laudage (Hg.), Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdarstellungen und ihre kritische Aufarbeitung, Köln 2003, S. 135-164.
  6. Gaston Paris: La légende de Pépin «le bref». In: Mélanges de Littérature Française du Moyen Age. Paris 1966, S. 183–215, hier Seite 187 mit Anmerkung 1. (Erstdruck in den Mélanges Julien Havet, Paris 1895, S. 603-633).
  7. Notker Balbulus: Gesta Karoli Magni imperatoris. ed. Hans F. Haefele, Berlin 1959 (= MGH SS rer. Ger. nova series 12), hier S. 78–80.
  8. Gotifredi Viterbiensis Speculum regum. Ed. G. H. Pertz, in: MGH SS 22, S. 21–93, hier S. 92.
  9. Sicardi Cronicon, in: Migne, Patrologia Latina Bd. 213, Sp. 441–540, hier Sp. 491 A (Pippinus Nanus rex Francorum).
  10. Gaston Paris: La légende de Pépin «le bref» (wie oben), S. 191.
  11. Leo Spitzer: Etudes d’anthroponymie ancienne française. In: Publications of the modern language association of America 58. Heft 3/September 1943, S. 589-596, hier S. 593-596: II. Pépin le Bref.


Vorgänger Amt Nachfolger
Karl Martell Hausmeier von Neustrien, Burgund und der Provence
741–751
– (Amt mit Pippin erloschen)
Karlmann Hausmeier von Austrien, Alemannien und Thüringen
747–751
Childerich III. König der Franken
751–768
Karlmann I. im südlichen Reichsteil
Karl der Große im nördlichen Reichsteil, ab 771 im Gesamtreich

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