Nicholson Baker

Nicholson Baker
Nicholson Baker im Dezember 2007

Nicholson Baker (* 7. Januar 1957 in New York City) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er ist sowohl als Romancier als auch als Essayist bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nicholson Baker wuchs in Rochester (New York) auf, studierte zunächst Musik an der dortigen Eastman School of Music, danach von 1975 bis 1979 englische Literaturwissenschaft am Haverford College. Er ist seit 1985 mit seiner Frau Margaret verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn. Er lebt mit seiner Familie in South Berwick, Maine.

Werk

Baker schreibt unter anderem für die Zeitschriften The New Yorker, The Atlantic Monthly, The New York Review of Books und Esquire.

1991 veröffentlichte er den Essay U and I: A True Story, eine Hommage an sein literarisches Vorbild John Updike. Weitere Essays erschienen 1996 unter dem Titel The Size of Thoughts: Essays and Other Lumber; in der deutschen Veröffentlichung von 1998 sind beide Titel in einem Band zusammengefasst.

Schon sein erster Roman Rolltreppe oder Die Herkunft der Dinge setzt die Standards für Bakers spätere Werk: Hier reflektiert ein Angestellter während eines Arbeitstages vor allem über gewöhnliche Gegenstände. Ihm sind innerhalb eines Tages zwei Schürsenkel gerissen, und schon kommt eine Denklawine ins Rollen, die vor nichts Halt macht. Plastiktrinkhalme, Eisschalen, die Kunst, eine Serviette in einen Mülleimer zu werfen, ohne den Deckel mit der eigenen Haut berühren zu müssen – vor allem die oberflächlich unwichtigen Dinge haben es dem Protagonisten Howie und wohl auch seinem Autor angetan. Baker verzichtet abgesehen vom Tagesablauf fast völlig auf Handlungs- und Erzählstränge, stattdessen unterbricht er den Fluss durch teils aberwitzige Fußnoten; Baker lässt die Dinge scheinbar laufen – das aber äußerst kunstvoll und mit viel Humor, den Eike Schönfeld ins Deutsche gerettet hat. Exemplarisch ist dieser Erstling, weil Baker schon hier bewies, dass er „wunderbare in ihre Gegenstände vernarrte und zugleich in ihrer Besessenheit durchgeknallte Bücher über Rolltreppen, Babynasen, Telefonsex, Zündhölzer und, ja doch, Kriegstreiber"[1] schreiben kann.

In seinem Roman Vox (1992) schildert er den Telefonsex zwischen einem Mann und einer Frau. Das Buch besteht aus einem einzigen langen Dialog und handelt von erotischen Phantasien, die mit einem unbekannten Partner verbal ausgelebt werden. In der Lewinsky-Affäre spielte das Buch eine Rolle, weil Lewinsky es angeblich Bill Clinton geschenkt hatte. Der Sonderermittler Kenneth Starr versuchte deswegen eine Verfügung gegen zwei Buchhandlungen zu erwirken, die ihre Kundendaten herausgeben sollten. Dies wurde von Baker öffentlich kritisiert.[2]

"Die Fermate" (1994) erzählt vom Akademiker und Zeitarbeiter Arno Strine, der die Gabe hat, den Fluss der Zeit anzuhalten, wann immer er will. In den so entstehenden Zeitlücken beglückt er unter anderem Arbeitskolleginnen, wildfremde Frauen in der U-Bahn, vor allem aber sich selbst mit meist erotischen Eskapaden, die jedoch immer einer freundlichen Absicht entspringen.

Viel beachtet wurde sein Sachbuch Double Fold (2001, deutsch: Der Eckenknick), eine Streitschrift gegen das Vernichten von Originalen mikroverfilmter Bestände durch Bibliotheken in den USA. Der Titel spielt auf die Faustregel an, dass nach nur zweimaligem Eckenknicken eines Buches dessen Erhaltungszustand erkennbar sei. Um Zeitungen vor der Makulierung zu retten, gründete er das gemeinnützige American Newspaper Repository, kaufte seit 1999 umfangreiche Bestände auf und bewahrte sie in einem Lagerhaus auf. Die Sammlung wurde im Frühjahr 2004 an die Bibliothek der Duke University übergeben.[3]

In seinem Roman Checkpoint (2004) beschreibt er einen geplanten Mordanschlag auf den amtierenden Präsidenten der USA, George W. Bush während des Wahlkampfs, was in den USA eine ethische Debatte auslöste.[4] In dem Buch wendet sich Baker erstmals politischen Themen wie dem Irakkrieg zu.

Sein Buch Human Smoke (2008) über den Zweiten Weltkrieg erregt derzeit in den USA und England starkes Aufsehen, da es antisemitische Tendenzen und eine Mitschuld am Entstehen und Verlauf des Zweiten Weltkrieges bei den Führungspersönlichkeiten der westlichen Alliierten (Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt) unterstellt bzw. durch zeitgenössische Quellen zu belegen sucht (Revisionismus, Kriegsschuldfrage).

In seinem Essay The Charms of Wikipedia (s.u.) erklärt Baker, wie er sich vom begeisterten Nutzer in einen zeitweilig geradezu süchtigen Wikipedia-Autor verwandelte: „Was mich schließlich ganz und gar hineinzog, war der Versuch, Artikel vor dem Löschen zu retten.“[5] Mit Presse-Zitaten und Recherchen kämpfte Baker zeitweise für den Erhalt eines vermeintlich randständigen Wissens in der Wikipedia.

Im Roman The Anthologist (2009) reflektiert ein nicht mehr ganz junger, aber fast unbekannter Autor, dessen Schreib- und Liebeskarriere nach eigenem Urteil gerade floppt, beim Verfassen einer Poesie-Anthologie über poetische und persönliche Probleme.

Der Roman House of Holes: A Book of Raunch (2011) handelt auf humorvolle, verspielte Art von "Pornographie", von allen erdenklichen Spielarten erwachsener sexueller Praktiken und Phantasien.[6]

Auszeichnungen

Werke

Deutsche Übersetzungen:

Neu im amerik./englischen Original:

Essay

Interview

Literatur

  • Arthur Saltzman: Understanding Nicholson Baker. University of South Carolina Press, Columbia 1999. ISBN 1-570-03303-X

Weblinks

Fußnoten

  1. Die ZEIT über Baker
  2. „Novelist Nicholson Baker and booksellers attack Kenneth Starr as a "Stalker." “ Salon.com, 3. April 1998
  3. Our Collection Has Moved to Duke University, März 2004
  4. Christian Mariotte: In unmittelbarer Nähe. Rezension bei Literaturkritik.de
  5. Das plötzliche Verschwinden des Erdferkels. Süddeutsche Zeitung, 5./6. April 2008, S.16.
  6. Elane Blair in The New York Review of Books vom September 2011: Coming Attractions
  7. Rezension von Der Eckenknick: „Finger weg! Nicholson Baker macht sich ausführliche Sorgen über die Vernichtung von bedrucktem Papier“, Frankfurter Rundschau, 19. Oktober 2005, von Michael Rutschky
  8. Rezension von Menschenrauch: "Menschen mögen Krieg"Süddeutsche Zeitung, 3.März 2009 von Gustav Seibt
  9. Rezension von Anthologist: "Speed ist nicht zu empfehlen"Tagesspiegel, 21.Februar 2010 von Volker Sielaff



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