Nanotube

Nanotube
Schematische animierte Darstellung der Struktur einer Kohlenstoffnanoröhre

Kohlenstoffnanoröhren, auch CNT (englisch carbon nanotubes), sind mikroskopisch kleine röhrenförmige Gebilde (molekulare Nanoröhren) aus Kohlenstoff.

Ihre Wände bestehen wie die der Fullerene oder wie die Ebenen des Graphits nur aus Kohlenstoff, wobei die Kohlenstoffatome eine wabenartige Struktur mit Sechsecken und jeweils drei Bindungspartnern einnehmen (vorgegeben durch die sp2-Hybridisierung). Der Durchmesser der Röhren liegt meist im Bereich von 1 bis 50 nm, aber es wurden auch Röhren mit nur 0,4 nm Durchmesser hergestellt. Längen von mehreren Millimetern für einzelne Röhren und bis zu 20 cm für Röhrenbündel wurden bereits erreicht.[1]

Man unterscheidet zwischen ein- und mehrwandigen, zwischen offenen oder geschlossenen Röhren (mit einem Deckel, der einen Ausschnitt aus einer Fullerenstruktur hat) und zwischen leeren und gefüllten Röhren (beispielsweise mit Silber, flüssigem Blei oder Edelgasen).

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

3D-Modell von drei verschiedenen Kohlenstoffröhren

Je nach Detail der Struktur ist die elektrische Leitfähigkeit innerhalb der Röhre metallisch oder halbleitend; es sind auch Kohlenstoffröhren bekannt, die bei tiefen Temperaturen supraleitend sind. Es wurden bereits Transistoren und einfache Schaltungen mit den halbleitenden Kohlenstoffnanoröhren hergestellt. Die Forschung sucht nun nach Möglichkeiten, komplexe Schaltkreise aus verschiedenen Kohlenstoffnanoröhren gezielt herzustellen.

Die mechanischen Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanoröhren sind überragend:

CNTs haben eine Dichte von 1,3 bis 1,4 g/cm³ und eine Zugfestigkeit von bis zu 63 GPa bei mehrwandiger Ausführung [2]. Stahl hat eine Dichte von etwa 7,8 g/cm³ und eine maximale Zugfestigkeit von 2 GPa. Daraus ergibt sich für mehrwandige CNTs rechnerisch ein ca. 189-mal so gutes Verhältnis von Zugfestigkeit zu Dichte wie für Stahl. Allerdings sind solche Rechenbeispiele nur rein theoretischer Natur. Praktisch wäre ein Vergleich mit der Kohlenstofffaser oder einer Stahlfaser aussagekräftiger, da ähnliche Mechanismen (Größeneffekt, Orientierung) die Zugfestigkeit in die Höhe treiben. Der E-Modul liegt bei bis zu 1000 GPa. Stahl besitzt einen E-Modul von 210 GPa, somit liegt der von CNTs ca. 5 mal so hoch. Dies gilt jedoch nur für relativ kleine Abschnitte von Kohlenstoffnanoröhren (wenige mm).

Für die Elektronikindustrie sind vor allem die Strombelastbarkeit und die Wärmeleitfähigkeit interessant: Erstere beträgt schätzungsweise das 1000-fache der Belastbarkeit von Kupferdrähten, letztere ist bei Raumtemperatur mit 6000 W/(m·K) beinahe doppelt so hoch wie die von Diamant mit 3320 W/(m·K), dem besten natürlich vorkommenden Wärmeleiter. Da CNTs auch Halbleiter sein können, lassen sich aus ihnen Transistoren fertigen, die höhere Spannungen und Temperaturen als Siliziumtransistoren aushalten. Erste experimentelle, funktionsfähige Transistoren aus CNTs wurden bereits hergestellt.

Anwendungen der Nanoröhren

Bisher sind bis auf wenige Nischen noch keine Anwendungen für Nanoröhren in der industriellen Produktion beziehungsweise in Produkten am Markt. In der universitären und industriellen Forschung werden verschiedene Applikationen entwickelt:

Transistoren aus Nanoröhren

Struktur eines CNTFET, Objekt der Forschung

Dabei wird die halbleitende Eigenschaft von CNTs ausgenutzt. An jedem Ende der Röhre befindet sich eine Elektrode (Source/Drain), um die Röhre herum ist die Steuerelektrode des Transistors angeordnet. Bei prinzipiell gleicher Funktionsweise wie ein MOSFET erhofft man sich bessere Leistung. FETs mit Nanoröhren-Technologie werden als Kohlenstoff-Nanoröhren-Feldeffekttransistor (CNTFET) bezeichnet.

Nanoröhrenspeicher

Mit Hilfe von CNTs können nichtflüchtige Speicher realisiert werden. Dabei werden die Nanoröhren zwischen zwei Elektroden angeordnet. Ein elektrisches Feld zwischen den beiden Elektroden lässt die Nanoröhre sich bleibend zusammenziehen oder strecken. Im gestreckten Zustand stellt sie einen elektrischen Kontakt zu einer Substratelektrode dar und ermöglicht so einen Stromfluss. Laborversuche zeigen Schaltzeiten im Bereich von SRAM-Geschwindigkeiten.

Abgesehen von diesen Speichern, bei denen die Nanoröhre das Wirkprinzip realisiert, wird auch der Einsatz von Nanoröhrentransistoren und Realisierung der Kapazität bei konventionellen DRAMs durch CNTs erforscht.

Nanoröhren für Displays

Es lassen sich Felder von parallel aufgestellten Nanoröhren herstellen, und die prinzipielle Eignung als Bauteil für flache und selbstleuchtende Feldemissionsbildschirme wurde bereits demonstriert: Dabei dienen die scharfen Spitzen der Nanoröhren als Quelle für Elektronen durch Feldemission (winzige Elektronenkanone, Kaltkathode schon bei relativ geringen Spannungen), die wie beim herkömmlichen Fernsehgerät gegen einen Leuchtschirm beschleunigt werden.

Nanoröhren für Messtechnik

CNTs werden auch als Spitzen für leistungsfähigere Rastertunnelmikroskope (RTM) verwendet, die bereits im Handel verfügbar sind und die Auflösung der RTM um den Faktor 10 verbessern.

Nanoröhren zur Verbesserung von Kunststoffen

Nanoröhren werden mit herkömmlichem Kunststoff gemischt. Dadurch werden die mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe stark verbessert. Außerdem ist es möglich, elektrisch leitende Kunststoffe herzustellen. Völkl lieferte eine erste Serie von 60.000 Tennisschlägern aus. Nanoröhren werden bereits weitverbreitet zur Leitfähigmachung von Antistatikfolien verwendet. Außerdem können in naher Zukunft antistatische Kunstoffschläuche hergestellt werden, wodurch Staubexplosionen beim Transport von feinen Partikeln verhindert werden.

Weitere Anwendungen

Durch Kombination zweier Kohlenstoffnanoröhren mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften lassen sich Dioden herstellen.

Ganze Bündel von Nanoröhren wurden bereits zu Fäden oder Matten verarbeitet, die als Werkstoff verwendet werden sollen. Bündel von Nanoröhren, die in einem Elektrolyt elektrisch aufgeladen werden, können auch als Aktor wirken. In der Halbleitertechnik wird auch der Einsatz von Nanoröhren als metallische Verbindung, z. B. in Form von vertikalen Kontakten, erforscht, um damit Elektromigrationsprobleme zu umgehen.

Weitverbreitet ist der Einsatz als Beimischung in Lithiumakkus.

Durch die Kombination zweier Nanoröhren verschiedenen Durchmessers und mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften lassen sich Dioden erschaffen. Man hofft, auf diese Art später ganze Computerschaltkreise aus Nanoröhren herstellen zu können.

Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Raumfahrt: Weltraumlifte sollen an Seilen aus Nanoröhren die Erde verlassen.[3]

Darüber hinaus arbeitet Fujitsu derzeit an Kühlkörpern, die aus Nanoröhren bestehen. Fujitsu möchte die neuen Kühlkörper erst einmal für ihre GSM-Basisstationen einsetzen. In Zukunft könnten die Nanoröhren aber auch als CPU-Kühler eingesetzt werden.[4]

Herstellen von extrem schwarzen Oberflächen. Einer amerikanischen Forschergruppe ist es gelungen, mit Hilfe von Nanoröhren das derzeit dunkelste Material herzustellen. Es ist ein viertel so hell wie die derzeitige Schwarzreferenz (0,16 Prozent Reflexion) aus einem Nickel-Phosphor-Gemisch, wobei der Körper noch eine spezielle Oberflächenstruktur hat. Das neue Material, eine Oberfläche, die mit unterschiedlich langen Nanoröhren dicht besetzt ist, reflektiert nur 0,045 Prozent des einfallenden Lichtes.[5] Einsatzbereich des neuen Materials sind wegen der hohen Absorption Sonnenkollektoren und die Abschirmung von Funkwellen in einem sehr breiten Frequenzbereich.

Forschern von Northrop Grumman und der Universität von Illinois ist es gelungen, mit der Hilfe von Transistoren und anderen Komponenten aus Nanoröhren ein vollständiges Transistorradio aufzubauen. [6] [7]

Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist es in Zusammenarbeit mit dem DFG-Centrum für Funktionelle Nanostrukturen (CFN) gelungen eine Nanröhre als elektronischen Schalter zu nutzen. Durch das Beschießen mit einem Elektronenstrahl lässt sich die Leitfähigkeit einer Nanoröhre lokal um das 1000-fache herabsetzen. Ursache hierfür sind sogenannte Quantendots. Der Effekt ist reproduzierbar und reversibel. Der hohe Widerstand lässt sich durch eine hohe Spannung wieder zurücksetzen. Die Nanoröhre wird bei diesem gezielten Ein- und Ausschalten nicht beschädigt.[8]

Struktur der Nanoröhren

Benennungsschema Nanotubes

Kohlenstoffnanoröhren leiten sich von den Kohlenstoffebenen des Graphits ab, die zu einer Röhre aufgerollt sind: Die Kohlenstoffatome bilden eine wabenartige Struktur mit Sechsecken und jeweils drei Bindungspartnern. Röhren mit ideal hexagonaler Struktur haben eine einheitliche Dicke und sind linear; es sind aber auch geknickte oder sich verengende Röhren möglich, die fünfeckige Kohlenstoffringe enthalten. Je nachdem, wie das Wabennetz des Graphits zur Röhre gerollt wird („gerade“ oder „schräg“), entstehen helikale (schraubenartig gewundene) und auch nicht-spiegelsymmetrische, das heißt chirale Strukturen. In der Literatur wird zur Unterscheidung das Indexpaar (n, m) verwendet und zwischen drei Klassen unterschieden. Diese heißen im Englischen armchair (mit (n, n), achiral, nicht-helikal), zig-zag ((n,0), achiral, helikal) und chiral ((n, m), chiral, helikal). Die ersten beiden Namen beziehen sich auf die Form der Linie, die sich ergibt, wenn man den C-C-Bindungen entlang des Umfangs folgt.

Mit dem Indexpaar lässt sich auch bestimmen, ob die Röhre ein Halbleiter ist. Wenn \tfrac{n-m}{3} eine ganze Zahl ist, ist die Kohlenstoffnanoröhre metallisch, ansonsten halbleitend. Somit ist ein Drittel aller denkbarer Röhren metallisch, zu denen z. B. auch alle armchair zählen.

Entdeckung und Herstellung

Mehrwandige Kohlenstoffnanoröhren (auch MWNTs, engl. multi-walled nanotubes) wurden 1991 von Professor Sumio Iijima mit einem Elektronenmikroskop zufällig entdeckt. Er hatte eine Lichtbogenentladung zwischen Kohlenstoffelektroden erzeugt. 1993 wurden die einwandigen Kohlenstoffnanoröhren entdeckt. Sie können ebenfalls im Lichtbogen hergestellt werden, wenn man Katalysatoren zusetzt. Der Nobelpreisträger Richard E. Smalley veröffentlichte 1996 ein Laserverfahren zur Herstellung von einwandigen Kohlenstoffnanoröhren (auch SWNTs, engl. single-walled nanotubes). Dabei wird Graphit mit einem Laser abgetragen ("verdampft"). Außerdem entstehen Nanoröhren bei der katalytischen Zersetzung von Kohlenwasserstoffen; mit diesem CVD-Verfahren kann man ganze Felder von weitgehend parallelen Röhren auf einem Substrat aufwachsen lassen. Jedes der drei Verfahren (Lichtbogen, Laser, CVD) ist inzwischen so weit entwickelt, dass damit größere Mengen gleichmäßiger (in Durchmesser, Länge, Defekte, Mehrwandigkeit) CNTs hergestellt werden können. Man kann heute fertige Kohlenstoffnanoröhren von verschiedenen Herstellern in Gramm-Mengen kaufen.

Gesundheitliche Auswirkungen

Bisher noch nicht ausreichend erforscht sind gesundheitliche Effekte, die im Zusammenhang mit Kohlenstoffnanoröhren evtl. auftreten könnten. Eine Argumentation weist auf die längliche räumliche Struktur hin, die der von Asbest ähnelt. Studien, die auf Tierversuchen basieren, zeigen entgegengesetzte Ergebnisse, etwa in Bezug auf Entzündungsreaktionen im Lungengewebe von Mäusen. So wurden Mäusen im Versuch CNTs mit einer Konzentration injiziert, die 10.000-mal so hoch wie die in der Umwelt zu erwartende war, ohne erkennbare Entzündungsreaktion. In neueren Arbeiten zu den toxischen Wirkungen von Kohlenstoffnanoröhren finden die bei der Synthese verbleibenden metallischen Rückstände (Kobalt, Nickel, Molybdän und Eisen) aus dem Katalysator immer mehr Beachtung. Es scheint, als gingen die akut toxischen Reaktionen auf diese Verunreinigungen zurück. Aufgereinigte Präparationen von CNTs zeigen keine akuten toxischen Effekte. Pathologische Veränderungen, wie etwa die Ausbildung von Wucherungen in der Lunge, scheinen jedoch von CNTs ausgelöst zu werden, was ihnen ein durchaus schädliches Potenzial bescheinigt. Trotz der anhaltenden Kontroverse, die in begrenztem Umfang auch die Öffentlichkeit zu erreichen beginnt, lief Anfang 2004 die großindustrielle Produktion von CNTs an.

Industrielle Verwirklichung

Ende Januar 2009 haben sich in Leverkusen 80 Partner aus Industrie und Forschung zur Innovationsallianz Inno.CNT zusammengeschlossen [9] . Unmittelbar vor ihrer Auftaktveranstaltung hat die Bayer AG den Grundstein für die weltgrößte Produktionsanlage für Kohlenstoff-Nanoröhren gelegt: sie soll 22 Millionen € kosten und 200 Tonnen jährlich produzieren.

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. Ron Dagani – „Nanotube Strands Are Centimeters Long“
  2. Yu, Min-Feng (2000): "Strength and Breaking Mechanism of Multiwalled Carbon Nanotubes Under Tensile Load"
  3. Japan hopes to turn sci-fi into reality with elevator to the stars Artikel von Times Online vom 22.9.2008 (english)
  4. R. Vajtai et al.: „Chip cooling with integrated carbon nanotube microfin architectures“, in: Applied Physics Letters 90, 2007. doi:10.1063/1.2714281
  5. Experimental Observation of an Extremely Dark Material Made By a Low-Density Nanotube Array, Zu-Po Yang, Lijie Ci, James A. Bur, Shawn-Yu Lin, and Pulickel M. Ajayan, NANO LETTERS 2008 Vol. 8, No. 2 p. 446-451
  6. Radio frequency analog electronics based on carbon nanotube transistors
  7. http://www.irconnect.com/noc/press/pages/news_releases.html?d=135451
  8. KIT: Schalter der Zukunft
  9. Siehe Stefan Jorda, Kleine Röhrchen ganz groß, Physik Journal 8(3), Seite 11 (2009), [1]

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