Arno Funke

Arno Funke
Funke auf der Leipziger Buchmesse (2009)

Arno Martin Franz Funke (* 14. März 1950 in Berlin-Rudow) ist ein Autor, Grafiker und DJ aus Deutschland. Er beging 1988 sowie von 1992 bis 1994 Kaufhaus-Erpressungen; bei den letzteren wurde er unter seinem Erpresser-Pseudonym Dagobert durch Presseberichte bundesweit bekannt. Die Erpressung als Dagobert wurde zum längsten und aufwändigsten Erpressungsfall in der deutschen Kriminalgeschichte. Funkes Taten zeugten von Phantasie, technischen Fähigkeiten und taktischer Vorsicht, was ihm in Verbindung mit den von der Presse kolportierten Misserfolgen der Polizei bei seiner Ergreifung eine gewisse öffentliche Sympathie einbrachte.

Inhaltsverzeichnis

Biographie – Leben vor „Dagobert“

Funke ist Sohn einer in der Stadt Stavanger geborenen Norwegerin und eines in Berlin-Rudow geborenen Mannes, der die Familie aber schon früh verließ. Er ist in Berlin-Rudow aufgewachsen und besuchte zeitweise die Rütli-Schule in Neukölln, wo er zweimal sitzenblieb. Er beschäftigte sich bereits in der Kindheit mit der Malerei. Nach einer abgebrochenen Ausbildung als Fotograf schloss Funke 1969 eine Lehre als Schilder- und Lichtreklamemacher ab. Funke führte ein unstetes Leben, in dem er nie richtig zu sich selbst fand. Bis 1980 arbeitete er in den unterschiedlichsten Jobs, als Schildermaler, Discjockey, Fahrer für eine Getränkefirma und Bauhelfer.

Immer wieder versuchte er in kreativen Berufen Fuß zu fassen. 1976 bis 1977 arbeitete er nebenberuflich als Pressefotograf. 1980 bis 1993 arbeitete er freiberuflich als Kunstmaler und Fotograf. Obwohl er mit einigen Ausstellungen versuchte, als Künstler Fuß zu fassen, gelang ihm nie der Durchbruch. Da er mit der Kunst seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten konnte, arbeitete Funke hauptberuflich als Kunstlackierer in einer Kfz-Werkstatt.

Während des Lackierens atmete Funke jahrelang Lösungsmittel ein. Die dadurch verursachten hirnorganischen Schädigungen führten verbunden mit einer Identitätskrise und privaten Problemen zu einer schweren Depression, was im zweiten Prozess vor dem Landgericht Berlin 1996 als schuldmindernd anerkannt wurde.[1]

Wegen Geldmangels und auf der Suche nach Selbstbestätigung entschloss er sich Ende der 1980er Jahre, Kaufhäuser zu erpressen.

Kaufhaus-Erpressungen

KaDeWe 1988

Arno Funke erpresste im Jahre 1988 das Kaufhaus des Westens in Berlin um 500.000 DM. Dazu deponierte er am 10. Mai 1988 eine Bombe, die zur Nachtzeit detonieren sollte, aber versagte. Nach einer gescheiterten Geldübergabe ließ er am 25. Mai 1988 im Kaufhaus nachts eine Bombe detonieren, deren enorme Detonationswucht Sachschäden in Höhe von 250.000 DM anrichtete. Bei der Geldübergabe erlangte er den geforderten Geldbetrag, von dem er einige Jahre lebte.

Karstadt 1992–94

Nachdem das Geld der ersten Erpressung verbraucht war und Funke aufgrund von Depressionen kurz vor dem Suizid stand, entschied er sich, es noch einmal mit der bewährten Methode zu versuchen. Beim zweiten Erpressungsversuch im Jahre 1992 versuchte er zunächst 1 Million, später 1,4 Millionen DM vom Karstadt-Konzern zu erpressen. Weil die Bereitschaft zur Geldübergabe durch eine Zeitungsanzeige in Anspielung auf die Comicfigur Dagobert Duck mit dem Text „Dagobert grüßt seine Neffen“ signalisiert werden sollte, wurde Funke seitdem von den Medien nur noch als Dagobert bezeichnet. Um die Ernsthaftigkeit seiner Forderungen zu unterstreichen, beging er fünf Bombenanschläge und einen Brandanschlag gegen Karstadt-Kaufhäuser, bei denen zwei Menschen leicht verletzt wurden.

  • Die Bombenserie begann in der Nacht zum 13. Juni 1992 in einem Kaufhaus in Hamburg. Dort zündete eine Rohrbombe, die einen erheblichen Sachschaden anrichtete.
  • Am 9. September 1992 zündete Funke nachts in einem Bremer Kaufhaus eine Brandbombe, die einen Brand entstehen ließ. Der Wasserschaden durch die Sprinkleranlage betrug sechs Millionen DM.
  • Eine Woche später detonierte in einem Kaufhaus in Hannover eine Bombe während der Öffnungszeit in einem Aufzug. Es wurde jedoch niemand verletzt.
  • Am 3. November zündete in einem Abstellraum eines Kaufhauses in Magdeburg ein Brandsatz, dessen Schaden gering ausfiel.
  • In der Nacht zum 19. Mai 1993 detonierte in einem Kaufhaus in Bielefeld eine Bombe.
  • Am 6. Dezember 1993 explodierte im Fahrstuhl eines Berliner Kaufhauses eine Rohrbombe während der Öffnungszeit.

Bekannt wurde Funke durch die Raffinesse seiner technischen Konstruktionen, mit denen er die Polizei bei den 30 versuchten Geldübergaben in die Irre führte. Dies führte in der Öffentlichkeit trotz der offensichtlich kriminellen Handlungen zu einer positiven Popularität. Nennenswert sind folgende Ereignisse:

  • Bei den geplanten Geldübergaben gab der Erpresser jeweils Anweisungen durch Telefonanrufe, bei denen er ein Band mit Computerstimme abspielte. Die Gespräche wurden jeweils aus öffentlichen Kartentelefonen geführt. Da die Zeiten der Anrufe bekannt waren, ließ die Berliner Polizei einmal 1.100 Telefone vergeblich überwachen, ein anderes Mal 3.900 Apparate. Der Personaleinsatz mit mehreren tausend Polizeibeamten war enorm. Zufälligerweise benutzte Funke in einem Fall ein nicht überwachtes Telefon.
  • Bei einer Geldübergabe am 29. Oktober 1992 fuhr Funke mit seinem Fahrrad zur Abwurfstelle des Geldpaketes an eine Bahnstrecke in Berlin-Charlottenburg. Das vom Zug abgeworfene Paket mit Papierschnipseln ließ er aus Angst vor der Festnahme liegen, weil er Rufe aus dem Zug hörte. Er war von zwei im Freien observierenden MEK-Beamten gesehen worden. Ein Beamter verfolgte ihn und rutschte unmittelbar vor Funke auf nassen Blättern aus. Die Zeitungen berichteten jedoch später fehlerhaft von Hundekot, auf dem der Polizist ausrutschte. Funke konnte mit dem Fahrrad entkommen und auch dem zweiten Beamten auf der engen Straße ausweichen. Durch die Presse ging die missglückte Festnahme als Hundekot-Arie.
  • Seit Anfang 1993 wurde über mehrere Monate ein Laden der Firma Conrad Electronic durch Polizeikräfte beobachtet. Die Polizei ging davon aus, dass der Täter die elektronischen Bauteile seiner Basteleien dort erwarb. Am 8. Mai 1993 ließ sich Funke aus einer Vitrine eine elektronische Zeitschaltuhr aushändigen, was die Observationskräfte aufmerksam machte. Obwohl er bereits verfolgt wurde, gelang ihm die Flucht durch eine Notausgangstür.
  • Am 19. April 1993 war eine erneute Geldübergabe in Berlin vorgesehen. Der Täter verwies durch einen Telefonanruf auf ein Bahnhofsschließfach mit weiteren Anweisungen. Dort lagerte ein Schlüssel für eine Streusandkiste. Das Geldpaket sollte in der Kiste, die sich nahe dem S-Bahnhof Rathaus Steglitz befand, abgelegt werden und der Erpresser kündigte an, es abzuholen. Trotz näherer Untersuchung fand die Polizei nicht die von Funke oberflächlich zubetonierte Fläche, unter der sich ein Einstiegsschacht zu einem Regenwasserkanal befand. Als Vorsichtsmaßnahme überwachte er die Kiste mit einem Funkmikrophon. [2] Nachdem er hörte wie das Paket abgelegt wurde, zerschlug Funke unterirdisch den dünnen Beton und konnte das Paket mit Papierschnipseln an sich nehmen, ohne bemerkt zu werden. Die Übergabestelle hatte er zuvor tagelang als Bauarbeiter getarnt präpariert.
  • Ein weiterer Übergabeversuch mit 1,4 Millionen DM am 22. Januar 1994 erfolgte mit einem selbstgebauten Miniatur-Schienenfahrzeug. Der Geldbote wurde zu einer stillgelegten Bahnstrecke geleitet, wo sich die Mini-Lore befand. Das Geldpaket wurde in das Fahrzeug gelegt, das sich dann entfernte. Funke erwartete das Schienenfahrzeug in einem Kilometer Entfernung. Die Verfolgung war in der Dunkelheit und dem unübersichtlichen Gleisbett kaum möglich. Trotzdem hatte Funke mehrere Stolperdrähte eingebaut, die bei Berührung Knallkörper entzündeten. Nur wenige Meter vor Funke entgleiste die Lore mit der geforderten Geldsumme und er traute sich nicht, der Lore entgegen zu laufen. Die Auslösung der Stolperdrähte durch Polizeibeamte und das damit verbundene Aufsteigen von roten Leuchtkugeln in den nächtlichen Himmel verdutzte die Verfolger derart, dass auch bei diesem Übergabeversuch Funke einen entscheidenden Zeitvorteil zur Flucht gewann.

Festnahme und Verurteilung

Am 22. April 1994 wurde Funke gefasst. Zwei Tage zuvor hatte er telefonischen Kontakt zum erpressten Unternehmen aufgenommen. Da er seine Kontakte jeweils ankündigte, wurden erneut Kartentelefone in den bevorzugten Anrufgebieten des Erpressers im Süden von Berlin durch Observationskräfte überwacht. Dabei wurde ein verdächtiges Fahrzeug gesichtet, in dem das Fahrrad lag, mit dem er bei der Geldübergabe vom April 1993 geflüchtet war. Eine Halterfeststellung ergab, dass es sich um ein Mietfahrzeug handelte, das Arno Funke angemietet hatte. Ab diesem Zeitpunkt wurde er observiert und bei einem Erpresseranruf von einem Kartentelefon am 22. April im Berliner Ortsteil Johannisthal festgenommen.

Funke hatte Schäden in Höhe von zehn Millionen DM verursacht. Die Kosten der umfangreichen Polizeieinsätze sind nicht ermittelt worden, dürften aber Schätzungen zufolge noch weit über der Schadenssumme liegen. Allein die Telefonkosten der Polizei, u.a. für Fangschaltungen, beliefen sich auf 150.000 DM.

In erster Instanz wurde Funke am 14. März 1995 wegen schwerer räuberischer Erpressung zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt[3]; die Staatsanwaltschaft ging in Revision. Am 14. Juni 1996 verhängte daraufhin das Berliner Landgericht in zweiter Instanz eine erhöhte Haftstrafe von neun Jahren[1]; zusätzlich wurde Funke zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von 2,5 Millionen DM an Karstadt verurteilt. Nach sechs Jahren und vier Monaten, die er in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee absaß, wurde Funke am 13. August 2000 wegen guter Führung entlassen. Während der Haftzeit wurde seine körperliche Schädigung durch Farblösungsmittel erkannt und erfolgreich therapiert.

2004 trat Funke in der für den englischen Fernsehkanal Channel 4 produzierten Reality-Show The Heist noch einmal in der Rolle des Erpressers auf.

Karikaturist und Autor

Die wohldurchdachten, raffiniert ausgetüftelten Geldübergabeversuche für seine Erpressungen deuteten auf eine überdurchschnittlich hohe Intelligenz hin. Tatsächlich wird Funke ein IQ von 120 und in einem Test ohne Sprache sogar von 145 (Höchstwert) [4] attestiert, und er gilt als hochbegabt und vielseitig talentiert. Seine Sprengsätze ließen auf gute handwerkliche und elektronische Kenntnisse schließen.

Bereits während seiner Haftzeit zeichnete er Karikaturen für die Satirezeitschrift Eulenspiegel. Während er anfangs ausschließlich mit der Hand zeichnete, erstellt er seine Karikaturen heute hauptsächlich mit einem Computer. Mittlerweile ist Funke auch als Autor für den Eulenspiegel-Verlag tätig. 1998 veröffentlichte Funke eine Autobiographie („Mein Leben als Dagobert“) und 2004 ein Buch mit Karikaturen und Geschichten („Ente kross“), in dem er mit der Comicfigur abrechnet, mit der er bis heute noch assoziiert wird. Im März 2007 stand Funke mit dem multimedialen Programm „Erbrechen lohnt sich nicht“ auf der Bühne. Die Show im Berliner Tempodrom (als Ausweichstelle des Tränenpalastes) bestand aus einer Mischung satirischer Geschichten, Karikaturen und Filmspots. [5]

Das Leben von Arno Funke als Dagobert wurde verfilmt. Der Film trägt den Titel Das Phantom – Die Jagd nach Dagobert.

Sonstiges

Ende 2008 fand ein Auftritt Funkes bei einem Konzert der Band Ton Steine Scherben in Berlin statt, bei dem er den Titel "Lass uns das Ding drehen" sang.[6]

Literatur

  • Die Entenjagd Dagobert. In: der kriminalist, Nr. 2, 3, 5, 2004, ISSN 0722-3501

Dokumentation

Werke

  • Mein Leben als Dagobert. Die Bekenntnisse des Kaufhauserpressers, Ch. Links, Berlin 1998, ISBN 3-86153-164-X
  • Ente kross. Cartoons und Geschichten, Eulenspiegel, Berlin 2004, ISBN 3-359-01489-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Dagobert - länger hinter Gittern und hohe Schulden; Artikel in der Berliner Zeitung vom 15. Juni 1996 (abgerufen am 28. August 2010).
  2. Auszüge aus Mein Leben als Dagobert auf bmp.de.
  3. Arno Funke muß fast acht Jahre hinter Gitter; Artikel in der Berliner Zeitung vom 15. März 1995 (abgerufen am 28. August 2010).
  4. Bei Dagobert sprang der Funke über auf Welt Online.
  5. Arno Funke mit einer multimedialen Satire; Artikel in der Berliner Zeitung vom 8. März 2007 (abgerufen am 28. August 2010).
  6. Kaufhauserpresser Dagobert will neues "Ding drehen" mit aktuellem Foto von Funke auf tagesspiegel.de vom 9. September 2008.

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