Münchner Secession

Münchner Secession
Plakat von Secessionsmitglied Franz von Stuck für die VII. Internationale Kunstausstellung München, 1897

Die Münchner Secession ist eine Vereinigung bildender Künstler, die 1892 als Abspaltung von der Münchner Künstlergenossenschaft entstand, um sich gegen die Bevormundung durch den staatlichen Kunstbetrieb und dessen konservative Ausstellungspolitik sowie die durch den Münchner Malerfürsten Franz von Lenbach geprägte traditionelle Gründerzeit zu wehren. Sie fungierte als Künstlergenossenschaft, diente wirtschaftlichen Interessen und der sozialen Kontaktförderung, verfolgte aber auch eigene künstlerische Ziele, wie das Streben nach einer Weiterentwicklung des Historismus. 1901 ging aus der Münchner Secession die Künstlergruppe Phalanx hervor.

Im Zuge der „kulturellen Säuberung“ im Dritten Reich wurde die Münchner Secession 1938 aufgelöst, nahm jedoch 1946, nach dem Zweiten Weltkrieg, ihre Tätigkeit wieder auf. 1992 feierte die Vereinigung ihr 100-jähriges Bestehen.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Ende des 19. Jahrhunderts lebten in München mehr bildende Künstler als in den Kaiserstädten Wien und Berlin zusammen. Doch war die Münchner Kunst von der konservativen Haltung des staatlichen Kunstbetriebs und der Münchner Künstlergenossenschaft dominiert und von den künstlerischen Leitbildern des „Malerfürsten“ der Gründerzeit Franz von Lenbach geprägt. Die Kunstpolitik des bayerischen Prinzregenten Luitpold und der von ihm 1891 gegründeten Kunststiftung stützten die Führungsrolle der traditionellen Gattung der Historienmalerei, die im Historismus verankert war und häufig als Träger nationaler und nationalistischer Inhalte verwendet wurde. Neuen Richtungen des Im- und Expressionismus hingegen, wie Freilichtmalerei oder Symbolismus, wurde wenig Aufgeschlossenheit entgegengebracht.

1888 organisierte die Münchner Künstlergenossenschaft eine Kunstausstellung im Münchner Glaspalast, bei der die Münchner Künstler hohe finanzielle Misserfolge erlitten, was zu erbitterten Debatten führte. Unter ihnen entstand ein Stilrichtungsstreit, der von hohem öffentlichem Interesse begleitet war und in den sogar das Staatsministerium eingriff. [1]

Um dieser Situation entgegenzuwirken, gründete 1892, im Vorfeld der Weltausstellung Chicago, eine Gruppe von Künstlern aus der naturalistischen Schule die Münchner Secession. Sie trennten sich von der Münchner Künstlergenossenschaft und forderten eine Wandlung des Kunstverständnisses, wobei die Künstler ein Selbstbestimmungsrecht erhielten. Dabei konnten sie zum ersten Mal unmittelbar in der Öffentlichkeit wirken.

Man soll auf unseren Ausstellungen Kunst sehen und jedes Talent, ob älterer oder neuerer Richtung, dessen Werke München zur Ehre gereichen, soll seine Blüte reich entfalten können.

In dieser Forderung ihres 1892 formulierten Memorandums zeigten die Künstler ihren kunstpolitischen Anspruch: Die Abkehr von veralteten Kunstprinzipien und konservativer Kunstauffassung.[2]

Gründung

96 Mitglieder, die aus der Münchener Künstlergenossenschaft (MKG) ausgetreten waren, gründeten am 4. April 1892 den Verein bildender Künstler Münchens e.V. der sich nach wenigen Monaten den endgültigen Namen Verein bildender Künstler Münchens Secession e.V. gab und bald unter der Kurzform Secession populär wurde.

Mit dem Entschluss, neue Wege jenseits des etablierten Kunstbetriebes zu gehen, bereitete die Secession den Weg in die künstlerische Moderne maßgeblich vor.

Unter den Gründungsmitglieder finden sich unter anderem Max Liebermann, Franz von Stuck, Hugo von Habermann, Reinhold Lepsius, Wilhelm Trübner, Lovis Corinth, Walter Leistikow, Peter Behrens, Hans Olde, Anton von Stadler, Josef Block, Adolf Brütt. Als erster Präsident wurde Bruno Piglhein und als erster Schriftführer Paul Hoecker gewählt.

Gefördert und finanziell unterstützt wurde die Secession in ihrer Gründungsphase hauptsächlich durch den Kunstsammler und Verleger der Jugend, Georg Hirth, den Sozialistenführer Georg von Vollmar sowie Graf von Toerring-Jettenbach.

Im selben Jahr verließ im übrigen eine weitere Gruppe von Künstlern die MKG und gründete die Luitpold-Gruppe; 1899 formierte sich eine weitere separatistische Künstlervereinigung unter dem Namen Gruppe G, die sich kurz darauf in Scholle umbenannte und 1913 gründete sich die Münchener Neue Secession.

Namensgebung

Der Name leitet sich von dem lateinischen Begriff secessio für Trennung, Abspaltung ab und sollte die Abwendung vom dominierenden traditionellen Kunstbetrieb unterstreichen.

Die Münchner Secession war die erste Künstlervereinigung, die sich so nannte. Ihr folgten unter anderem die Wiener Secession 1897 und die Berliner Secession 1898. 1903 gründeten die Sezessionen den Deutschen Künstlerbund als Dachverband.

Ausstellungen

Für die neu gegründete Künstlervereinigung war es anfänglich schwierig, in München ein Ausstellungsgebäude zu finden. Die Stadt Frankfurt hingegen bot der Secession Ausstellungsräume in ihrer Stadt und 500.000 Goldmark an, falls der Verein bereit wäre, nach Frankfurt überzusiedeln.[3]

Eine erste Ausstellung fand 1893 im Landesausstellungsgebäude am Lehrter Bahnhof in Berlin statt.

Der wichtigste Förderer der Secession war der Verleger Georg Hirth, Herausgeber der Münchner Neueste Nachrichten und einer der Mittelpunkte des gesellschaftlichen und künstlerischen Lebens im München jener Zeit. Baurat Franz von Brandl stellte an der Münchner Prinzregentenstraße, Ecke Pilotystraße, kostenlos ein Grundstück zur Verfügung, auf dem ein eigenes Gebäude entstand und wo in einem provisorisch fertig gestellten Teilbereich bereits am 16. Juli 1893 die erste internationale Kunstausstellung eröffnet werden konnte.

Das Echo war stark. 297 Künstler stellten über 876 Werke aus, allein am ersten Ausstellungssonntag kamen über 4 000 Besucher.[4]

Nach einer Einigung mit Franz von Lenbach wurde 1897 zusammen mit der Münchner Künstlergenossenschaft eine internationale Ausstellung ausgerichtet. Anschließend wurde das Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz der Secession übertragen, während die Künstlergenossenschaft in das Alte Nationalmuseum an der Maximilianstraße (heute Völkerkundemuseum) zog und Lenbach 1900 sein eigenes Künstlerhaus (Lenbachhaus) eröffnete.

Ziele und Entwicklung

Die Münchner Secession vereinte bereits etablierte Künstler wie Hans Thoma, Wilhelm Trübner, Fritz von Uhde, Franz von Stuck und Max Liebermann mit Avantgardisten wie Lovis Corinth, Otto Eckmann und August Endell. Dabei fanden naturalistische ebenso wie stilisierende Tendenzen Berücksichtigung.

Die Münchner Secession trug außerdem zur Verbreitung der internationalen modernen Kunst bei, die sie auf ihren Ausstellungen präsentierte. Sie machte den Weg für den gerade entstehenden Jugendstil (in Österreich bezeichnenderweise auch Sezessionsstil genannt) und weitere künstlerische Aufstandsbewegungen frei. Über alle stilistischen Unterschiede der Sezessionsmitglieder hinaus zielte die Münchner Secession dabei auf die Verwirklichung des Ideals der künstlerischen Freiheit ab.

Der bekannteste Künstler der Münchner Secession war Franz von Stuck, der mit seiner erotisch aufgeladenen symbolistischen Kunst für einige Skandale sorgte. Seine als Gesamtkunstwerk konzipierte Villa Stuck in der Münchner Prinzregentenstraße entwarf er als Gegenstück zu dem Haus Franz von Lenbachs (Lenbachhaus) und zur Demonstration ihrer konträren Kunstauffassungen.

Eine 1897 von dem auch von Hitler verehrten Franz von Stuck geschaffene Pallas Athene wurde zum Symbol der Münchner Secession.[5]

Ab 1933 verfolgten die Nationalsozialisten mit ihrer Kunst- und Kulturpolitik das Ziel, sämtliche Bereiche künstlerischer Produktion ihrer Kontrolle zu unterwerfen, um sie von dem „zersetzenden Einfluß auf unser Volksleben“ zu „reinigen“. Zur umfassende Säuberung und Gleichschaltung der deutschen Kunst wurden Künstler aller Kunstzweige wurden in vom NS-Staat kontrollierte Kammern gezwungen, von deren Mitgliedschaft ihre weitere Tätigkeit abhängig war. Wer aus politischen, rassischen, kunstpolitischen Gründen nicht in eine Kammer aufgenommen wurde, erhielt Malverbot, Aufführungsverbot, Ausstellungsverbot oder Publikationsverbot und verlor seine berufliche Position.[6]

1938 erfolgte im Zuge der „kulturellen Säuberung“ des Dritten Reichs die Auflösung der Münchner Secession. Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, fanden sich deren Mitglieder wieder zusammen, schlossen sich mit den nach dem Krieg gegründeten Künstlervereinigungen Neue Gruppe und Neue Münchner Künstlergenossenschaft und wurden zur treibenden Kraft für die Gründung des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK).

1992 feierte die Secession ihr 100jähriges Bestehen. Im März 1993 wurde die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Münchener Secession gegründet. Sie hat zum Ziel, die Secession bei ihren Aktivitäten zu unterstützen, die Secessionsgalerie zu sichern und zu erweitern und die Durchführung von Ausstellungen und die Pflege der gesellschaftlichen Kontakte mitzutragen.

Gründungsmitglieder im Vorstand der Secession

Weitere Gründungsmitglieder

Benno Becker, Carl Johann Becker-Gundahl, Peter Behrens, Josef Block, Jorgos Busianis, Lovis Corinth, Paul Eduard Crodel, Friedrich Eckenfelder, Hermann Eichfeld, Otto Hierl-Deronco, Adolf Hölzel, Leopold von Kalckreuth, Christian Landenberger, Max Liebermann, Hans Olde, Leo Samberger, Hermann Schlittgen, Christian Speyer, Toni Stadler, Fritz Strobentz, Wilhelm Trübner, Fritz Voellmy, Wilhelm Volz, Viktor Weishaupt, Sion L. Wenban.

Berliner Künstler in der Münchner Secession

Der erste Katalog der Münchner Secession wurde am 15. Juli 1893 herausgegeben, als noch viele Berliner Künstler, Plastiker und Maler, dieser neuen Bewegung angehörten (Adolf Brütt, Nikolaus Geiger, Christian Krohg, Max Kruse, Walter Leistikow (der später die Berliner Secession gründete), Reinhold Lepsius, Lesser Ury, Max Liebermann, Ludwig Manzel, Friedrich Stahl, Wilhelm Trübner, Heinrich von Zügel) und unabhängige Künstler wie Hans Olde.

Einzelnachweise

  1. Rita Hummel: Die Anfänge der Münchner Secession. Institut für Kunstgeschichte der Universität München, Bd. 46.
  2. Michael Buhrs (Hsg.): Secession 1892–1914 – Die Münchner Secession ISBN 978-3-938832-33-2.
  3. http://www.muenchenersecession.de/hist.html
  4. http://www.muenchenersecession.de/hist.html
  5. Stefan Schweizer: Unserer Weltanschauung sichtbaren Ausdruck geben: nationalsozialistische Geschichtsbilder in historischen Festzügen zum Tag der Deutschen Kunst. Wallstein Verlag, 2007. ISBN 3-8353-0107-1. S. 80
  6. Hermann Glaser: Wie Hitler den deutschen Geist zerstörte. Kulturpolitik im Dritten Reich. Ellert& Richter, 2005. ISBN 3-8319-0227-5.

Literatur

  • Jochen Meister (Hrsg.), Bettina Best, Andreas Strobl: Münchner Secession. Geschichte und Gegenwart. Prestel-Verlag, München 2007. ISBN 978-3-7913-3877-4
  • Michael Buhrs (Hsg.): Secession 1892–1914 – Die Münchner Secession Edition Minerva, Wolfratshausen 2008, ISBN 978-3-938832-33-2
  • Ruth Stein: Die Münchner Secession um 1900. Ausstellungskatalog Konrad Bayer. München 1996.
  • Markus Harzenetter: Zur Münchner Secession. Genese, Ursachen und Zielsetzungen dieser intentionell neuartigen Münchner Künstlervereinigung. (= Miscellanea Bavarica Monacensia, 158). München 1992. ISBN 978-3-87821-281-2
  • Bernd Dürr: Leo Putz, Max Feldbauer und der Kreis der „Scholle“ und „Jugend“ in Dachau um 1900. Katalog zur Ausstellung anlässlich der Kulturtage in Dachau 1989. Dachau 1989.
  • Norbert Hierl-Deronco: Münchener Secession 1892. Otto Barone Hierl-Deronco, Maler und Mitbegründer. Krailling 1994, ISBN 3-929884-04-6
  • Maria Makela: The Munich Secession: Art and Artists in Turn-Of-The-Century Munich. Princeton University Press, 1992, ISBN 978-0-691-00287-3

Weblinks


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