Armenier in Georgien

Armenier in Georgien

Armenier in Georgien (georgisch სომხები, Somchebi; armenisch Վրացահայեր, Wrazahajer) sind ethnische Armenier die im Nachbarland Georgien leben. Gegenwärtig leben 248.929 Armenier in Georgien, 82.586 davon in der Hauptstadt Tiflis. Das sind 5,7 Prozent der Bevölkerung Georgiens. In der Region Samzche-Dschawachetien, die an Armenien grenzt, bilden sie die Mehrheit von 54 %.[1]. Auch in Abchasien stellten die Armenier seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen bedeutenden Bevölkerungsteil: vor dem Abchasienkonflikt ab 1992 war ihr Anteil etwa dem der Abchasen gleich, nach den Georgiern.

Inhaltsverzeichnis

16. Jahrhundert

Im 16. Jahrhundert begannen sich Armenier in Georgien anzusiedeln. Sie fühlten sich in ihrem Land durch fremde Herrscher unterdrückt und suchten Schutz im Ausland. Georgien mit seiner christlichen Tradition war ein beliebtes und naheliegendes Emigrationsziel, weil Armenier dort weder national noch religiös verfolgt wurden. König Irakli II. von Kartlien und Kachetien siedelte im 18. Jahrhundert mehrere armenischen Familien in Lori an.

19. Jahrhundert

Im 18. und 19. Jahrhundert investierten reiche armenische Kaufleute, Juweliere und Ölindustrielle ihre Geschäfte in Georgien und halfen beim Bau von Kulturzentren und Schulen. Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl der übersiedelten Armenier beständig, sodass zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihnen die Anzahl der Georgier in Tiflis weit unterlegen war. Begünstigt wurde die Entwicklung, da für das Zarentum Russland in der Region Randgebiete lagen, das georgische Gebiet war organisatorisch der Tifliser Militärbezirk, Armenien der Jerewaner. Tblissi wurde so ein kulturelles Zentrum der Ostarmenier, der „arewelahajer“, oder üblicherweise Russisch-Armenier oder „rusahajer“ genannt, im Gegensatz zu Istanbul im Osmanischen Reich, das zum kulturellen Zentrum der Westarmenier, den „arewmedahajer“, wurde, die in jener Zeit üblicherweise als Türkisch-Armenier „terkahajer“ bezeichnet wurden.

1804 übersiedelten rund 2000 Armenier aus dem persischen Khanat Eriwan nach Tiflis. Zwischen 1807 und 1808 wanderten 338 armenische Familien (1906 Personen) nach Tiflis aus, hinzu kamen 428 (2140 Personen) Familien aus Bergkarabach die sich in dem von Kaukasiendeutschen bewohnten Katharinenfeld ansiedelten. Zwischen 1829 und 1831 siedelte die russische Regierung rund 34.000 Armenier zwangsweise in Achalziche und Achalkalaki im Gouvernement Kutaissi an. Rund 5.000 mussten nach Bortschalo im Gouvernement Tiflis ziehen. Sie stammten aus der Provinz Erzurum, die von Russland 1829 erobert, im Frieden von Adrianopel aber wieder an das Osmanische Reich zurückgegeben werden musste.

1865 lebten in Georgien etwa 122.600 Armenier. Ihre Zahl wuchs bis 1897 auf 197.000. Die Anzahl der Armenier in Tiflis stieg von 46.700 auf 124.900 Menschen. Allein 68.000 von ihnen waren von der russischen Regierung zwangsumgesiedelt worden. Nach dem Völkermord an den Armeniern in den Jahren von 1915 bis 1917 siedelten sich weitere 100.000 Armenier in Georgien an.

Ein Film des Studios Go Group/Eyewitness über Armenier in Dschawachetien

Architektur

Das Haus von Melik-Azaryants in Tiflis

Die Armenier nahmen eine wesentlichen Einfluss auf die Architektur in Georgien. Tiflis besitzt viele Gebäude die von prominenten armenischen Architekten des vergangenen Jahrhunderts entworfen wurden. Viele Bürgermeister und Geschäftsleute in Tiflis waren und sind Armenier, bis in die Gegenwart ist der Ortsteil Avlabari in der Tifliser Altstadt und das Gebiet über die Kura hinweg das armenische Viertel. Viele Villen wurden von maßgebenden Armeniern gebaut und ergänzen so einige der historischen Gebäude in der georgischen Hauptstadt. Ein wichtiges Beispiel für die armenische Präsenz ist das Haus von Melik-Azaryants an der Rustaweli Allee, einer der Hauptstraßen von Tiflis.

Die Kuppeln der Armenisch-Apostolischen Kirchen sind in allen Stadtteilen zu finden, auch wenn ihre Glocken für viele Jahre ruhig blieben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es allein in Tiflis 30 armenische Kirchen. Die St.-Marien-Norashen-Kirche ist als Ruine des 1701 gebauten Architekturdenkmals noch vorhanden. Die Mauern von Norashen (die Bedeutung ist neue Konstruktion), wurden mit Fresken von Hovnatan Hovnatanian dekoriert, dem Hofmaler des georgischen Königs Iraklii II, aber heute sind sie dem Verfall preisgegeben. Diese Kirchen verfilen während der Sowjetzeit oder sie wurden seither zu georgischen Kirchen gewandelt. Aktiv sind in Tiflis die St.-Georg-Kirche im alten armenischen Viertel und die Etschmiadsin-Kirche im neuen Teil Avlabaris[2].

Der Krieg von 1918

Mit der Auflösung des Zarentums Russland bildeten sich die beiden Staaten Demokratische Republik Armenien und die Demokratische Republik Georgien. Im Ergebnis des ersten Weltkrieges waren vom Osmanischen Reich russische Grenzregionen besetzt worden, in Bortschali und Lori lebten vorrangig Armenier und Aserbaidschaner, die Region Dschawachetien wurde gemeinsam von Armeniern und Georgiern bewohnt. Nach dem Abzug der Osmanen beanspruchten beide neu gebildeten Länder diese historisch gemeinsam bewohnten Gebiete. Unter britischer Leitung wurden die Waffenstillstandsverhandlungen geführt. Lori kam so zu Armenien, Dschawachetien zu Georgien und Bortschali wurde gemeinsam verwaltet. Letzteres kam letztlich mit der Einrichtung der Sowjetmacht zur Armenischen SSR.

Armenier in Sowjet-Georgien

Nach der Bildung der Georgischen SSR und der Armenischen SSR innerhalb der Sowjetunion entschieden sich die meisten Armenier zum Verbleib in dieser Unionsrepublik und führten ein ausreichend erfolgreiches Leben. In den Jahren der Sojwetmacht blieben nationale Differenzen weitestgehend aus. Durch die sowjetische Staatspolitik war die Religionsfreiheit für beide christlichen Völker eingeschränkt; so wurden, wie in allen Sowjetrepubliken, auch die meisten armenischen Kirchen und Kulturdenkmäler auf georgischem Boden vernachlässigt und geschlossen; am Ende der Sowjetära waren hier noch zwei armenische Kirchen verblieben.

Armenier in der Republik Georgien

Ethnische Gruppen in Tbilisi nach Jahren.

Mit der Erklärung der Selbständigkeit Georgiens im Jahre 1991 hofften die hier lebenden Armenier auf allgemein bessere Lebensbedingungen, aber sowohl die wirtschaftlichen, als auch die sozialen Bedingungen entwickelten sich nicht wie erwartet. Mit der Ausbildung der Eigenstaatlichkeit von Georgien entstand auch eine Tendenz zu georgischem Nationalstolz mit der Folge von Differenzen zwischen Armeniern und Georgiern, so wurde die armenische Sprache im öffentlichen Leben unterdrückt. Von Armeniern wurde die Änderung der armenischen Namensendung -yan zu georgischem -ili eingefordert. Wie auch in anderen Nachfolgestaaten der Sowjetrepubliken wurden die Rechte der Russen und der anderen „sowjetischen“ Miderheiten eingeschränkt. Den Armeniern wurden hier vorherige gleiche Rechte auf Arbeit und Bildung genommen.[3] , forderte seinerseits die ethnischen Armenier auf die georgische Sprache zu lernen, um eine wesentliche Voraussetzung für die Integration in die georgische Gesellschaft zu schaffen. So begann in den 1990er Jahren eine Rückwanderung nach Armenien und durch den dortigen Karabachkonflikt die Auswanderung insbesondere nach Russland, aber auch nach Westeuropa.

“Der armenische Präsident, Robert Kocharyan[4]

„Die Armenier in der Region Georgien sollten daran denken Georgisch zu lernen, statt es durch Armenisch zu ersetzen. Ohne Kenntnisse des Georgischen sind Armenier in Georgien nicht in der Lage Führungspositionen in den staatlichen Organen anzustreben oder im Geschäftsleben erfolgreich zu sein“

In der Hauptstadt Tiflis gibt es nur drei armenische Schulen und zwei armenische Kirchen. In der Region Samzche-Dschawachetien kam es im Oktober 2005 zu Protesten von Armeniern. Die Demonstranten forderten wirtschaftliche Gleichberechtigung und politische Autonomie. Der Protestzug wurde von der Polizei gewaltsam mit Gummiknüppeln und Warnschüssen aufgelöst.

2009 richteten sie einen Appell an den armenischen Präsidenten Sersch Sarkissjan indem sie um Unterstützung bei deren Forderungen für mehr Autonomie; die Anerkennung der Armenischen Sprache in den von ihnen bewohnten Gebieten als offizielle Sprache, neben dem georgischen; die Freilassung aller politisch inhaftierten Armenier, die Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft; die Wiederherstellung der Kontrolle über armenischen Kirchen und anderen historischen Monumenten, und die Anerkennung und Registrierung der armenisch apostolisch Kirche als Religionsgemeinschaft baten[5].

Literatur

  • G. Maisuradze: Essays on Armenian population in Georgia. Tbilisi 1999.
  • Sh. Vadachkoria: Political history of Georgia. Tbilisi 2003.
  • Sh. Thethvadze, O. Thethvadze: Armenians in Georgia. Tbilisi 1998.
  • V. Jaoshvili: Georgia’s population. Tbilisi 1996.
  • Principal results of census of the Georgian population. Tbilisi 2002.

Einzelnachweise

  1. 2002 Georgia census results
  2. Aris Ghazinyan: Controversy under Cupola: Attempts to defend Armenian churches in Georgia meet protests in Tbilisi. In: ArmeniaNow, 15 December 2008. Abgerufen am 7 July 2009. 
  3. Georgia’s Armenian and Azeri Minorities, 22 November 2006 (free registration needed to view the full report)
  4. Armenia: Kocharian urges Armenians in Georgia to learn Georgian. Caucaz Europenews. May 1, 2007.
  5. Georgia's Armenian Minority Appeals To Armenian President, Radio Free Europe

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