Märchenbrunnen im Schulenburgpark

Märchenbrunnen im Schulenburgpark
Der Märchenbrunnen 2007

Der Märchenbrunnen ist ein denkmalgeschützter Zierbrunnen im Berliner Schulenburgpark im Ortsteil Neukölln.

Der Jugendstil-Brunnen mit gotisierenden Formen und dem ursprünglichen Namen „Symbol des Waldesdomes“ oder „Deutscher Wald“ stammt von dem Bildhauer Ernst Moritz Geyger und geht auf das Jahr 1915 zurück, wurde allerdings erst 1935 aufgestellt. 1970 wurde der beschädigte Brunnen renoviert und dabei die Figuren Geygers durch zwei Märchenfiguren der Bildhauerin Katharina Szelinski-Singer ersetzt. Bei einer umfangreichen Sanierung 2000/2001 folgte unter anderem die Wiederherstellung der zerstörten Bronzeputten. Das Gartendenkmal Schulenburgpark – benannt nach Rudolf Wilhelm Graf von der Schulenburg aus dem Adelsgeschlecht Schulenburg – wurde 1913 angelegt und 1923 nach Plänen des Gartenbaudirektors Ottokar Wagler in der heutigen Form gestaltet.

Inhaltsverzeichnis

Entwurf Geygers und Aufstellung

Der Brunnen wurde 1915 von dem in Neukölln geborenen Bildhauer Ernst Moritz Geyger im Auftrag Neuköllns entworfen. Die zu dieser Zeit noch selbstständige Stadt Neukölln wollte mit dem Werk ihrem berühmten Sohn ein Denkmal setzen.

Noch 1915 entwarf Geyger Modelle und 1918 war ein Gipsmodell fertiggestellt. Wahrscheinlich im gleichen Jahr folgte eine Ausführung in Muschelkalk und der Brunnen sollte auf dem Rathausplatz oder dem Hertzbergplatz aufgestellt werden. Die ungeklärte Standortfrage und die instabile politische Lage verhinderten das Vorhaben. Als Ende November 1918 Spartakisten im Rathaus Neukölln regierten und eine „Republik Neukölln“ proklamierten, war an eine Aufstellung des Brunnens des eher konservativen Künstlers nicht zu denken. Daher wurden das Modell und die schon ausgeführten Muschelkalkteile in einem Straßenreinigungsdepot zwischengelagert. Der Erste Weltkrieg und die Kriegsfolgen Arbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise ließen das Kunstwerk auch weiterhin im Depot ruhen.

Erst 15 Jahre nach seiner Fertigstellung, 1934, entschloss sich die Stadtverwaltung, Geygers Brunnen mit den beiden flankierenden Figuren eines Hirsches und einer Hirschkuh mit Kitz im Schulenburgpark aufzustellen. Der Name, den Geyger dem Brunnen gegeben hatte, „Symbol des Waldesdomes“, passte in die Ideologie der Nazis. Dass bei der Einweihungsfeier der Schöpfer des Brunnens, Ernst Moritz Geyger, fehlte, überspielten die zahlreich anwesenden Ortschargen der NSDAP. Sie ließen zahlreiche Schulkinder in Märchenkostümen auftreten und spannten sie so für ihr Propagandafest ein. Wegen dieser Märchenfeier bekam der Brunnen im Volksmund den Namen „Märchenbrunnen“, der später auch offiziell übernommen wurde.

Zwischen den beiden flankierenden Tierfiguren war der Brunnen mit reichen gotisierenden Formen und acht verzierten Säulen ausgestattet, die sich wie ein Dom aus dem Wasserbecken erhoben. Oben zwischen den Säulenschäften waren Putten in verschiedenen Formen angebracht und gossen Wasser in hohen Bogen in das Becken. Weiteres Wasser sprudelte aus dem Plateau.

Restaurierung 1970

Brüderchen und Schwesterchen
Aschenputtel

Zerstörungen und Restaurierung

Bronzeputto von Anna Bogouchevskaia
Bronzeputto von Anna Bogouchevskaia
Bronzeputto von Anna Bogouchevskaia

Während des Zweiten Weltkrieges wurden sämtliche Bronzefiguren eingeschmolzen und Brunnenteile durch Bomben zerstört. Anfang der 1950er-Jahre erfolgte eine Umgestaltung des Parks durch den Gartenbaudirektor Ernst (oder Anton?) Lohrer. In den 1960er-Jahren verwahrloste der Park und der Brunnen wurde durch Vandalismus weiter beschädigt. 1970 ließ der Bezirk Neukölln eine umfassende Restaurierung durchführen, bei der die ursprüngliche Gestaltung des Wasserbildes nicht berücksichtigt wurde. Die Putten in den Säulen wurden nicht erneuert und die Bronzefiguren, Hirsch, Reh und Kitz, durch Kalksteinplastiken von Katharina Szelinski-Singer, ersetzt.

Die Figuren Katharina Szelinski-Singers

Die Bildhauerin, die 1955 mit ihrem ersten öffentlichen Auftrag, einem Denkmal zur Erinnerung an die Berliner Trümmerfrauen bekannt geworden war, hatte ihr drittes und letztes öffentliches Werk im Jahr 1956/1957 aufstellen können. 1970 erhielt Katharina Szelinski-Singer bei der Restauration des Märchenbrunnens im Schulenburgpark noch einmal einen öffentlichen Auftrag, der ihrer rein figürlichen bildhauerischen Auffassung entsprach. Im Auftrag des Bezirks Neukölln schuf sie 1970 die beiden Kalksteinskulpturen mit Szenen der bekannten deutschen Volksmärchen Brüderchen und Schwesterchen und Aschenputtel.

Brüderchen und Schwesterchen

Das 11. Märchen aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm stellt die Künstlerin in einer Szene dar, in der das Schwesterchen beide Arme um den Hals des Brüderchens schlingt, das bereits in ein Reh verwandelt ist.

Das Reh hat beide Vorderläufe angezogen und setzt zu einem Sprung über einen Baumstumpf an, der mit Zweigen und Blattwerk verziert ist. Den Hals und den Kopf streckt es weit nach oben. Das Mädchen trägt einen langen Rock und beugt sich mit dem Oberkörper weit über das Reh, sodass der Oberkörper fast waagerecht in der Luft liegt und eine Linie mit dem Körper des Rehs bildet. Ihr Haar fällt weit nach vorne und verfängt sich unter dem Ohr des Rehs an seinem Hals. Beide Hände, deren Finger deutlich gezeichnet sind, umklammern den Hals und versuchen, das Wild zurückzuhalten. Die Beine und Füße stemmen sich kraftvoll gegen den Baumstumpf. Der Mund ist leicht geöffnet und den Gesichtsausdruck prägt ein großes Erschrecken.

Möglicherweise nimmt die Künstlerin Bezug auf das Brunnenwasser und stellt die Verwandlungsszene dar, in der das Schwesterlein das durstige Brüderlein an der dritten Quelle nicht daran hindern kann, Wasser zu trinken, sodass es sich durch den Fluch der Hexe in das Reh verwandelt. Die Verwandlung passiert dem Schwesterchen sozusagen unter den Händen, die vielleicht eben noch das Brüderlein zurückhalten wollten und nun unversehens und mit großem Erschrecken ein Reh halten.

In der Bearbeitungsform erinnert die Darstellung des Haares, das roh und breit aus dem Stein hervorquillt, an die Figur Diabas aus dem Jahr 1973 mit ihrer tiefen Verbindung zum Material Stein.

Aschenputtel

Das Märchen stellt Katharina Szelinski-Singer mit der Szene dar, in der die Vögel dem Aschenputtel helfen, die Linsen zu sortieren.

Das unglückliche Mädchen hockt auf dem Boden, zu seinen Füßen steht der bereits gut gefüllte Linsentopf. Ein Arm reicht bis zur Erde und liest die Linsen. Vor der Hand picken zwei Tauben nach den Hülsenfrüchten. Zwei Vogelpaare turteln daneben in aufgerichteter Stellung, wobei jeweils eine Taube mit aufgeplustertem Gefieder gezeichnet ist. Den anderen Arm hält das Mädchen angewinkelt, die leicht gekrümmte Hand hält eine weitere Taube über dem Schoß. Eine dünne Haarsträhne fällt aus dem geneigten Kopf nach vorn auf die Taube in der Hand. Das lange Haupthaar fällt in zwei breiten Strähnen zur Seite und auf den Rücken. Der Gesichtsausdruck ist angespannt und grüblerisch und strahlt trotz der Taubenhilfe und des gefüllten Topfes keine Zuversicht aus.

Sanierungsprogramm 2000 mit neuen Putten

1979 musste die gesamte Anlage wegen erneutem Vandalismus mit umfangreichen Zerstörungen wieder stillgelegt werden und wurde in den Jahren 2000 und 2001 im Rahmen des „Brunnen-Sanierungsprogrammes-2000“ wiederum umfangreich saniert. Die Gesamtkosten hierfür betrugen 1,47 Mio. DM. In dieser Summe sind neben den Kosten für die bautechnische und künstlerische Wiederherstellung auch die Kosten für die Instandsetzung aller wassertechnischen Anlagen, mit der gesamten Brunnen- und Umlauftechnik, einschließlich der notwendigen Sanierungsmaßnahmen für das Spiegelbecken sowie der Neugestaltung der fehlenden Bronzeputten enthalten.

Ein Junge will sich waschen …

Den Auftrag zur Planung erhielt das Architekturbüro Abelmann Vielain Pock. Die Sanierung erfolgte in einer gemäßigt-historischen Variante und wurde von dem Steinbildhauermeister und Restaurator Matthias Scheibner durchgeführt. Die Figuren von Szelinski-Singer blieben und darüber hinaus wurde die Brunnenplastik mit wechselndem Licht von innen beleuchtet. Nach einem Wettbewerb erhielt die 1966 in Moskau geborene und seit 1993 in Berlin lebende Künstlerin Anna Bogouchevskaia den Zuschlag für die Neugestaltung der Bronzeputten. Passend zum heutigen Namen „Märchenbrunnen“ und zu den Kalksteinskulpturen Szelinski-Singers wählte Bogouchevskaia bei der Darstellung Märchenmotive, gestaltete einige Putten jedoch auch mit eigenen Phantasieszenen und witzigen Einfällen:

Ein Junge will sich waschen, kippt das Wasser aber aus dem Krug an seinem Fuß vorbei. Ein anderer schafft es nicht, die viel zu große Krone aufzusetzen. Aus dieser spritzt wiederum Wasser. „Ich wollte etwas Witziges machen, damit die Figuren nicht so statisch wirken“, sagt die Bildhauerin.[1]

Seit September 2001 gießen die 16 Putten, die sowohl im inneren wie im äußeren oberen Kranz angebracht sind, wieder Wasserstrahlen aus Fischen, Eimern und durch Kronen in hohen Bögen in das Wasserbecken, in dem sich die Platanen im alten Glanz spiegeln.

Weblinks

 Commons: Schulenburgpark – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Uwe Aulich: „Ich wollte etwas Witziges machen.“ Anna Bogouchevskaia gestaltete neue Putten für den Märchenbrunnen. In: Berliner Zeitung, 7. September 2001
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