Myers-Briggs-Test

Myers-Briggs-Test

Der Myers-Briggs-Typindikator (kurz MBTI, von englisch Myers-Briggs type indicator – nach Katharine Briggs und Isabel Myers) ist ein Werkzeug der Psychologie zur Einschätzung der Persönlichkeit. Es stellt eine Form der Persönlichkeits-Typologie dar.

Inhaltsverzeichnis

iStJ iSfJ iNFj iNTj
iStP iSfP iNFp iNTp
eStP eSfP eNFp eNTp
eStJ eSfJ eNFj eNTj
Persönlichkeitstypen mit den vier
Hauptklassen nach Keirsey
Geschätzte Verbreitung der Typen
in der Bevölkerung der USA [1]
iStJ
11–14 %
iSfJ
9–14 %
iNFj
1–3 %
iNTj
2–4 %
iStP
4–6 %
iSfP
5–9 %
iNFp
4–5 %
iNTp
3–5 %
eStP
4–5 %
eSfP
4–9 %
eNFp
6–8 %
eNTp
2–5 %
eStJ
8–12 %
eSfJ
9–13 %
eNFj
2–5 %
eNTj
2–5 %

Der MBTI ist eine Weiterentwicklung der Typologie von Carl Gustav Jung, der seine Beobachtungen in „Psychologische Typen“ niederschrieb. Katherine Cook Briggs und ihre Tochter Isabel Myers griffen diese auf und führten Messreihen durch. Sie nutzten die Ergebnisse, um das Center for Applications of Psychological Type zu gründen, das Persönlichkeitseinschätzung kommerziell angeboten hat. Der Begriff MBTI ist eine Schutzmarke des amerikanischen Unternehmens CPP Inc. und blieb in Europa weitestgehend unbekannt.

Durch die Publikationen von David Keirsey gewann die Jung’sche bzw. Myers-Briggsche Einschätzung eine erweiterte Bekanntheit. Diese Typologie wird gern im Personalwesen eingesetzt, da es charakteristische Korrelationen von MBTI-Typus und beruflicher Eignung gibt.

In den USA sind im Laufe der Zeit mehrere dutzend Bücher über den MBTI und das damit verbundene Persönlichkeitsmodell erschienen. Dort besitzt er eine hohe Verbreitung und Popularität, während es in Deutschland nur einige wenige und relativ unbekannte Bücher darüber gibt, und die Anwendung sich weitestgehend auf den Coaching-Bereich in Unternehmen beschränken.

Es kann aber durchaus passieren, dass sich jemand dem beschriebenen Eigenschaftsprofil seines Typus’ zuordnet. Neben einem Haupttyp kann man leicht Übereinstimmungen mit einigen anderen der 16 Unterklassen finden, und so je nach Tagesform und Situation über mehrere Klassen changieren. Es ist jedoch offenbar so, dass Menschen nicht in allen vier Dimensionen der MBTI-Einschätzung variabel sind, sodass die Zuordnung eng beschränkt bleibt.

Klassifikation

Carl Gustav Jung bemerkte in seinem täglichen Umgang mit Patienten, dass der Umgang mancher Menschen mit der Welt schlicht anders ist als sein eigener. Er notierte diese Beobachtungen und deren charakteristischen Merkmale, benannte sie und machte sich die Kenntnis der Persönlichkeitseinschätzung wieder für seine Arbeit zu Nutze. Grundlegend für das Modell ist die Einschätzung der Typen in vier Funktionen (Denken/Fühlen, Sensorik/Intuition), die jeweils mit den Attributen introvertiert/extravertiert und rational/irrational belegt wurden. Dadurch entstanden acht Dimensionen. Die MBTI-Notation löste die Attribute von den Funktionen und erstellte daraus Dimensionen (E/I, N/S, F/T, J/P), die jeweils die dominierende Richtung bezeichnen. Die Abfolge der Buchstaben entspricht der Signal-Reaktion Verarbeitung im Gehirn, geteilt in zwei Wahrnehmungsfunktionen und zwei Beurteilungsfunktionen (bei Jung waren es zwei plus eine).

  • I bis E – Introversion bis Extraversion
Dies beschreibt die Motivation zur Sinneserfahrung. Diese Unterscheidung ist weit geläufig. Ein außenorienter Mensch ist kontaktfreudiger und handlungsbereiter, ein innenorienter Mensch konzentrierter und intensiver. Man spricht auch von der Tendenz zur Weite (E) bis Tiefe (I) der Sinneserfahrung.
Hier wird von einer Gleichverteilung in der Bevölkerung ausgegangen.
  • N bis S – Intuition bis Sensing
Dies beschreibt die Verarbeitung der Sinneseindrücke, der sensorische Geist gewichtet die „Rohdaten“ bzw. unmittelbaren Eindrücke am höchsten, der intuitive Geist verlässt sich stärker auf seinen sechsten Sinn, also auf seine Spekulationen und Vermutungen. Der sensorische Geist ist detailorientiert und gewandter im exakten Verarbeiten von konkreter Information sowie im Einschätzen der Realität. Der intuitive Geist achtet eher auf das Ganze als auf dessen Teile und ist gewandter im Erkennen von Gesetzmäßigkeiten, Relationen und Möglichkeiten.
Es wird davon ausgegangen, dass Sensorer etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung ausmachen.
  • F bis T – Feeling bis Thinking
Dies beschreibt die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden. Der Denker (thinking) betrachtet die ihm vorliegenden Informationen eher von einem rationalen Standpunkt und versucht, mittels Logik zu objektiven Erkenntnissen und optimalen Entscheidungen zu gelangen. Da er Klarheit liebt, kategorisiert er die ihm vorliegenden Sinneseindrücke stark. Der Fühlende (feeling) beachtet seine Emotionen stärker. Er urteilt subjektiv nach seinen Gefühlen und berücksichtigt dabei vorwiegend Werte, Ideale oder zwischenmenschliche Aspekte.
Hier wird von einer Gleichverteilung bei geringfügig mehr Fühlern ausgegangen. Gleichzeitig besteht hier die größte Unausgewogenheit zwischen den Geschlechtern: Schätzungen zufolge sind etwa zwei Drittel der Denker Männer und etwa zwei Drittel der Fühler Frauen.
  • J bis P – Judging bis Perceiving
Dies beschreibt die Sicherheit, mit der man Entscheidungen trifft und zu ihnen steht. Entweder man ist offen für neue Eindrücke und zeigt sich bereit, seine Entscheidungen und Pläne zugunsten neuer Informationen zu überdenken. Dies bedeutet auch, dass man spontaner handelt und sich flexibler unregelmäßigen Umständen anpassen kann (perceiving). Im Gegensatz dazu steht die Entschiedenheit. Der Urteilende (judging) entscheidet bereits, bevor ihm alle Informationen vorliegen und hält an einmal getroffenen Entscheidungen und eingeschlagenen Wegen auch unter widrigen Umständen fest. Bevorzugt handelt er systematisch und planmäßig. Falls erforderlich, werden Pläne angepasst, jedoch werden diese ungern völlig verworfen. Der Urteilende hat außerdem eine stärkere Neigung zum Dominieren und Kontrollieren. Er zeigt im Handeln weniger Spontanität, dafür jedoch mehr Disziplin und Konsistenz.
In dieser Dimension ist ungefähr von einer Gleichverteilung auszugehen.

Jeder Mensch ist in der Lage, entsprechend den vorliegenden Ereignissen angepasst zu handeln, jedoch bevorzugen die Menschen bestimmte Herangehensweisen. Dies wird hier als Typen bezeichnet.

Über Gruppenstudien wurden Tests entwickelt, die ohne Einzelgespräch schon eine Abschätzung des MBTI-Typus erlauben. Wenn ein solcher Test I(3) S(5) T(6) J(5) ergibt, dann schreibt man kurz iSTj als Kurzbezeichung. Jedes Vierertupel hat dabei auch einen Eigennamen, die jedoch zeitbezogen und landesbezogen verschieden sein können, und Assoziationen mit typischen Beobachtungen des sozialen Lebens nahelegen sollen. Der iSTj heißt so auch „Inspektor“ und beschreibt besonders verlässliche Zeitgenossen.

Funktionen

Die Funktionen mit den Attributen introvertiert und extravertiert bilden den Kern den MBTI-Modells. In der Literatur über MBTI tauchen sie selten oder meist gar nicht auf und werden oft durch die vier Dimensionen (siehe oben) ersetzt. Auch wenn die Funktionen an denen von Jung angelehnt sind, werden sie etwas anders aufgefasst.

Beschreibung der Funktionen:

  • Sensorik (S)
introvertierte Sensorik (Si)
vergleicht das aktuelle Geschehen auf subjektiver Basis mit Informationen aus der Vergangenheit und versucht Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu finden. Dabei können Informationsschichten überlagert werden, die nicht mehr differenziert werden können. Die subjektive Wahrnehmung kann Überreaktionen oder eine nicht objektive Realitätssicht mit Tendenz zur Mystik oder Fantasie zur Folge haben.
extravertierte Sensorik (Se)
nimmt Informationen mit allen „fünf Sinnen“ wahr und verarbeitet diese mit Erfahrung mit Fokus auf das Hier und Jetzt. Information werden dabei in der Außenwelt von Objekten und körperlichen Aktivitäten wahrgenommen. Sie sind realistisch und häufig auf der Suche nach Spaß und Unterhaltung. Von äußeren Prozessen lassen sie sich beeinflussen und projizieren manchmal ihre eigenen Empfindungen auf andere. Negativ sind sie von hohem Misstrauen und Eifersucht charakterisiert.
  • Intuition (N)
introvertierte Intuition (Ni)
interessiert sich für zukünftige Geschehnisse, sucht dabei nach Signifikanz und versucht das Unbekannte zu ergründen. Ihre Visionen wollen sie durch Kunst oder Prophezeiungen äußern; ihre Ideen können sehr ungewöhnlich sein, weswegen sie häufig missverstanden werden.
extravertierte Intuition (Ne)
interessiert sich für Möglichkeiten und versucht Ideen und Informationen untereinander zu verbinden. Sie möchten etwas verändern und verbessern und haben dafür viele Ideen und nehmen einen hohen Einsatz auf sich. Dabei kann es passieren, dass sie wenig Rücksicht auf andere nehmen. Situationen, in denen sich nichts verändern und verwirklichen lässt, langweilen sie. Bei der Suche nach ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten können sie u. U. viel Zeit verlieren.
  • Fühlen (F)
introvertiertes Fühlen (Fi)
beurteilt Dinge nach eigenem Ermessen, hat ein Gespür für emotionale Beziehung zwischen Objekten sowie ausgeprägtes Moralbewusstsein. Sie sind an verborgenen Gefühlsprozessen interessiert bis hin zu Mystik und Magie. Gefühle äußern sie nicht immer, auch wenn sie diese nach innen hin intensiv erleben. Dadurch könnten sie auf andere unzugänglich und unauffällig wirken. Negativ äußert sich introvertiertes Fühlen durch tyrannisches, „aufgeblasenes“ Auftreten und dem Gefühl von innerer Leere und Nutzlosigkeit.
extravertiertes Fühlen (Fe)
befasst sich mit sozialen Prozessen und versucht die Außenwelt basierend auf sozialen Beziehungen zu organisieren. Es wird versucht, soziale Werte zu erfüllen und harmonisch in Bezug auf andere Menschen zu sein. Äußere Einflüsse haben für sie einen höheren Stellenwert als innere. Negativ äußert sich Fe durch intensive Stimmungsgefühle und -schwankungen.
  • Denken (T)
introvertiertes Denken (Ti)
testet und analysiert Daten und Ideen – eigene wie fremde – mit dem Versuch, Ungenauigkeit bzw. Genauigkeit zu finden. Dabei sind sie sehr kreativ und können komplex und abstrakt denken. Im negativen Sinne wirken sie dabei eingebildet, können mürrisch oder brüsk sein und nehmen Kritik persönlich.
extravertiertes Denken (Te)
ist bemüht, die Außenwelt mit Logik und objektiven Daten zu verwalten und zu organisieren. Sie sind praktisch veranlagt und verbinden Ideen logisch und hierarchisch. Ihre Moral basiert auf eigenen Ideen und Absichten und nicht auf fremdbestimmten. Dabei können sie ihre persönlichen Interessen vernachlässigen (z. B. Gesundheit). Auf Fehlverhalten reagieren sie kleinlich oder feindselig oder mit Wutausbrüchen.
Funktionstabelle
Funktionen ISFJ ISTJ ESFJ ESTJ
dominant (erste) introvertierte Sensorik introvertierte Sensorik extravertiertes Fühlen extravertiertes Denken
auxiliar (zweite) extravertiertes Fühlen extravertiertes Denken introvertierte Sensorik introvertierte Sensorik
tertiär (dritte) introvertiertes Denken introvertiertes Fühlen extravertierte Intuition extravertierte Intuition
inferior (vierte) extravertierte Intuition extravertierte Intuition introvertiertes Denken introvertiertes Fühlen
Funktionen ISFP ISTP ESFP ESTP
dominant introvertiertes Fühlen introvertiertes Denken extravertierte Sensorik extravertierte Sensorik
auxiliar extravertierte Sensorik extravertierte Sensorik introvertiertes Fühlen introvertiertes Denken
tertiär introvertierte Intuition introvertierte Intuition extravertiertes Denken extravertiertes Fühlen
inferior extravertiertes Denken extravertiertes Fühlen introvertierte Intuition introvertierte Intuition
Funktionen INFJ INFP ENFJ ENFP
dominant introvertierte Intuition introvertiertes Fühlen extravertiertes Fühlen extravertierte Intuition
auxiliar extravertiertes Fühlen extravertierte Intuition introvertierte Intuition introvertiertes Fühlen
tertiär introvertiertes Denken introvertierte Sensorik extravertierte Sensorik extravertiertes Denken
inferior extravertierte Sensorik extravertiertes Denken introvertiertes Denken introvertierte Sensorik
Funktionen INTJ INTP ENTJ ENTP
dominant introvertierte Intuition introvertiertes Denken extravertiertes Denken extravertierte Intutition
auxiliar extravertiertes Denken extravertierte Intuition introvertierte Intuition introvertiertes Denken
tertiär introvertiertes Fühlen introvertierte Sensorik extravertierte Sensorik extravertiertes Fühlen
inferior extravertierte Sensorik extravertiertes Fühlen introvertiertes Fühlen introvertierte Sensorik

Die Funktionen zu den einzelnen Typen werden wie folgt interpretiert: Intro- und extravertierte Funktionen wechseln sich stets ab. In der ersten und zweiten sowie in der dritten und vierten Funktion ergänzen sich rationale und irrationale Funktionen. Perceiving oder Judging richtet sich nach der ersten extravertierten Funktion (bei extravertierten die erste, bei introvertierten die zweite Funktion), da die MBTI-Erfinderinnen davon ausgingen, dass man nur über seine extravertierte Funktion mit der Umwelt kommunizieren kann. Auffällig ist dadurch bei den introvertierten, dass diejenigen vom irrationalen Typus (perceiver) eine dominierende rationale Funktion haben und umgekehrt. Die unbewussten, also letzten vier Funktionen, entsprechen den bewussten in gleicher Reihenfolge, aber vertauschter Intro- bzw. Extraversion.

Testbogen

Der Test zur Abschätzung des MBTI erfolgt in der Regel zweistufig, indem zuerst ein Testbogen ausgefüllt und das Ergebnis anschließend mit dem Probanden diskutiert wird. Der Testbogen selbst enthält eine lange Serie dichotomer Fragen (mit je zwei Antwortmöglichkeiten), deren Beantwortung auch ausbleiben kann. Abstufungen wie z. B. „eher ja“, „eher nein“ und „weiß nicht“ sind nicht möglich.

Von den möglichen Fragestellungen werden für den Testbogen jene mit möglichst diskriminierendem Wert verwendet, deren Antwort häufig von einem erwarteten Mittelwert abweicht. Es darf so verschiedene Testbögen geben, sinnvoll sind diese jedoch nur, wenn sie mittels eines Gruppentests geeicht wurden. Neben den offiziellen MBTI-Testbögen der Firma CPP ist weithin noch der „Keirsey Temperament Sorter“ bekannt, der geeicht wurde und kostenlos zur Verfügung steht. Es gibt verschiedene Webseiten, die den Keirsey-Test in vielen Sprachen online stellen.

Die Diskussion des Testergebnisses sollte immer erfolgen, da die Zusammenstellung und Wertung der Teilfragen letztlich willkürlich ist. Die Jung’sche Beobachtung verschiedener Typen bleibt jedoch bestehen, bei denen sich Charakteristika der Herangehensweisen an Aufgaben gruppieren und zuordnen lassen, letztlich typisch sind. Ohne Einzelgespräch erfolgt dies, indem man die Beschreibungen der 16 Typen nachliest und der Proband selbst den passendsten wählt. Das Ergebnis des Testbogens gibt dabei einen Hinweis, welcher Typ am wahrscheinlichsten ist, nur selten wählt man abweichend einen Typus als passendsten, bei dem ein Vorzeichen einer Dimension verkehrt ist.

Die Einfachheit dieser Testmethode ist zugleich vorteilhaft wie kritikwürdig. Insbesondere wird kein Maß der Variabilität der Herangehensweisen aufgestellt, die bei allen Menschen vorhanden, aber meist stark beschränkt ist. Die Mittelantwort heißt „weiß nicht“ und nicht „mal so mal so“; auf letzteres sind die Testbögen nicht geeicht.

Anwendung

Die Anwendung der MBTI-Tests bei Arbeitseinstellungen ist insbesondere im angloamerikanischen Raum gebräuchlich. Dies basiert auf statistischen Erhebungen, in denen deutliche Korrelationen zwischen dem Arbeitsfeld, dem Persönlichkeitstyp und der Zufriedenheit der Arbeitenden mit dem Arbeitsfeld gefunden wurden. Hier ergibt sich die Vermutung, dass eine zum Job passende Persönlichkeit langfristig bessere Arbeitsleistungen liefert, z. B. seltener krank wird.

Kritik an der Verwendung bei Einstellungstests ergibt sich insoweit, dass Menschen sich auch an ihre Umwelt anpassen und mit der Zeit in die Anforderungen des Arbeitsfeldes hineinwachsen. Der MBTI beschreibt nicht andere wichtige Faktoren der langfristigen Anpassung wie Intelligenz und Disziplin. Der MBTI-Wert ist nur ein Wert unter mehreren zur besseren Persönlichkeitseinschätzung über die persönliche Menschenkenntnis hinaus.

Die Verfügbarkeit von Testbögen hat auch die Anwendung von MBTI-artigen Systemen außerhalb der beruflichen Eignung hervorgebracht. So werden im angloamerikanischen Raum auch in der Eheberatung diese Tests eingesetzt, um den Partnern Hinweise geben zu können, auf welche Persönlichkeitsunterschiede Rücksicht genommen werden muss. Die Erfolge haben jedoch teils auch zu einer Überbewertung des MBTI geführt.

Für den privaten Gebrauch kann mit anderen Testbögen verglichen werden, die etwa in Zeitschriften abgedruckt werden. Diese sind häufig ebenfalls dichotom aufgebaut, die Punkte werden aufsummiert und ergeben eine Klassenzuordnung. In der Regel wurden diese Testbögen in Zeitschriften nicht mit Gruppentests geeicht, sodass die Klassenzuordnung schon fragwürdig ist, und die in der Klassenzuordnung gegebenen Verhaltenstipps sind in der Regel ebenfalls nicht durch Studien belegt.

Demgegenüber existieren im MBTI-Umfeld jahrzehntelange Erfahrungen einschließlich fundierter Studien zu Korrelationen der definierten Typen mit fast jedem anderen Feld der Psychologie bzw. Soziologie. Der Grad der Anwendbarkeit des MBTI kann so fallweise belegt oder auch widerlegt werden. Wenn er auch nicht allein stehen kann, so bringt die Kenntnis über den eigenen und anderer MBTI-Typen mehr als beliebige Zeitschriftentests oder Astrologie.

Weiterführende Werke

Gunter Dueck greift in einigen seiner Werke auf das MBTI-Modell zurück (wobei er die Ausführungen von David Keirsey benutzt) und entwirft darauf basierend sein eigenes Charakter-Modell.

Das Ehepaar Paul D. Tieger und Barbara Barron-Tieger hat einige Bücher herausgebracht, um Menschen in Beruf, Erziehung und Partnerschaft zu helfen und nutzt MBTI als zentrales Werkzeug. Auch hier wird u. a. auf Keirseys Ausführungen zurückgegriffen und durch Jahrzehnte lange Beobachtungen ergänzt.

Die weitgehende Anwendung der MBTI-ähnlichen Modelle hat dazu geführt, dass andere Modelle zu Persönlichkeit und Charakter sich damit vergleichen. Nicht das MBTI-Modell an sich, aber die Ableitungen von Keirseys greifen die klassische Vier-Elemente-Lehre der abendländischen Welt auf, die auf die hippokratische Temperamentenlehre zurückgeht. Diese hatten schon eine Verbindung von Temperament und Gesundheit eines Menschen gesehen (daraus folgend die Viersäftelehre). Demgegenüber fußt die fernöstliche Tradition auf einer Fünf-Elemente-Lehre, die sich auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin finden. Die Klassifizierung der fünf Emotionen wird dann auf fünf Persönlichkeiten übertragen (derzeit nur englisch unter Big five personality traits), zu denen ebenfalls modernisierte Varianten bereitstehen, die mit modernen wissenschaftlichen Methoden in Studien untersucht werden.

Im Osten, speziell in Russland, ist die auf Jung aufbauende Klassifizierung Sozionik sehr beliebt und stellt sozusagen das russische Gegenstück zu MBTI dar. Die Sozionik hat gegenüber MBTI die Vorteile, dass nicht nur die Typen an sich, sondern mehr die Beziehungen untereinander erforscht werden und dass Funktionen viel weiter differenziert werden. Daneben versucht Sozionik im Gegensatz zu MBTI eine Korrelation zwischen Typen und körperlichen Merkmalen aufzuzeigen.

Kritik

„Der MBTI ist der Myers-Briggs-Indikator, ein umfangreicher verbaler Test, den ursprünglich zwei Amerikanerinnen entwickelten, nachdem sie ‚Psychologische Typen‘ von C. G. Jung gelesen hatten. Sein Hauptnachteil ist es, dass jeder Mensch die Eigenschaften ankreuzt, die er für seine eigenen hält, und so bekommt [er] die Bestätigung, dass er wirklich so ist, wie er über sich selber denkt. Außerdem werden fast alle Kategorien falsch verstanden. Die theoretischen Grundlagen des MBTI sind viel schwächer als die der Sozionik, obwohl der Test unmittelbar auf der Typologie von C. G. Jung gründen soll. Dass alle vier Funktionen in zwei Einstellungen [objektorientiert und strukturorientiert] sein können, wird vom MBTI ignoriert.“ [1]

Der Kernpunkt der Kritik ist die Evaluierung der Funktionen und Typen, denn der Testbogen ist die einzige offizielle Möglichkeit zur Bestimmung des Persönlichkeitstypus einer Person. Da es sich um dichotome Fragen handelt, ist hier die Gefahr einer Fehleinschätzung groß: manche Personen spielen mitunter eine „Rolle“ und laufen Gefahr, sich durch Stereotypisierung falsch zu klassifizieren; teilweise können im Test nicht alle Ansichten und Erfahrungen aller Probanden berücksichtigt werden. Dadurch kann unter Umständen ein Barnum-Effekt hervorgerufen werden.

Insbesondere die Klassifizierung bei introvertierten Menschen kann schwierig werden, nicht zuletzt weil bei ihnen viele Gedankengänge nicht öffentlich werden – im Gegensatz zu den extravertierten. Der Hauptpunkt diesbezüglich könnte aber bei der Funktionsanordnung liegen: Myers glaubte, dass die erste extravertierte Funktion über perceiving oder judging entscheidet, während dies Jung selber an der ersten festmachte. Vor allem seitens der Sozionik kommt dieser Kritikpunkt, da diese bei den ersten beiden Funktionen von introvertierten Menschen eine umgekehrte Reihenfolge der Funktionen benutzen. Dadurch entscheidet nicht mehr die erste extravertierte, sondern die erste Funktion über Rationalität bzw. Irrationalität.
Ist bei einer extravertierten Person die dominante Funktion rational, so ist es auch der Typus (judging), ist sie irrational, so ist es der Typus ebenfalls (perceiving). Bei einer introvertierten Person ist es laut MBTI umgekehrt: ist bei einer introvertierten Person die dominante Funktion rational, so ist der Typus irrational (perceiving), ist sie irrational, so ist der Typus rational (judging). Anders gesagt glaubte Myers, dass EJ und IP den rationalen und EP und IJ den irrationalen Typen angehören. (Bei der Sozionik sind alle P irrational und alle J rational.) Auch wenn MBTI sich hier weiter von den Grundlagen (Jungs Typenpsychologie) entfernt als die Sozionik, und sich hier Fehler vermuten lassen, ist es nicht möglich, den Sachverhalt objektiv zu klären.

Auch wenn die Funktionen mit Attributen (introvertiertes Denken, extravertierte Sensorik, etc.) den Kern des MBTI bilden, sind fast ausschließlich Informationen über die Dimensionen (Denken/Fühlen, Intuition/Sensorik, etc.) verfügbar. Dessen Beschreibungen zeigen fast nur positive Züge auf, während negative im Rahmen der politischen Korrektheit in der Regel nicht erwähnt werden. Zum einen fehlen dem Modell dadurch wichtige Informationen, zum anderen entfernt er sich weit von Jungs „Psychologischen Typen“.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Stagnierung des Modells. Auch wenn der MBTI anfangs stetig weiterentwickelt wurde, gab es seit Ende der 1960er/Anfang der 1970er keine nennenswerten Änderungen mehr. Dadurch kann das Modell nicht verbessert und können etwaige Fehler nicht ausgemerzt werden.

Kostenloses Material von offizieller Seite gibt es nur sehr wenig und beschränkt sich meist auf die Webseite der Gründerin; kostenpflichtige beschränken sich auf ein englisch-sprachiges Buch (Gifts Differing: Understanding Personality Type) sowie PDFs von CAPT; auch der Original-Test ist kostenpflichtig. Die meisten Informationen, die man über MBTI findet, sind Plagiate vom offiziellen Material, das sehr oft mit subjektiven Eindrücken oder dem Modell von Keirsey vermischt wird.

Generell ist davon auszugehen, dass MBTI viel auf Hypothesen basiert. Zum einen liegt das daran, dass eine solche Klassifikation zum Entstehungszeitpunkt des MBTI noch sehr jung war, zum anderen, weil gerade in psychologischen Theorien Beweise oder objektive Daten schwer zu evaluieren sind oder teilweise nicht existieren. Beispielsweise rät MBTI, dass Paare in allen Dimensionen unterschiedlich sein sollten (z. B. INFP ↔ ESTJ). Eine Untersuchung im Rahmen der Sozionik zeigt aber, dass diese Kombination die geringste Heiratsrate hat, woraus sich eine schlechte Beziehung vermuten lässt. (Selbst Keirsey hat diese Kombination in seinem ersten Buch empfohlen und erst in seinem zweiten Buch revidiert; Sozionik betitelt diese Art der Beziehung als conflict bzw. Konflikt.) Hinzu kommt noch, dass Isabel und Kathrine Myers weder in Kontakt mit Psychologen oder Wissenschaftlern standen noch selber einen entsprechenden akademischen Grad hatten (Isabel Myers hatte einen Bachelor in Politikwissenschaften).

Siehe auch

Literatur

Jungs Fundament
  • C.G. Jung: Typologie. Dtv, 2001, ISBN 3-423-35172-1
    • auch in: Gesammelte Werke, 20 Bde. in 24 Tl.-Bdn., Bd.6, Psychologische Typen. Walter-Verlag, 1995, ISBN 3-530-40081-5
Primärliteratur
  • Isabel Briggs Myers: Gifts Differing: Understanding Personality Type.Davies-Black Publishing, Mai 1995, ISBN 0-89106-074-X
  • Isabel Briggs Myers: Introduction to Type: A Guide to Understanding Your Results on the Myers-Briggs Type Indicator. Center for Applications of, November 1998
  • Isabel Briggs Myers, Mary H. McCaulley: Manual: A Guide to the Development and Use of the Myers-Briggs Type Indicator. Consulting Psychologists, August 1985, ISBN 0-89106-027-8
Sekundärliteratur
  • Naomi L. Quenk: Essentials of Myers-Briggs Type Indicator® Assessment (Essentials of Psychological Assessment). Wiley, November 1999, ISBN 0-471-33239-9
  • Renee Baron: What Type Am I? : The Myers-Brigg Type Indication Made Easy. Penguin, August 1998, ISBN 0-14-026941-X
  • Linda V. Berens, Dario Nardi: The 16 Personality Types, Descriptions for Self-Discovery. Telos Pubns, Juli 1999, ISBN 0-9664624-7-5
  • Otto Kroeger, Janet M. Thuesen: Type Talk: The 16 Personality Types That Determine How We Live, Love, and Work. Dell, Oktober 1989, ISBN 0-440-50704-9
Deutschsprachige Literatur
  • Stefanie Stahl, Melanie Alt: So bin ich eben! Erkenne dich selbst und andere. Ellert & Richter, März 2005, ISBN 3-8319-0200-3
  • Jenny Rogers: In der betrieblichen Praxis: Nach dem englischen Original „sixteen personality types at work in organisations“ von Jenny Rogers ins deutsche übersetzt. Outdoor Unlimited Training GmbH, 2008, ISBN 978-3-00-012947-6

Weblinks

zu MBTI
weiterführend

Einzelnachweise

  1. Elena Hochnadel

Wikimedia Foundation.

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