Muzaffar ad-Din

Muzaffar ad-Din
Muzaffar al-Din Schah

Muzaffar ad-Din Schah auch Mozaffar ad-Din Schah (persischمظفر الدین شاه‎ [mozæfːæroˈdːiːn ʃɔːh]; * 1853; † 1907) regierte von 1896 bis 1907 als Schah von Persien. Muzaffar ad-Din Schah war mit einer unbekannten Anzahl Frauen verheiratet, hatte 7 Söhne und 15 Töchter.[1] Sein Nachfolger wurde sein ältester Sohn Mohammed Ali.

Inhaltsverzeichnis

Konzessionen und Kredite

Der älteste überlebende Sohn von Naser al-Din Schah konnte das Erbe seines Vaters nicht antreten, da seine Mutter nicht von adliger Herkunft und kein Mitglied der Kadscharen war. So kam Muzaffar nach dem gewaltsamen Tod seines Vaters mit 43 Jahren auf den persischen Thron. Muzaffar galt als ängstlich und wenig tatkräftig. Statt nun endlich Persiens Wirtschaft und Verwaltung zu reformieren, setzte er die verhängnisvolle Politik seines Vaters der Konzessionsvergabe an ausländische Firmen und Privatpersonen fort.

Als besonders verhängnisvoll sollte sich eine 1901 erteilte und für 60 Jahre gültige Öl-Konzession an den Briten William Knox D'Arcy erweisen. Öl entwickelte sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem strategischen Rohstoff. Die Gewinne, die sich aus der Förderung und Verarbeitung des Öls erzielen lassen sollten, führten zu einem zwischen Iran und Großbritannien ausgetragenen Streit, der sich zu einer Krise weltweiten Massstabes (Abadan-Krise) entwickelte. Nach dem ersten Exil des späteren Schahs Mohammad Reza Pahlavi, dem Sturz der Regierung des Premierministers Mossadegh, und dem dann neu geschlossenen Konsortialabkommen, das die Konzession von D'Arcy und die später geschlossenen Vereinbarungen zwar ablösen, den Iran aber doch bis ins Jahr 1979 an Großbritannien und die westlichen Ölkonzerne binden sollte, waren die Beziehungen zwischen dem Iran und Großbritannien vollständig zerrüttet. Hinzu kommt, dass das Ende dieses Konsortialvertrages auch das Ende der Monarchie im Iran und das Ende einer prowestlichen Politik bedeutete.

Muzaffar ad-Din Schah zur Kur in Martigny les Bains (1902)

Während sich im Europa des 19. Jahrhunderts Nationalstaaten herausgebildet hatten, in denen nicht mehr der Adel sondern ein aufgrund der Industrialisierung wirtschaftlich starkes Bürgertum die politischen Entscheidungen prägte, blieb der Iran einem Feudalsystem mit stark absolutistischen Zügen verhaftet. Eine Landreform und die Abschaffung des Großgrundbesitzes und des Leibeigentums wurden gar nicht erst versucht. Die Entwicklung eines umfassenden Bildungssystems blieb ebenso ein Traum, wie der Aufbau einer modernen Verwaltung oder eines unabhängigen Justizsystems.

Doch damit nicht genug. Muzaffar führte nicht nur die Konzessionspolitik seines Vaters Naser al-Din Schah fort, er nahm zudem erhebliche Kredite bei russischen und britischen Banken auf, um vor allem seine Reisen nach Europa zu finanzieren. Zu Beginn Muzaffars Regentschaft betrugen die Auslandsschulden Irans £ 500.000. Sie stammten aus dem missglückten Versuch Naser al-Din Schahs, die Tabakanpflanzung, - verarbeitung und den -verkauf vollständig an ein britisches Monopol zu konzessionieren. Nach massiven Protesten der Tabakhändler (Tabakbewegung) musste Naser al-Din Schah die Konzession zurücknehmen und den Konzessionsinhaber entschädigen. Diese Politik, den luxuriösen Lebensstil des Herrscherhauses auf Kredit zu finanzieren, ließen die Auslandsschulden Irans von den besagten £ 500.000 im Jahre 1892 auf £ 2,6 Mio im Jahre 1914 und £ 10,6 Mio. im Jahre 1919 anwachsen, die durch die Überschreibung von Steuern und Zöllen abgezahlt werden sollten. Der russische Staat errichtete zur Verwaltung der diversen an den iranischen Staat geflossenen Darlehn und der Vereinnahmung der Darlehnsrückzahlungen in Teheran eine eigene Zweigstelle, die "Banque d'Escompte et des Prets de Perse" eingerichtet.[2] Die Briten hatten im Gegenzug eine Zweigstelle der Bank of England, die "Imperial Bank of Persia" in Teheran eingerichtet.

Aufgrund der verfehlten Wirtschaftspolitik geriet Iran in eine zunehmende Abhängigkeit von England und Russland. Teile des Landes entwickelten sich zu regelrechten Einflusssphären dieser Mächte. Um ihre wirtschaftlichen Interessen besser koordinieren zu können und Streitigkeiten zu vermeiden, schlossen Briten und Russen 1907 den Vertrag von Sankt Petersburg, in dem der Iran in eine russische, eine britische und eine neutrale Zone geteilt wurde. Die iranische Regierung wurde in die Verhandlungen nicht weiter einbezogen sondern erst nach dem Vertragsabschluss informiert.

Konstitutionelle Reformen

Über die Presse verbreiteten sich zunehmend liberale Ideen, die zu massiver Kritik am absolutistischen Herrschaftsstil der Kadscharen-Dynastie führte. Waren die frühen Proteste noch gegen einzelne Entscheidungen des Schahs, wie die Vergabe eine Tabakkonzession, gerichtet, zielten spätere Forderungen auf die Gründung von Gerichten, um sich gegen willkürliche Entscheidungen der Verwaltung und den zunehmenden wirtschaftlichen Einfluss der ausländischen Konzessionäre wehren zu können. Bis 1903 entstand eine regelrechte politische Bewegung, die die einzelnen Forderungen aus der Bevölkerung bündelte und gesellschaftliche Veränderungen forderte. Aus der Forderung des einfachen Bürgers nach Gerechtigkeit (adalat) wurde die Forderung nach Gerichten (adaltkhaneh), nach einem Rechtssystem und am Ende nach einer Verfassung, die die Herrschaft eines Landes nach europäischem Vorbild regeln sollte. Das Ende des Absolutismus, das in Europa vor 200 Jahren mit der französischen Revolution eingeleutet worden war, schien nun auch Persien erreicht zu haben. [3]

Der Beginn der konstitutionellen Revolution wird allgemein auf den Spätherbst 1905 datiert. [4] Der Gouverneur von Teheran ließ mehrere Zuckerhändler öffentlich auspeitschen, da er Ihnen vorwarf, Zucker zu überhöhten Preisen zu verkaufen. Die folgenden Proteste und Demonstrationen könnten selbst mit Waffengewalt nicht eingedämmt werden, so dass der Schah gezwungen war, sowohl den Gouverneur von Teheran als auch den Premierminister zu entlassen. Muzaffar ad-Din Schah gab zudem den Forderungen der Konstitutionalisten nach und unterzeichnete am 5. August 1906 ein Dekret, mit dem die Errichtung einer ständisch geordneten, beratenden Versammlung angeordnet wurde. Bereits im September 1906 wurde das Wahlgesetz zu dieser Versammlung verabschiedet, und im Dezember 1906 erfolgte die Unterschrift Muzaffars unter ein Dokument das Qanun-e Asasi ("Grundgesetz") genannt wurde, und später als Verfassung Persiens gelten sollte.

Auch der plötzliche Tod Muzaffar ad-Din Schahs konnte die einmal eingeschlagene Richtung nicht mehr ändern. Das Ende der absolutistischen Herrschaft in Persien war gekommen.

Kulturelle Entwicklungen

So rückständig Muzaffar ad-Din Schah in politischen Angelegenheiten war, so modern war er in kultureller Hinsicht. Auf der Weltausstellung in Paris besuchte er eine öffentliche Filmvorführung. Von der neuen Kulturtechnik war er so begeistert, dass er seinen Hoffotografen Mirza Ebrahim Khan Akkas Bashi beauftragte, "alle notwendige Technik" zu kaufen und nach Teheran zu bringen. Mirza Ebrahim begann mit Dokumentationen, die Muzaffara ad-Din Schah auf der Reise und bei privaten und öffentlichen Anlässen zeigen. 1904 hielt Mirza Ebrahim Khan Sahhafbashi die ersten öffentlichen Kinovorführungen in Teheran ab. Sein Kino wurde jedoch bereits nach einem Monat geschlossen, da Sahhafbaschi ein vehementer Verfechter demokratischer Reformen war, und Muzaffar ad-Din Schah aus diesem Grund sein Haus und Vermögen beschlagnahmen ließ und ihn in die Verbannung schickte. [5]

Einzelnachweise

  1. http://www.qajarpages.org/mozaffareddinchildren.html
  2. Cyrus Ghani: Iran and the Rise of Reza Schah. I.B.Tauris, 2000. S. 7.
  3. Cyrus Ghani: Iran and the Rise of Reza Schah. I.B.Tauris, 2000. S. 7.
  4. Golam Rheza Afkhani: The life and times of the Shah. UC Press, 2009. S.5
  5. http://www.massoudmehrabi.com/articles.asp?id=1414606616


Literatur

  • Richard Walker (1998). Savile Row: Eine erläuterte Geschichte

Weblinks


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