MuseumsQuartier

MuseumsQuartier

Das MuseumsQuartier, kurz MQ, ist ein 60.000 m² großes Areal im 7. Wiener Gemeindebezirk Neubau nahe dem Zentrum der Stadt. Das Angebot reicht von bildender und darstellender Kunst, Architektur, Musik, Mode, Theater, Tanz, Literatur, Kinderkultur, bis hin zu Digitaler Kultur. Zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung war es das achtgrößte Kulturareal der Welt. Das MuseumsQuartier befindet sich, von der Ringstraße aus gesehen, jenseits des Maria-Theresien-Platzes mit Natur- und Kunsthistorischem Museum, an der so genannten Zweierlinie. Weitere Sehenswürdigkeiten in der Nähe sind z. B. das Volkstheater.

Die 1725 als kaiserliche Hofstallungen angelegten Gebäude wurden 1922 zum Messepalast umfunktioniert und entsprechend adaptiert. Im April 1998 begann der Umbau zum MQ, das drei Jahre später in zwei Etappen (Juni und September 2001) eröffnet werden konnte. Den ursprünglichen, barocken Gebäuden des Komplexes steht heute die moderne Architektur der neu errichteten Museumsbauten gegenüber.

Innenhof des MuseumsQuartiers

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hofstallungen

Die Hofstallungen um 1720, Stich nach Salomon Kleiner

Siehe Hauptartikel: Hofstallungen

Das heutige Hauptgebäude des MuseumsQuartiers wurde ursprünglich für die Hofstallungen der römisch-deutschen Kaiser errichtet.

1713 hatte Kaiser Karls VI. den Auftrag zur Errichtung eines Hofstallgebäudes vor dem Äußeren Burgtor am Wiener Glacis an Johann Bernhard Fischer von Erlach erteilt. Der Bau wurde nach dessen Ableben 1725 von seinem Sohn Joseph Emanuel fertig gestellt, allerdings nicht im Ausmaß des ursprünglichen Entwurfs. In den folgenden Jahren kam es zu zahlreiche Um- und Zubauten (u.a. kommt unter Franz Joseph I.). Zwischen 1850-1854 wurde die Winterreitschule im klassizistischen Stil errichtet (heute die Halle E+G). Kaiserin Elisabeth ließ 1874 im Sattlerhof eine oktogonale Reithalle errichten. Heute befindet sich darin die Bibliothek des Architekturzentrums Wien.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie verloren die Hofstallungen ihren einstigen Zweck, und ein Großteil der Bestände wurde versteigert.

Messepalast

Siehe Hauptartikel: Messepalast

1921 wurde das Areal erstmals für Messe- und Ausstellungszwecke genutzt und in der Folge zum Messepalast umgebaut und auch umbenannt. Hinter der Winterreithalle wurde eine große Halle errichtet. Zwischen 1940-1945 fanden im Messepalast Propagandaveranstaltungen des NS-Regimes statt.[1] 1946 nahm die Wiener Messe hier ihre Tätigkeit wieder auf. Im Haupthof werden in der Folge zwei große Hallen errichtet. Um- und Zubauten gab es bis in die 1960er Jahre.

Umwidmung

Haupteingang
Kunsthalle 2008

1985 war der Messepalast erstmals ein Veranstaltungsort der Wiener Festwochen, die dort bald ihre Hauptspielstätte fanden.

In den Jahren 1980 bis 1986 gab es eine intensive Diskussion über eine angemessenere Nutzung, und es gab erste Entwürfe für ein MuseumsQuartier, das als Kernstück nach dem Vorbild des Pariser Centre Pompidou ein Museum für moderne Kunst haben sollte. Zudem sollten Einrichtungen für neue Medien, Film, Video- und Computerkunst und eine multimediale Bibliothek vorhanden sein. Weiters sollte Raum für weitere kulturelle Institutionen geschaffen werden. In Folge wurde ein zweistufiger Wettbewerb ausgelobt, bei dem insgesamt 88 Projekte eingereicht wurden. In der ersten Stufe 1987 wurden sieben gleich berechtigte Preise vergeben. In der zweiten Stufe im April 1990 siegte das (unterdessen stark veränderte) Projekt der Architekten Ortner & Ortner (Laurids Ortner und Manfred Ortner) per einstimmigen Juryentscheid. In der Folge kam es zu jahrelangen heftigen öffentlichen Debatten, insbesondere über die Höhe der neuen Baukörper und über den so genannten Leseturm, ein schmales Hochhaus, das Wahrzeichen des Museumskomplexes werden sollte. Unter anderem protestierten 1993 mehr als 140 international namhafte Kunsthistoriker und Architekten gegen das Projekt, darunter der Erbauer der Louvrepyramide Ieoh Ming Pei und Sir Ernst Gombrich[2] Im Oktober 1994 entschied der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk gegen die Errichtung des Leseturms. Das 1996 in den Medien bereits mehrfach totgesagte Projekt wurde in der Folge redimensioniert. Nach Beiziehung des Denkmalschutzspezialisten Manfred Wehdorn wurden die Museumsneubauten, statt mit den zunächst vorgesehenen transparenten Glasfassaden, mit Natursteinfassaden und in geringerer Höhe geplant. Ende Oktober 1999 erhielt diese reduzierte Variante den positiven Bescheid des Bundesdenkmalamtes. Im April 1998 wurde mit dem Bau begonnen. Zu negativem Medienecho während der Bauzeit kam es, als bekannt wurde, dass der kostspielige öffentliche Bau (die Gesamtkosten des Umbaus betrugen rund 150 Millionen Euro) grobe Mängel hinsichtlich der Barrierefreiheit aufwies, die aber daraufhin großteils behoben wurden. Die Fertigstellung zum damals achtgrößten Kulturareal der Welt erfolgte 2001. Die Eröffnung fand am 29. Juni 2001 statt.[3]

Das MuseumsQuartier befindet sich im Eigentum der Republik Österreich (75% Bund, 25% Gemeinde Wien). Vorsitzende des Aufsichtsrats ist seit 2008 Wilhelmine Goldmann, Geschäftsführer war seit 1999 bis zu seiner Berufung in die österreichische Bundesregierung im April 2011 Wolfgang Waldner. Interimistisch leitete daraufhin Daniela Enzi die MuseumsQuartier E&B Gmbh. [4]. Im August 2011 wurde Christian Strasser, früherer Leiter des Linzer Posthofs, als neuer Geschäftsführer vorgestellt; ab 1. Oktober wird er für vorerst fünf Jahre das MuseumsQurtier leiten.[5]

Museen, Kunst- und Kulturprojekte

Leopold Museum
Lesung vor der Kunsthalle (O-Töne 2007)
MUMOK, das Museum Moderner Kunst mit den Enzis genannten Hofmöbeln davor

Das Areal beherbergt in mehreren Gebäuden verschiedene Museen, Institutionen und Initiativen. Die drei größten Museen sind das MUMOK (Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien), das Leopold Museum und die Kunsthalle Wien. Die jüngsten unter den Museumsbesuchern sind die Zielgruppe des ZOOM Kindermuseums. Weiters wird das Areal für verschiedene regelmäßige Kulturveranstaltungen wie das Literaturfestival O-Töne oder Konzerte im Rahmen des Jazz Fest Wien genutzt.

Das Leopold Museum ist ein vom Architekturbüro Ortner & Ortner entworfener quaderförmiger Bau, der außen mit weißem Muschelkalk verkleidet ist. Es beherbergt unter anderem die weltweit größte Sammlung von Bildern des Malers Egon Schiele.

Das ebenfalls von Ortner & Ortner gestaltete MUMOK ist ein kubisches, mit Vulkangestein ummanteltes Gebäude, das ursprünglich höher geplant war und dessen zur Diskussion gestandenen Stockwerke stattdessen als Kellergeschoße in die Tiefe gebaut wurden. Das MUMOK basiert auf der Österreichischen Ludwig-Stiftung des Kunstsammlerehepaars Irene und Peter Ludwig, deren Exponate davor im 20er Haus und im Palais Liechtenstein zu sehen waren.

Direkt im Anschluss an die historische Winterreithalle befindet sich die Kunsthalle Wien mit ihren beiden Ausstellungshallen (halle 1 und halle 2), in denen zeitgenössische Kunst gezeigt wird. Davor war die Kunsthalle in einem von Anfang an als Provisorium konzipierten Containerbau am Karlsplatz untergebracht, wo sich auch heute noch eine Expositur namens project space und das Kunsthallen-Café befinden.

Neben der musealen Nutzung stehen im MuseumsQuartier Räume für Veranstaltungen im Rahmen der Wiener Festwochen, für das Tanzquartier Wien und das Architekturzentrum Wien zur Verfügung. Im Hof 2 befindet sich die wienXtra-kinderinfo, eine Infostelle speziell für Kinder und Familien. Im quartier21 sind mehrere Künstlergruppen und Initiativen beheimatet (monochrom, SRA, ASIFA Austria, math.space, Quintessenz, Vienna Independent Shorts, Gruppe Or-Om, SUBOTRON, 5uper.net und andere). Public Netbase, eine Institution, die sich kritisch mit neuen Technologien im Bereich von Kunst und Kultur befasst, war ursprünglich in einem Trakt des MQ ansässig, musste aber Anfang 2002 wegen Unstimmigkeiten mit der MQ Errichtungs- und BetriebsgmbH ausziehen.[6]

Der zentrale Innenhof des MQ-Areals hat sich mittlerweile zu einem urbanen Freiluft-Erholungsraum entwickelt. Der Beliebtheit von Bobos Stadtwohnzimmer“, wie Dietmar Steiner vom Architekturzentrum Wien den Hofbereich einmal nannte, ist einerseits auf die verschiedenen gastronomischen Betriebe zurückzuführen, andererseits auch auf die außerhalb der einzelnen Lokalbereiche aufgestellten Enzis genannten MQ-Hofmöbel. Die Enzis sind kombinierbare Multifunktionsmöbel, die vom Architektenteam PPAG (Anna Popelka und Georg Poduschka) entworfen wurden und nach der für die Nutzung der Höfe zuständigen Prokuristin Daniela Enzi benannt sind. Bis 2010 wurden die Enzis jedes Jahr zu Beginn der Sommersaison Enzis neu gestrichen, über mehrere zur Auswahl stehende Farbtöne konnte per Internet-Voting abgestimmt werden. Bisherige Farbtöne waren unter anderem Schwimmbadblau, Hellrosa, Pistaziengrün, Freudliegenrot, Cremebeige, Fastaustriaviolett, Zitroneneisgelb und Candy Shop Pink.[7] Seit dem Sommer 2010 gibt es zusätzlich zu den Enzis die Enzos: Grundform und Dimension der Möbel sind gleich, aber sie sind robuster und bestehen aus recycelbaren Materialien. Die Enzos wurden in Zusammenarbeit des Architektenteams PPAG und der Produktdesigner MN*LS, Margarita Navarro und Ludwig Slezak entworfen. Die Farbgebung erfolgt auch hier per Internet-Voting.

quartier21

Das quartier21 wurde 2002 eröffnet. Die Hauptaufgabe der offenen Trägerstruktur ist es, eine Möglichkeit für künstlerische Produktionen zu bieten. Angesiedelt ist das quartier21 innerhalb des MuseumsQuartiers. Das quartier21 bietet 7.000 m² Platz und besteht aus einer Vielzahl an kleinen Ateliers, Büros, Agenturen, Archiven, Redaktionen und Veranstaltungsräumen, von denen alle autonom agieren. Inhaltliche Schwerpunkte der rund 60 quartier21-Partner sind Digitale Kultur, Mode und Design. Das Spektrum reicht von Medienkunst, Konzeptkunst, Klangkunst über Game Culture, Street Art, Mode, Design und Fotografie bis hin zu Literatur.

Artist-in-Residence-Programm

Ein wichtiger Aspekt ist das Artist in Residence-Programm[8]. Das quartier21 stellt dabei Gastkünstler aus den unterschiedlichsten Sparten wie Mode, Design, Literatur, Fotografie, Street Art, Game Culture, Konzeptkunst, Theorie, TransArts und Medienkunst für rund zwei Monate eines der acht Wohnstudios bereit. Seit 2002 wurden über 300 Künstler eingeladen im MQ zu leben und mit den ansässigen Kulturinitiativen Projekte zu verwirklichen.

Mit der Programmreihe „freiraum quartier21 INTERNATIONAL" präsentiert das quartier21 seit Herbst 2009 internationale Ausstellungsprojekte im gleichnamigen Ausstellungsraum. Die Schwerpunktbereiche liegen dabei in den Bereichen Digitale Kunst, Mode und Design.

Einzelnachweise

  1. Alfred Stalzer: Zur Geschichte des Messewesens in Wien
  2. Vg. Der Standard, 6. Mai 1993: Kunsthistoriker gegen „Kateridee“ Messepalast
  3. Presseausendung der MuseumsQuartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft: MuseumsQuartier Wien: Das Eröffnungsprogramm startet am 29. Juni 2001, 3. November 2000
  4. Museumsquartier, Presseaussendung: Interimistische Geschäftsführung für MuseumsQuartier Wien, 3. Mai 2011
  5. Der Standard: Christian Strasser ist neuer Chef des Museumsquartiers, 24. August 2011
  6. Friedrich Rakuschan: Kampfplatz Museumsquartier vom 17. Mai 2000
  7. MuseumsQuartier: Liegen in „Zitroneneisgelb“ (Die Presse Online vom 16. April 2009)
  8. http://www.austrianfashion.net/index.php?option=com_content&task=view&id=1464&Itemid=37

Literatur

  • Margaret Gottfried: Das Wiener Kaiserforum. Utopien zwischen Hofburg und Museumsquartier. Böhlau, Wien 2001, ISBN 3-205-99196-6.
  • Udo Badelt: Mehr Leben für die Kunst. Der Tagesspiegel, 20. Oktober 2009, abgerufen am 22. Oktober 2009: „Berlins Museumsinsel bietet Weltkultur, doch der öffentliche Raum könnte mehr Besucher anziehen. So lautet das Ergebnis einer unabhängigen Studie – als Gegenbeispiel nennt sie Wiens Museumsquartier.“
  • Monika De Frantz: KulturPolitik im Wandel: Hauptstadtsymbolik in Wien und Berlin. ÖZP - Austrian Journal of Political Science 3, 2006, S. 237-253
  • Monika De Frantz: From cultural regeneration to discursive governance: constructing the flagship of the ‘Museumsquartier Vienna’ as a plural symbol of change. International Journal for Urban and Regional Research 29 (1), März 2005, S. 50-66

Weblinks

 Commons: MuseumsQuartier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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