Muratorisches Fragment

Muratorisches Fragment

Der Kanon Muratori ist eines der wichtigsten Zeugnisse für die frühe Kanongeschichte des Neuen Testaments. Er ist in einem Codex aus dem 8. Jahrhundert überliefert und wurde nach Ludovico Antonio Muratori (1672–1750) benannt, der die Handschrift in der Biblioteca Ambrosiana in Mailand fand und 1740 als Beispiel für eine schlechte Art mittelalterlicher Handschriften veröffentlichte.

Vermutlich handelt es sich um eine mehr oder weniger wortgetreue Übersetzung in schlechtes Latein eines griechischen Originals, das in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts in Rom entstanden ist. Diese Datierung kann sich auf die Angaben über die Entstehungszeit des Hirt des Hermas im Text berufen. Alternative Theorien zur Entstehung des Fragmentes datieren es in das 4. Jahrhunderts oder in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts. Der Autor geht nicht direkt aus dem Text hervor. Manche vermuten Hippolytus oder Victorinus von Poetovio aufgrund von textlichen oder inhaltlichen Parallelen als Verfasser des Fragments.

Von den heute als kanonisch geltenden Schriften des Neuen Testaments erwähnt der Kanon Muratori das Lukas- und das Johannesevangelium (der Anfang der Handschrift mit den Hinweisen auf Matthäus und Markus ist nicht erhalten), die Apostelgeschichte des Lukas, die Paulusbriefe mit Ausnahme des Hebräerbriefs und drei der Katholischen Briefe (Judas, 1. und 2. Johannesbrief), sowie das Buch der Weisheit, das heute zu den deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments gezählt wird. Nicht enthalten sind außer dem Hebräerbrief die Briefe des Petrus und Jakobus sowie der 3. Brief des Johannes.

Neben der Apokalypse des Johannes wird auch die apokryphe Apokalypse des Petrus erwähnt, in Bezug auf letztere mit dem Zusatz quam quidam ex nostris legi in ecclesia nolunt (von denen manche nicht wollen, dass sie in der Gemeinde gelesen wird).

Der apokryphe Hirte des Hermas darf zwar gelesen werden (legi eum quidem oportet), aber nicht öffentlich der Gemeinde verlesen (publicare vero in ecclesia populo). Weitere apokryphe Schriften werden verworfen: Die Briefe des Paulus an die Laodizäer und Alexandriner werden als Fälschungen abgelehnt (Pauli nomine fictae), ebenso Schriften des Arsinous, Valentinus, Miltiades und ein angeblich für Markion verfasstes Psalmenbuch (nihil in totum recipimus).

Literatur

  • Hans Lietzmann: Das Muratorische Fragment und die Monarchianischen Prologe zu den Evangelien. Kleine Texte, Bonn 1902
  • Wilhelm Schneemelcher: Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 2 Bde. Mohr, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147252-7
  • Werner Georg Kümmel: Einleitung in das Neue Testament. Quelle + Meyer, Heidelberg 1983, ISBN 3-494-00089-1
  • Geoffrey Mark Hahneman: The Muratorian Fragment and the Development of the Canon. Clarendon Press, Oxford 1992 ISBN 0198263414
  • Jonathan J. Armstrong: Victorinus of Pettau as the Author of the Canon Muratori, in: Vigiliae Christianae 62, Leiden, 2008, S. 1-34.
  • J. Verheyden: The Canon Muratori; A Matter of dispute, in: Biblitheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium (BEThL), Leuven, 2003, S. 487-556.

Weblinks


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