Moshe Scharett

Moshe Scharett
Mosche Scharet

Mosche Scharet (hebräisch ‏משה שרת‎; * 15. Oktober 1894 in Cherson, Ukraine; † 7. Juli 1965 in Jerusalem; geboren als Mosche Schertok) war ein israelischer Politiker. Zwischen zwei Amtszeiten von David Ben Gurion war Scharet zwischen 1953 und 1955 der zweite Ministerpräsident Israels, und bis zu seinem Rücktritt 1956 der erste israelische Außenminister.

Scharet wurde in der Ukraine geboren. Seine Familie emigrierte 1906 nach Palästina. Dort gehörte sie zu den Mitbegründern der Stadt Tel Aviv. Mosche Scharet war in der ersten Abschlussklasse des ersten hebräischen Gymnasiums des Landes (dem Herzliya-Gymnasium). Er sprach fließend Arabisch und Türkisch, studierte Rechtswissenschaften in Konstantinopel und diente während des Ersten Weltkrieges auch als Stabsdolmetscher in den osmanischen Streitkräften an der Palästinafront, die teilweise unter deutschem Kommando standen. Er wurde für seinen Einsatz mit dem Eisernen Kreuz und der osmanischen Verdienstmedaille dekoriert. Nach dem Krieg nahm er ein Wirtschaftstudium an der London School of Economics and Political Science auf.

Nachdem er 1925 aus England zurückgekommen war, gelangte Scharet zu einer Anstellung als stellvertretender Herausgeber von Dawar, der Tageszeitung der sich gründenden Gewerkschaft Histadrut. Im Jahre 1931 wurde er Sekretär der politischen Abteilung der Jewish Agency (einer Art Vorgängerregierung) und 1933 schließlich ihr Chef. Er hatte damit die zweitwichtigste Position hinter David Ben Gurion inne. Zwischen 1933 und 1948 leitete er die Verhandlungen zwischen den Zionisten und der britischen Mandatsverwaltung, und fungierte gewissermaßen als der Botschafter des noch nicht gegründeten Staates Israel. Er war mitverantwortlich für Strategien wie der Einrichtung einer jüdischen Brigade in der britischen Armee (siehe auch Palmach) und er unterstützte die illegale Einwanderung trotz der Restriktionen des Weißbuchs von 1939. Zusammen mit anderen führenden Persönlichkeiten der Jewish Agency und des Jischuw wurde Scharet 1947 zwischenzeitlich von den Briten inhaftiert.

Nach der Staatsgründung änderte er seinen Namen von Schertok in Scharet und wurde zum ersten Außenminister des neu gegründeten Staates ernannt. Der wichtigste Erfolg in dieser Funktion war 1949 das Waffenstillstandsabkommen mit Ägypten, Jordanien, Irak, Syrien und dem Libanon, das den Israelischen Unabhängigkeitskrieg beendete und das 1952 geschlossene Luxemburger Abkommen als erster Schritt der deutschen Wiedergutmachungspolitik.

Nach dem Rücktritt von David Ben Gurion übernahm Scharet am 7. Dezember 1953 das Amt des Ministerpräsidenten. Er fuhr einen sehr gemäßigten Kurs und setzte sich für diplomatische Verhandlungen mit den Nachbarstaaten ein. Dabei geriet er in einen Konflikt mit Ben Gurion, der zwar Bündnisse mit Staaten außerhalb des arabischen Raums anstrebte (Türkei, Iran), aber Verhandlungen und Kompromisse mit arabischen Nachbarstaaten einschließlich des damals unter Präsident Camille Chamoun und dem Philosophen Charles Malik als Außenminister eng mit den USA verbündeten Libanon (dessen Zerschlagung Ben Gurion durch Unterstützung maronitischer Separatisten herbeiführen wollte, um einen christlichen Verbündeten im Norden zu erhalten) strikt ablehnte, und stattdessen auf eine Linie der Durchsetzung israelischer Interessen mit militärischer Gewalt bei strikter Ablehnung diplomatischer Kompromisse setzte. Golda Meïr, Yitzhak Rabin und Shimon Peres verfolgten seitdem konsequent diese Strategie Ben Gurions, nicht nur gegenüber muslimischen Nachbarstaaten, sondern auch gegenüber dem Libanon. Mit dieser Strategie, die auf einer schlagkräftigen Armee beruht, ist Israel heute zwar vom einst sozialistischen Staat zum Hauptverbündeten der USA mutiert, jedoch im Hinblick auf kulturelle und zwischenmenschliche Beziehungen zu Nachbarstaaten, in denen es vor der Staatsgründung ein vielfältiges und reiches jüdisches Leben gab, völlig in Isolation geraten. Die Alternativstrategie von Sharett, der als 12-Jähriger nach Palästina kam und noch im Osmanischen Reich in einer multikulturellen Umgebung aufwuchs, ist in Vergessenheit geraten. Nach knapp zwei Jahren im Amt wurde er am 2. November 1955 wieder von Ben Gurion abgelöst. Über die Auseinandersetzungen zwischen Scharet und Ben Gurion erfährt man Näheres in den inzwischen auch auf Deutsch (s.u.) erschienenen Tagebuchaufzeichnungen von Moshe Sharett, die sein Sohn Ya'acov vor einigen Jahren in Israel publiziert hat.

Scharet diente noch bis 1956 als Außenminister und übernahm danach den Vorsitz der Jewish Agency, den er bis 1960 inne hatte.

Literatur

  • Amar-Dahl, Tamar, 2003: Diplomatie statt Gewalt - die Tagebücher Moshe Sharetts: ISBN 3-89975-030-6
  • Rokach, Livia, 1980: Israel's Sacred Terrorism : A Study Based on Moshe Sharett's Personal Diary and Other Documents. Belmont, ISBN 0-937694-70-3.
  • Sharett, Ya'acov, 1983, L'État juif et l'integrité du Liban, Le Monde Diplomatique, Décembre 1983, nachgedruckt in: Ramonet et.al., Proche-Orient - Une Guerre de Cent Ans, Le Monde Diplomatique, Manière de voir 11, Mars 1991, pp. 40-43, ISSN 0987-8610.

Weblinks

  • Moshe Sharett Israelischer Staatsmann und zionistischer Führer (Jewish Agency of Israel)
  • Moshe Sharett (Jewish Virtual Library; auf Englisch)



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