Moritz Saphir

Moritz Saphir
Moritz Gottlieb Saphir, Lithographie von Joseph Kriehuber 1835

Moritz Gottlieb Saphir, eigentlich Moses Saphir (* 8. Februar 1795 in Lovasbéreny (bei Székesfehérvar); † 5. September 1858 in Baden bei Wien), war ein österreichischer Schriftsteller und Journalist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Saphir war der Sohn des Krämers Gottlieb (vorher Israel) Saphir und dessen Ehefrau Charlotte Brüll. Während der Regentschaft Kaiser Josephs II. wurde allen jüdischen Untertanen ein Familienname verordnet und Saphirs Vater wählte sich als einer der ersten Betroffenen diesen Namen. Saphir wurde von seiner Familie auf die Talmudschule nach Pressburg geschickt, um Rabbiner zu werden. Mit elf Jahren hatte sich Saphir darüber derart mit seiner Familie zerstritten, dass er 1806 auf eigene Verantwortung nach Prag ging und die dortige Talmudschule besuchte.

Doch schon kurze Zeit später entdeckte Saphir für sich die europäische Literatur und studierte nun Anglistik, Germanistik und Romanistik. 1814 entzog ihm die Familie die Erlaubnis (damit wohl die finanzielle Unterstützung) und holte den noch minderjährigen Sohn zurück. Da Saphir aber für das väterliche Geschäft keinen Gewinn darstellte, durfte er einige Zeit später nach Pest um dort Latein und Griechisch zu studieren. Gleichzeitig begann dort die schriftstellerische Karriere Saphirs. In der Zeitschrift Pannonia konnte er mit ersten Arbeiten debütieren, und 1821 erschien sein erstes Buch, „Poetische Erstlinge“, ein Gedichtband der überwiegend wohlwollend aufgenommen wurde.

Der Verleger Adolf Bäuerle lud Saphir 1822 nach Wien ein und engagierte ihn für seine Wiener Theaterzeitung. Hier machte sich Saphir durch gnadenlose Theaterkritiken und verschiedene Essays derart unbeliebt, dass er 1825 ausgewiesen wurde und nach Berlin ging.

Dort wirkte er als Redakteur seines Feuilletons Berliner Schnellpost für Literatur, Theater und Geselligkeit, beim Berliner Courier und Herausgeber des Berliner Theateralmanachs auf das Jahr 1828. Am 9. Dezember 1827 gründete er die literarische Gesellschaft „Tunnel über der Spree“, nach dem Spottwort Theodor Fontanes als „persönliche Leibwache“ in seinen literarischen Fehden. Als eloquenter Satiriker machte sich Saphir in Berlin immer mehr Feinde, so dass ihm auch prominente Vereinskollegen vom "Tunnel" nicht mehr helfen konnten (oder wollten). Der Breslauer Journalist und Theaterdichter Karl Schall forderte Saphir öffentlich zum Duell. In der Spenerschen Zeitung kränkte er die Sängerin Henriette Sontag mit einem Gedicht, das zum vielzitierten Sontag-Skandal führte. Er wurde deshalb sogar für kurze Zeit zu Festungshaft verurteilt.

Nach Verbüßung der Strafe wechselte er 1829 nach München. Dort gründete er zusammen mit den Buchhändlern Johann Friedrich und Friedrich Gottlob Franckh u.a. die Zeitschriften Der Bazar (1830) und Der deutsche Horizont (1831). Gerade hier wurde er wieder sehr verletzend in Wort und Schrift. Als er auch noch das bayerische Königshaus satirisch angreift und beleidigt, wurde wegen Majestätsbeleidigung angeklagt, verurteilt und für kurze Zeit eingesperrt; nach Verbüßung der Strafe wies man ihn aus München aus.

Saphir ging nach Paris und wurde dort sehr schnell durch seine Vorträge berühmt. Saphirs literarische Abende im Salon Bossange (Buchhändler Martin Bossange) brachten ihm sogar eine Einladung des französischen Königs Louis Philippe ein. 1831 kam er wieder nach München zurück und übernahm die Redaktion des Bayerischen Beobachters. Im darauf folgendem Jahr konvertierte er vom mosaischen zum evangelischen Glauben. Dieses und einige literarische Zurückhaltung bewirkten, dass er bald darauf zum Königlich Bayerischen Hoftheater-Intendanzrat ernannt wurde.

1834 kehrte er nach Wien zurück und schrieb, da ihm die Gründung einer eigenen Zeitung behördlicherseits verboten wurde, wieder für die Theaterzeitung. Erst mit Wirkung vom 1. Januar 1837 wurde dieses Verbot aufgehoben und noch am selben Tag gründete Saphir die satirische Zeitschrift „Der Humorist“, die er bis zu seinem Tode 1858 herausgab (sie wurde 1862 eingestellt). Während der Revolution von 1848 wurde er zuerst an die Spitze eines revolutionären Schriftstellerverbandes gewählt, trat aber kurz darauf von dieser Funktion zurück und wartete in Baden die Beruhigung der Verhältnisse ab.

Dieses Verhalten und die zunehmende politische Zurückhaltung in seinen Texten machte ihn, den lebenslang von der Zensur verfolgten, später für eine neue Schriftstellergeneration als „reaktionär“ angreifbar. Legendär wurden u.a. seine Gegnerschaft zu Johann Nestroy und seine Freundschaft zu Ignaz Franz Castelli. Es folgten mehrere Vortragsreisen durch Deutschland, Frankreich und Österreich. Nach der Rückkehr von einer solchen Reise verließ ihn seine Frau.

Im Sommer 1858 reiste Saphir zur Kur nach Baden bei Wien. Dort starb er am 5. September 1858 im Alter von 63 Jahren. Seine letzten Worte waren „Jetzt ist's aus, ich muß fort“. Als Nachlassverwalter wurde der Schriftsteller Friedrich Hebbel beauftragt.

Seine Grabstätte befindet sich auf dem Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf (Gruppe 1, Nr. 168) in Wien.

Werke

  • Deklamatorische Soirée (1858)
  • Dumme Briefe (1834)
  • Konditorei des Jokus (1828)
  • Poetische Erstlinge (1821)

Literatur

  • Anton Schlossar: Saphir, Moritz. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 364–369.
  • Saphir, Moritz Gottlieb. In Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 28. Band. Wien 1874. Online-Version: [1]
  • Jacob Toury: M. G. Saphir und K. Beck. In: Walter Grab u.a. (Hrsg.): Juden im Vormärz und in der Revolution 1848. Burgverlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-922801-61-7
  • Peter Sprengel: Moritz Gottlieb Saphir in Berlin. Journalismus und Biedermeierkultur. In: Günter Blamberger / Manfred Engel / Monika Ritzer (Hgg.): Studien zur Literatur des Frührealismus. Ulrich Fülleborn zur Emeritierung. Lang Verlag, Frankfurt a. M. 1991, S. 243-275.
  • Wulf Wülfing: Folgenreiche Witze. Moritz Gottlieb Saphir. In: Joachim Dyck u.a. (Hrsg.): Rhetorik im 19. Jahrhundert. Niemeyer Verlag, Tübingen 1993, ISBN 3-484-60389-5, S. 73-83.

Weblinks


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