Arila Siegert

Arila Siegert
Arila Siegert in „Afectos humanos“

Arila Siegert (* 18. September 1953 in Rabenau bei Dresden) ist eine deutsche Tänzerin, Choreografin und Opernregisseurin.

Leben und Werk

Siegert studierte Neuen künstlerischen Tanz an der Palucca Schule Dresden. Gret Palucca war ihre wichtigste Anregerin. Eine fundierte klassische Ausbildung erhielt sie daneben von Galina Ulanova. 1970 engagierte Tom Schilling sie ans damals renommierte Tanztheater der Berliner Komischen Oper. Bedeutsam wurde für sie die Begegnung mit Walter Felsensteins Werk, der Genauigkeit seiner Arbeit.

1979 avancierte sie zur Solotänzerin am Staatstheater Dresden. Hier war sie u. a. in Harald Wandtkes Apocalyptica (Musik: Milko Kelemen) als „Sie“ neben Gerald Binke als „Er“ zu erleben. Schon früh begann sie zu choreografieren. 1985 gab sie ihren ersten Soloabend Gesichte. Es folgten HerzSchläge, Fluchtlinien. Aber auch Rekonstruktionen von Choreografien des deutschen Ausdruckstanzes wie Mary Wigmans Hexentanz, Dore Hoyers Afectos humanos, Marianne Vogelsangs Bach Praeludien machten sie international bekannt. Gastspiele führten sie um die ganze Welt.

Am Dresdner Staatsschauspiel gründete sie 1987 ein eigenes Tanztheater, gründete dann am Anhaltischen Theater Dessau eine Tanzkompanie und übernahm für zwei Jahre (1996/98) als „berufene Expertin“ die Leitung der Bühne am Bauhaus Dessau. Es entstanden abendfüllende Choreografien. Die ersten waren die Uraufführung von Gerald Humels Othello und Desdemona (1988) auf ein eigenes Libretto und Henzes Undine in Berlin, Karlheinz Stockhausens Setzt die Segel zur Sonne in Wien, Medealandschaften nach Musik von Sofia Gubaidulina in Leipzig. In Dessau brachte sie unter anderem eine Rekonstruktion von Kandinskys Der gelbe Klang, Gustav Mahlers Lied von der Erde, das Verdi-Requiem oder Igor Strawinskys Le sacre du printemps heraus.

Zu den prägenden Erfahrungen zählt auch, als sie 1986 Ruth Berghaus assistierte bei der Choreografie von Hans Werner Henzes Orpheus-Ballett an der Wiener Staatsoper und als sie 1987 Kurt Weills Sieben Todsünden am Dresdner Staatsschauspiel mit Peter Konwitschny auf die Bühne brachte. Eigene Abende gestaltete sie am Bauhaus unter anderem mit der Ursonate nach dem Dadaistischen Lautgedicht von Kurt Schwitters oder als sie mit dem Bühnenarchitekten Hans Dieter Schaal die Stadträume kreierte.

1998 inszenierte sie zum ersten Mal Oper: zusammen mit Hans Dieter Schaal und der Kostümbildnerin Marie-Luise Strandt Verdis Macbeth. Viele weitere Arbeiten fürs Musiktheater entstanden seitdem wie Aida, Titus, Der Freischütz, Eugen Onegin, Hoffmanns Erzählungen. Neue und unbekannte Werke reizen Arila Siegert besonders. Wichtig ist ihr die Erarbeitung der Stücke aus dem Gestus der Musik.

So brachte sie in Schwetzingen einen Abend mit Einaktern der Mannheimer Schule von Cannabich und Ignaz Holzbauer heraus. Für die EXPO 2000 in Hannover inszenierte sie die Kammeroper Der Meister und Margarita (nach Michail Bulgakow) des zu Sowjet-Zeiten verfemten Sergej Slonimski. Sie realisierte die szenische Erstaufführung von Vinko Globokars als unspielbar geltender L’armonia drammatica, brachte die späte Deutsche Erstaufführung der einzigen Oper von Gabriel Fauré heraus, Pénélope. Oder sie erprobte neu eine der in den 1970er Jahren meistgespielten Kammeropern, Fritz Geißlers Zerbrochenen Krug. Sehr körperbetont ihre Interpretation von Janaceks Oper kriminologisch-science-fiction-artiger Oper Sache Makropulos.

In jüngerer Zeit näherte sie sich auch der Operette und dem Musical mit Lehárs Das Land des Lächelns, Die lustige Witwe und der Wiederentdeckung von Johann Strauß' zeitsatirischem Das Spitzentuch der Königin. Kultstatus erreichte ihre folklorefreie Einrichtung von Anatevka im Bühnenbild von Grit Dora von Zeschau am Thüringer Landestheater Eisenach. Eine Stunde lang standing ovations gab es für diese Produktion, als das Ensembles am 14. Juni 2008 den eigenständigen Theater-Betrieb einstellen musste. Mozarts Zauberflöte inszenierte Arila Siegert zweimal. Mit Idomeneo (in Heidelberg) und Figaros Hochzeit (in Mainz) ist ihr Mozart-Repertoire weiter gewachsen, Don Giovanni ist geplant für Oktober 2010. Zum Triumph bei Publikum und Presse wurde wie schon der Freischütz ihr erster Wagner, Der fliegende Holländer, der ihr eine Nominierung als Regisseurin des Jahres 2007 im Fachmagazin Opernwelt und eine Einladung an die Waldoper Sopot einbrachte.

Besonders intensiv und erfolgreich gestaltete sich die Spielzeit 2009/10: mit Henry Purcells Dido and Aeneas in Mainz (im ständig ausverkauften Kleinen Haus), Georg Friedrich Händels später Oper Alcina in einer Kammerfassung und für das Große Haus in Schwerin, der hoch gelobten deutschen Erstaufführung von Jean-Philippe Rameaus später Ballett-Opern-Komödie Les Paladins an der Rheinoper Düsseldorf-Duisburg und der europäischen Erstaufführung einer 1962 in New York uraufgeführten Oper über die Auswirkungen des amerikanischen Bürgerkriegs, The Passion of Jonathan Wade von Carlisle Floyd, am Landestheater Salzburg.

Auch als Tänzerin zeigte sie sich immer wieder. So in einem Die menschliche Figur getitelten Abend, den Helge Leiberg live „übermalte“ und der von der Kritik gelobt wurde. Auch in einer eigenen Inszenierung von Glucks Orfeo ed Euridice choreografierte sie sich eine Rolle. Mit Ravels Boléro kreierte sie ein neues Solo. Ausgezeichnet wurde sie mit dem Kritikerpreis für Tanz 1989, das Bundesverdienstkreuz erhielt sie 1993. 1997 wurde sie in die Berliner Akademie der Künste gewählt und 2007 auch in die Dresdner Sächsische Akademie der Künste. Mitte 2010 wurde sie in die Mitgliederversammlung des Goethe-Instituts berufen.

In einem im August 2010 erschienenen Sammelband des Rotbuch-Verlages veröffentlichte sie ein Essay über ihre Zusammenarbeit mit Berghaus. Eine Monografie über ihre eigene Arbeit erscheint demnächst in der Archiv-Reihe der Berliner Akademie der Künste. Das Archiv der Berliner Akademie verwahrt auch ihre Materialien. Sie lebt in Berlin.

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